Politische Krisen Deutschlands neuer Stress mit den Exporten

Trump, Putin, Erdogan – die politischen Querulanten bereiten zunehmend auch der Wirtschaft Sorgen. Vor allem die Exporteure fürchten internationalen Krisen. Doch auch ausgerechnet der eigenen Erfolg steht ihnen im Weg.

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Die deutschen Exporteure beobachten die politischen Entwicklungen derzeit genau – sie fürchten sinkende Absätze. Quelle: dapd

Berlin, Düsseldorf, London Es ist die Königsdisziplin der deutschen Wirtschaft: Der Erfolg des Exports international gleichermaßen gelobt wie angegriffen. Mit mehr als 200 Ländern und Territorien treibt die deutsche Wirtschaft Handel – von den USA bis hin zu Mikronesien und der Weihnachtsinsel. Doch mit einigen großen Kunden haben die Exporteure derzeit Schwierigkeiten – vor allem aufgrund von politische Entwicklungen. Jüngstes Beispiel ist die Türkei, mit der Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan droht nach aktuellen Eskalation auch ein Handelsstreit. Ein Überblick über die Länder, in denen den deutschen Exporteuren Stress droht:

Türkei

Als Reaktion auf Festnahmen deutscher Bürger und Drohungen gegen deutsche Unternehmen prüft die Bundesregierung, ob die Hermes-Bürgschaften ausgesetzt werden. Damit werden Ausfuhren deutscher Waren in die Türkei abgesichert – allein im ersten Halbjahr lag das Volumen bei 680 Millionen Euro. „Wir müssen mit deutlichen Einbrüchen bei den Exporten rechnen, wenn die im Raume stehenden Maßnahmen umgesetzt werden“, erwartet der Außenhandelsverband BGA.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass der Handel zwischen beiden Ländern in diesem Jahr um mehr als zehn Prozent einbricht. Von Januar bis Mai schrumpften die deutschen Exporte in das Land am Bosporus gegen den Trend bereits um 9,5 Prozent auf 8,6 Milliarden Euro. Damit liegt das Land auf der Rangliste der wichtigsten Absatzmärkte auf Platz 16.

Am Freitag wurde die neueste Stufe der Eskalation der Beziehung zwischen Berlin und Ankara bekannt. Aus deutschen Regierungskreisen erfuhr das Handelsblatt, dass Erdogans Mannschaft 681 deutsche Firmen verdächtigt, Terroristen zu unterstützen. Die Vorwürfe gegen die Unternehmen seien „völlig abstrus“, hieß es in Berlin.

Die Türkei versucht seitdem, Schadensbegrenzung zu betreiben. Sie bestreitet öffentlich, diese Liste überhaupt existiert. Am Freitagnachmittag dementierte auch Erdogan die Verdächtigungen. Solche „böse Propaganda“ solle nur dazu dienen, Druck auf deutsche Firmen auszuüben und international für Verunsicherung zu sorgen, sagte Erdogan bei einer Ansprache in Istanbul. Auch die Kritik von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel wies er scharf zurück. Gabriel hatte von Investitionen in der Türkei abgeraten und gewarnt, „dass deutsche Staatsbürger in der Türkei vor willkürlichen Verhaftungen nicht mehr sicher“ seien.

Zudem wenden sich Regierungsmitglieder direkt an die Unternehmen: Deutsche Investitionen in der Türkei sind dem türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci zufolge durch die Regierung und die Gesetze des Landes garantiert. Doch darauf dürften spätestens nach den willkürlich erscheinenden Verhaftungen in den vergangenen Monaten und den aktuellen Enthüllungen zum Terrorverdacht viele Unternehmen nicht mehr vertrauen.

USA

US-Präsident Donald Trump will die heimische Stahlbranche stärken. Strafzölle und Einfuhrquoten können unter anderem Salzgitter und die Dillinger Hütte treffen. Trump ist ohnehin ein Dorn im Auge, dass Deutschland viel mehr in die USA exportiert als von dort importiert: Allein von Januar bis Mai summierte sich der deutsche Überschuss im bilateralen Handel auf 21 Milliarden Euro.

Zwar schloss sich der US-Präsident der Abschlusserklärung des G20-Gipfels an, in der sich gegen Protektionismus ausgesprochen wird. Allerdings wird auch vor unfairen Handelspraktiken gewarnt und für diesen Fall „rechtmäßige Handelsschutzinstrumente“ ausdrücklich ins Spiel gebracht. Die USA sind der wichtigste deutsche Exportkunde.

