Politikwissenschaftler Kishore Mahbubani "Die heutige Weltordnung ähnelt der Apartheid"

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Was wird dann aus uns im Westen?

Die Ära, in der der Westen die Weltgeschichte dominiert hat, geht zu Ende. Das ist aber nicht das Ende des Westens. Sein Anteil an der Weltwirtschaft wird zwar abnehmen. Absolut wird die Wirtschaftsleistung der EU und der USA aber nicht schrumpfen, weil der gesamte Kuchen größer wird.

Sie behaupten, der Westen sei unglücklich über den Aufstieg Asiens. Warum?

Der Westen sträubt sich dagegen, Macht und Einfluss mit den Asiaten zu teilen. Als etwa der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde, bestand Europa auf einem großen Anteil der Sitze. Genauso ist Europa im IWF stark überrepräsentiert. Die Beneluxländer haben dort mehr Stimmrechte als China. Europas Einfluss spiegelt die Rolle des Kontinents im 19. Jahrhundert wider. Wir leben aber im 21. Jahrhundert.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und einem autoritären Regime wie in China?

Es gibt in Asien nicht das eine Erfolgsmodell für die ganze Region. Wir haben auf der einen Seite China, das von der Kommunistischen Partei geführt wird, und auf der anderen Seite Indien, das als größte Demokratie der Welt genauso erfolgreich ist. Die KP kann für wirtschaftlichen Erfolg sorgen, eine Demokratie aber eben auch. Das politische System ist nicht die entscheidende Größe beim Aufstieg Asiens.

Werden die politischen Systeme in Asien trotz aller wirtschaftlichen Veränderungen so bleiben, wie sie heute sind?

Langfristig werden alle Gesellschaften demokratisch werden, daran gibt es keinen Zweifel. Auch China. Die Frage ist, welchen Weg sie gehen. Die Amerikaner haben 1776 Freiheit und Gleichheit in ihrer Unabhängigkeitserklärung festgeschrieben. Es dauerte aber immer noch 100 Jahre, bis sie die Sklaverei abgeschafft hatten, und weitere 80 Jahre bis zur Gleichstellung der Frau. Es kann durchaus sein, dass China noch 200 Jahre bis zur Demokratisierung braucht.

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