Porträt Donald Trump: Der (Un-)Mögliche

Donald Trump schimpfte sich durch den amerikanischen Vorwahlkampf. Unterstützung erfährt er nicht nur von aufgebrachten Verschwörungstheoretikern, sondern bis weit in den Mittelstand. Ein Porträt.

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Donald Trump Quelle: dpa

Der Kampf gegen den „IS“. Der Rauswurf illegaler Einwanderer aus den USA. Und natürlich die Mauer nach Mexiko. Donald Trump gibt bei seinem Wahlkampfauftritt in Muscatine, Iowa, seine bekannten Gassenhauer zum Besten. Der Milliardär, der bei der ersten Vorwahl der Republikaner zu den US-Präsidentenwahlen am Montag in dem kleinen Bundesstaat im Mittleren Westen als Favorit gilt, schürt 65 Minuten lang Ängste und Vorurteile. Und das kommt bei den fast 2000 Anhängern an. In der Turnhalle der örtlichen Highschool sind an diesem Sonntagvormittag zumeist weiße Männer, 50 plus, kräftige Statur, zusammengekommen. Unter ihnen: die „angry white men“, die Wutbürger, die als klassische Unterstützergruppe von Trump gelten. Aber auch: kleine und mittelständische Unternehmer und ihre Angestellten.

Welche Staaten tendieren zu welchem Kandidaten

Von ihrem Votum hängt es ab, ob Donald Trump aus den Vorwahlen als Sieger hervorgeht und für die Republikaner am 8. November um den Einzug ins Weiße Haus kämpfen darf. Ob dem Mann, der gegen das Establishment hetzt und dessen Aufstieg weltweit mit einer Mischung aus Spott und Schaudern verfolgt wird, der Weg von der Polit-Karikatur zum Anwärter auf das mächtigste Amt der Welt gelingt. Trumps Chancen, bei jenen zu punkten, die täglich ihrer Arbeit nachgehen, dafür ein durchschnittliches Gehalt kassieren und zufrieden sind, wenn sich alle an die Regeln halten, stehen nicht schlecht. Viele Besitzer und Beschäftigte von inhabergeführten Betrieben hegen Sympathien für den erfolgreichen Immobilientycoon mit der Föhnfrisur, bewundern seinen Erfolg. Im Spätsommer gaben in einer Umfrage 41 Prozent der klein- und mittelständischen Unternehmer an, Trump für den besten Mann im Bewerberfeld der Republikaner zu halten. Sie sind der Beweis dafür, dass das Phänomen Trump mehr als nur ein Irrlicht zu Beginn dieses Präsidentschaftswahlkampfes sein könnte. Dass Trump, so irre seine Auftritte wirken, doch auf eine Resonanz trifft, die viel über die Vereinigten Staaten und ihren Zustand zu Beginn dieses Präsidentschaftswahlkampfes aussagt.

Wo Washington als Bedrohung gilt

Martin McKerrin braucht nicht lange zu überlegen, warum er, der solide Unternehmer, auf einen Milliardär mit Föhnfrisur und Modelfrauen, abfährt: „Trump ist einer von uns“, sagt der Gas- und Wasserinstallateur, der unweit von Iowas Hauptstadt Des Moines einen Betrieb mit fünf Angestellten leitet. Trump kenne eben die Sorgen des kleinen Mannes: die Ungerechtigkeiten des Steuersystems und die Probleme mit immer neuen Regulierungen, die den Unternehmern das Leben schwer machten.

„Die Umweltbehörde, die Gesundheitsbehörde: Von ihnen kommen immer neue Auflagen und Bestimmungen.“ Damit müsse Schluss sei, sonst würde die heimische Wirtschaft noch „erwürgt“, glaubt McKerrin.

Tatsächlich tritt Trump – wie alle Kandidaten der republikanischen Partei – für Deregulierung und Steuersenkungen an. Geht es nach den Plänen des Milliardärs sollen Geringverdiener künftig keine Einkommensteuer mehr zahlen. Insgesamt soll es vier Steuersätze geben – bis maximal 25 Prozent. Wichtig für die Unternehmen: Egal, ob Großkonzern oder Kleinstbetrieb, die Körperschaftsteuer soll künftig bei 15 Prozent liegen. Dafür sollen sämtliche Steuerschlupflöcher geschlossen werden.