Zuletzt sorgte aber gerade Trumps Schwäche und seine bislang nicht eingehaltenen Versprechen für Probleme bei den Exporteuren. Sechs Monate nach der Amtsübernahme macht sich vor allem an den Devisenmärkten Ernüchterung breit. Die Reformhoffnungen schwinden; die Zweifel an der Regierungsfähigkeit des Präsidenten wachsen. Nachdem in dieser Woche die Gesundheitsreform zum zweiten Mal gescheitert ist, hat der Dollarkurs deutlich abgenommen. Am Freitag stieg der Euro mit mehr als 1,16 Euro sogar auf ein 2-Jahres-Hoch. Nun müssen auch viele Exporteure ihre Strategie überdenken. Im Dax bekam das vor allem die Autobranche zu spüren. Falls die Trump-Regierung nun noch politische Handelsbarrieren, steht viel auf dem Spiel. 1,6 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt am US-Geschäft.


Sorgen vor Brexit und weiteren Sanktionen gegen Putin

Brexit

Nicht gut läuft es für die deutsche Wirtschaft in Großbritannien. Auf ihrem drittgrößten Absatzmarkt nach den USA und Frankreich schrumpften die Exporte im ersten Quartal gegen den Trend um fast drei Prozent, obwohl sie weltweit um 8,5 Prozent zulegten. Ein Grund ist das schwächelnde Pfund: Dessen massive Abwertung seit dem Votum der Briten für einen EU-Austritt vor gut einem Jahr hat den Euro um mehr als 15 Prozent aufgewertet, was Waren „Made in Germany“ auf der Insel teurer macht.

Noch viel mehr Ungemach droht, sollten die Brexit-Verhandlungen nicht bald Ergebnisse liefern. „Es wird Zeit, dass mehr Klarheit in den Brexit-Prozess kommt“, warnt BGA-Präsident Anton Börner. „Diese Ungewissheit hemmt die Wirtschaftsaktivitäten und schadet sowohl der EU als auch Großbritannien.“

Und es gibt durch den Brexit-Streit auch ein neues Imageproblem für ausländische Waren auf der Insel. In Teilen der Gesellschaft verbreiten sich Anti-europäische Ressentiments. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge wollen 23 Prozent der Verbraucher aufgrund der geplanten Scheidung von der Europäischen Union vermehrt einheimische Produkte kaufen.

Im Jahr 2016 machten Exporte nach Großbritannien sieben Prozent des deutschen Gesamtexports aus. Knapp 750.000 Jobs in Deutschland sollen laut Schätzungen vom Export abhängig sein – 2500 deutsche Unternehmen sind auf der Insel tätig, einige der größten sind Autobauer wie Mercedes oder BMW.

Lange war Russland der am schnellsten wachsende Auslandsmarkt für die deutschen Exporteure, doch seit der dortigen Wirtschaftskrise und den westlichen Sanktionen wegen der Krim-Annexion ist es damit vorbei. Zwar legten die deutschen Ausfuhren nach langer Talfahrt im ersten Quartal wieder um fast ein Drittel auf 6,3 Milliarden Euro zu, doch ist das Niveau weiter vergleichsweise niedrig. Ein Ende der Sanktionen ist zudem nicht in Sicht. Die USA streben sogar neue Boykottmaßnahmen an.

Welche Fallstricke die Sanktionen haben können, zeigt das Beispiel Siemens. Mindestens zwei Siemens-Gasturbinen, die eigentlich für ein Projekt auf der südrussischen Halbinsel Taman bestimmt waren, sind auf der Halbinsel Krim aufgetaucht, die den Wirtschaftssanktionen unterliegt. Sie waren eigentlich für den russischen Kunden TPE bestimmt. „Dieses Vergehen stellt einen klaren Bruch der Lieferverträge dar, die unserem Kunden eine Lieferung auf die Krim zweifelsfrei verbieten“, heißt es in München. Man erstatte Strafanzeige und werde auf Einhaltung der Verträge klagen. Generell ist der russische ist für Infrastrukturanbieter sehr interessant. Doch aufgrund der juristischen Unsicherheiten soll Siemens sein Russland-Geschäft überdenken.

Dennoch gibt es für das aktuelle Jahr Hoffnung für die Exporteure. Nach vier Jahren Rückgang im Handel zwischen Deutschland und Russland erwartet der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft für 2017 wieder ein deutliches Wachstum. Voraussetzung dafür seien aber, dass Ölpreis und Rubelkurs stabil blieben. Der Vorsitzende Wolfgang Büchele ging zuletzt davon aus, dass die Talsohle der russischen Wirtschaftskrise durchschritten sei.

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