Zuletzt machten US-Pharmahersteller Schlagzeilen, indem sie reihenweise irische Unternehmen schluckten, um die Gewinne nicht in den USA, sondern zu deutlich niedrigeren Sätzen in Irland zu versteuern. Dieses System ist „ekelhaft“, sagt Trump. „Es gibt Unternehmer, die würden ins Ausland ziehen, nur um zwei Dollar zu sparen. Damit muss und wird Schluss sein“, ergänzt er in Muscatine.

„Ich habe keine Kunden im Ausland. Ich zahle hier meine Rechnungen, meine Mitarbeiter – und meine Steuern“, sagt McKerrin. „Das sollen bitte auch die reichen Konzerne tun.“ Dass auch andere Präsidentschaftskandidaten die Steuerschlupflöcher schließen wollen, beeindruckt den Handwerker nicht. Einzig Trump sei glaubhaft, findet McKerrin.

Es wirkt auf den ersten Blick absurd, dass die Mittelschicht ihre Hoffnungen in einen Multimilliardär setzt, der mit einem Hubschrauber von Wahlkampfauftritt zu Wahlkampfauftritt fliegt, der sich nie sorgen musste, ob offene Rechnungen beglichen und Mitarbeiter auch im nächsten Monat noch bezahlt werden können. Trump ging auf die teuersten Schulen und Universitäten, er spielt Golf und heiratete gleich mehrmals Models.

Globalisierung wird als Gefahr verkauft

Trumps Erfolgsgeheimnis: Pöbeleien gegen Politiker in der Hauptstadt Washington, die korrupt und unfähig seien. Und natürlich Angriffe auf China und Mexiko, die angeblich Jobs und Ideen der US-Amerikaner klauen. „Wir haben unterschätzt, dass diese Themen nicht nur bei einer kleinen Gruppe von weißen, eher ungebildeten Männern ankommen – sondern auch in weiten Teilen der nicht international aufgestellten Geschäftstreibenden populär sind“, sagt Martin Thunert, Dozent und Politikwissenschaftler am Center for American Studies der Universität Heidelberg, über die Umfrageerfolge von Donald Trump.

Obwohl die amerikanische Wirtschaft wächst, obwohl die Arbeitslosenquote seit Jahren sinkt und derzeit bei nur noch fünf Prozent liegt, gibt es in weiten Teilen der Vereinigten Staaten die diffuse Angst, abgehängt oder überholt zu werden. Von aufstrebenden Ländern und Wirtschaften, wie Mexiko, Vietnam oder China. Die Globalisierung wird – abseits der Metropolen mit ihren Tech-, Dienstleistungs- und Finanzzentren – als Gefahr gesehen. Den Verängstigten verspricht Trump Unterstützung. In Form von Steuererleichterung und Deregulierung, aber auch durch Abschottung nach außen.

Konkurrenten aus dem Ausland sollen mit Einfuhrbeschränkungen ferngehalten werden, den Freihandel sieht Trump als Gefahr für die USA.

Die ökonomische Unvernunft ballt sich bei Trump so arg zusammen, dass sich diese Woche der ehemalige New Yorker Bürgermeister und Milliardär Michael Bloomberg genötigt sah, womöglich in den Präsidentschaftswahlkampf einzusteigen. Bloomberg war auch mal Republikaner, wurde dann parteilos. Und sieht offenbar eine Lücke namens ökonomischer Sachverstand im Wahlkampf entstehen. Ob er damit reüssiert? Kann man bezweifeln. Aber er führt den Republikanern, die mal als Partei von Maß und Mitte galten, ihre Unzulänglichkeiten vor.

Die Verzweiflung der Republikaner

Die Grand Old Party jedenfalls schäumt ob Trumps bisherigem Durchmarsch. Der Senator von Texas, Ted Cruz, zweifelt an den Überzeugungen Trumps. Dieser sei kein Konservativer, sondern ein Liberaler von der Ostküste. Jeb Bush, der Mann, der mal als möglicher nächster Präsident galt, bevor er von Trump einfach überrollt wurde, will sich als Mann der Mitte positionieren und kritisiert in TV-Spots die radikalen Töne seines Konkurrenten. Sein Problem: Es hört ihm niemand mehr zu.

Und so verpuffen die Angriffe auf Trump bislang.

Donald Trump fordert Obamas Rücktritt
Obama soll zurücktreten Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: AP
Waterboarding und noch "viel schlimmere" MethodenDer republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump will im Fall eines Wahlsieges nicht nur die höchst umstrittene Verhörmethode „Waterboarding“ gegen Terroristen wiedereinführen. Er würde noch „verdammt viel Schlimmeres“ zulassen, als diese Form des simulierten Ertränkens, sagte der Multimilliardär in der letzten TV-Debatte der republikanischen Kandidaten vor der nächsten Vorwahl am Dienstag im Bundesstaat New Hampshire. Bei Waterboarding wird dem gefesselten Häftling Wasser übers Gesicht gegossen und damit das Gefühl des Ertrinkens vermittelt. Die Praktik sei nicht annähernd so extrem wie die „mittelalterliche“ Taktiken, derer sich Terroristen im Nahen Osten bedienten, sagte Trump weiter. Quelle: AP
Donald Trump Quelle: REUTERS
Der Wahlkampf des Milliardärs Donald Trump um das US-Präsidentenamt hat schon einige markante Forderungen hervorgebracht, nun hat Trump erneut mächtig auf den Putz gehauen: Er spricht sich für ein komplettes Einreiseverbot von Muslimen in die USA aus. Trumps Forderung kommt wenige Tage nach einer mutmaßlichen Terrorattacke im kalifornischen San Bernardino, bei der 14 Menschen erschossen wurden. Eine Täterin hatte sich vor der Attacke als Anhängerin der Terrormiliz Islamischen Staat (IS) offenbart. Die beiden Täter waren Muslime. Die Forderung reiht sich ein in eine ganze Sammlung von provokanten Äußerungen des Unternehmers im Wahlkampf... Quelle: dpa
Donald Trump Quelle: REUTERS
KlimaschutzAnlässlich des Besuchs von Papst Franziskus in den Vereinigten Staaten Ende September sagte Trump, er glaube nicht an die globale Erwärmung und halte den Klimawandel nicht für ein drängendes Problem, sondern ein natürliches Phänomen. Klimaschutz-Auflagen für amerikanische Firmen hält er daher er für falsch. Quelle: AP

Nahezu jeder Wahlkampfauftritt des Immobilientycoons wird im Fernsehen übertragen; auf YouTube gibt es jederzeit abrufbereit die besten Ausschnitte von und mit Trump. Und: Obwohl schon 69 Jahre alt, nutzt Trump die sozialen Medien so erfolgreich wie kein zweiter Kandidat. Auf Twitter folgen 5,8 Millionen Menschen dem Republikaner, auf Facebook sind es 5,4 Millionen. Damit erreicht er dort drei Mal mehr Bürger als sein Rivale Ted Cruz – und gleich 17 Mal so viele Menschen wie Jeb Bush. Trump gibt sich in den sozialen Netzwerken wie im realen Leben: Er tönt, er provoziert, er wütet.

„Obwohl er Milliardär ist, hat er nie vergessen, wer das Rückgrat unseres Landes ist: die kleinen und mittelständischen Betriebe“, behauptet McKerrin. Das habe Trump nicht nur stets betont, sondern immer auch entsprechend gehandelt. „Denken Sie an den Fall Maytag – und wie Trump anschließend Maxim Advertising rettete“, diktiert der Gas- und Wasserinstallateur dem Journalisten in den Block.

Noch vor der Finanzkrise gab der Haushaltsgerätehersteller Maytag nach über 100 Jahren sein Hauptquartier in Newton, Iowa, auf. 4000 Jobs gingen verloren, die meisten an Mexiko, wo fortan produziert wurde. In einer TV-Dokumentation schilderten kleine Zuliefererbetriebe, wie der Fortzug von Maytag auch ihre Existenz bedroht. David McNeer, der eine kleine Produktionsfirma betreibt, die Werbeartikel herstellt, beschrieb seine Sorgen und Nöte. Einen Tag nach der Ausstrahlung meldete sich Trump bei ihm. Er wolle helfen und Geschäfte mit McNeer machen. „Kein einziger Politiker hat sich bei mir gemeldet. Kein Bürgermeister, kein Senator“, beklagt McNeer noch heute. Trump aber „habe großes Herz bewiesen“ und „Wort gehalten“ und mit seinen Aufträgen die Produktion am Leben gehalten. Noch heute arbeiten beide zusammen, McNeer produziert Buttons und Autoaufkleber für die Trump-Kampagne.

Trump plant Universität

Was treibt Trump an, den Mann, der doch alles zu haben scheint?

Einer, der es wissen muss, ist Robert Kiyosaki, Geschäftspartner und Freund der Trump-Familie. „Wir sind beide besorgt, wie die US-amerikanische Mittelklasse schrumpft“, sagt Kiyosaki, der mit Spekulationen reich geworden ist und zwei Bücher mit Trump geschrieben hat. Das Ziel ihrer beiden Werke sei es gewesen, „den einfachen Leuten zu helfen“ und das Wissen über Finanzdeals „zu mehren“, so Kiyosaki.

Aus diesem Grund will Trump auch die Trump University gegründet haben. Zwischen 2005 und 2010 haben rund 7000 Erwachsene Seminare an der Ausbildungsstätte in San Diego gebucht. Der Preis: zwischen 1500 und 35.000 US-Dollar. Im Gegenzug versprach Trump den Teilnehmern, mehrheitlich Rentner, Veteranen und andere Angehörige der (unteren) Mittelklasse, die Tricks zu erlernen, wie man Immobilien kauft und verkauft – und spielend reich wird.

Hauptverkaufsargument der Universität, die keine ist, war stets der Name Trump. In Werbevideos heißt es, der erfolgreiche Immobilientycoon hätte die Lehrer „persönlich ausgewählt“ und diese bei gemeinsamen Abendessen geschult. Die Teilnehmer würden Trump-Tricks lernen, wie sie „mit dem Geld anderer“, also kreditfinanziert, ihre finanziellen Sorgen ein für alle Mal ad acta legen können. Noch während der Seminare, so beschweren sich Exteilnehmer heute, wurden sie aufgefordert, bei ihren Kreditinstituten anzurufen und ihren Kreditrahmen anheben zu lassen, um weitere Lehrgänge zu buchen.

Am Ende hatten nicht die Teilnehmer an den teuren Weiterbildungsseminaren mehr Geld im Portemonnaie, sondern nur die Seminarleiter, die auf Provisionsbasis arbeiteten – und Donald Trump. Fünf Millionen Euro soll der reiche Unternehmer aus den dubiosen Geschäften gezogen haben. Die Geschädigten prüfen Schadensersatzklagen gegen den vermeintlichen Retter der Armen und Schwachen.

Die seltsamen Geschäfte des Donald Trump

Zu den Geschäften der Trump University will sich Geschäftspartner Robert Kiyosaki nicht äußern. Nur so viel: Trump sei eine vielschichtige Persönlichkeit, Kritik an ihm durchaus berechtigt. Aber: „Die USA brauchen einen Unternehmer als Präsidenten.“

Die Trump Organization hat nach eigenen Angaben zuletzt 605 Millionen US-Dollar Umsatz gemacht – und einen Gewinn von rund 300 Millionen. Damit erzielt das Unternehmen höhere Margen als Apple oder Pharmariese Pfizer. Aber: Frei von Fehlern ist die Unternehmerkarriere von Donald Trump nie gewesen. Ein Vodka von ihm: eine Schnapsidee, ein Steak-Haus: vom Gesundheitsamt kritisiert. Und seine Casino-Sparte ging gleich direkt pleite.

Doch in den USA ist Scheitern weit weniger ein Makel als in Deutschland. Auch Gas- und Wasserinstallateur McKerrin sieht Trump durch seine ambivalente Unternehmerbilanz nicht geschwächt. Im Gegenteil: „Als Unternehmer muss man Risiken eingehen“, sagt er. Es könne nicht immer alles glattgehen. Wichtiger, als nicht hinzufallen, sei es, wieder aufzustehen. „Trump hat gezeigt, dass er Rückschläge verkraften und sein Geschäft wieder aufrichten kann“, findet der Kleinunternehmer. Nun gelte es, die USA zu alter Stärke zurückzuführen.

Einst stolze Weltmacht, die in der Welt bewundert wie gefürchtet wurde, fühlen sich viele Amerikaner plötzlich nicht mehr übermächtig. Trump hat dies wie kein Zweiter verstanden. „Die Menschen sind es leid zu sehen, dass wir von jeder verdammten Nation abgezogen werden“, sagt er und verspricht, siehe sein Wahlkampfmotto: „Make America great again“, die Vereinigten Staaten wieder zum alten Ruf zu führen. „Ich werde gierig sein, gierig für Amerika“, betont Trump in der Turnhalle von Muscatine. Die USA würden mit ihm an der Spitze wieder respektiert werden, sie würden das „klügste und beste Land“, mit einer aufgerüsteten Armee, „mit der kein Land mithalten kann“. Die Reaktion des Publikums: „USA, USA“-Rufe.

So endet der Auftritt in Muscatine wie so viele Wahlkampftermine von Trump dieser Tage. Der 69-Jährige poltert und verspricht, er bleibt gleichwohl seltsam unkonkret und beliebig. Und doch wird der einstige Außenseitiger lautstark bejubelt. Veteranen und Islamhasser, Junge und Alte – sie alle sind an diesem Tage begeistert. Wird es am Ende auch der Wähler sein?

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