Portugal und Spanien Sanktionsverfahren gegen Defizitsünder

Premiere in der Währungsunion: Zum ersten Mal haben die Euro-Finanzminister ein Sanktionsverfahren gegen Mitgliedsstaaten eingeleitet. Doch noch könnten die Defizitsünder Spanien und Portugal ungeschoren davon kommen.

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Obwohl EU-Mitglieder schon häufiger gegen den Stabilitätspakt verstießen, wurden bisher noch keine Strafen ausgesprochen. Quelle: dpa

Brüssel Die EU-Kommission hat in ihrem Verfahren gegen die Defizitsünder Spanien und Portugal Rückendeckung von den Mitgliedsländern erhalten. Die Finanzminister der Euro-Staaten schlossen sich am Dienstag im EU-Rat der Ansicht der Brüsseler Behörde an, dass die beiden Länder auf der iberischen Halbinsel ihr Haushaltsdefizit nicht in der vorgegebenen Zeit unter die vorgeschriebene Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung drückten.

Die Höhe des Strafmaßes ist aber noch vollkommen offen und könnte mit null Euro auch nur symbolisch ausfallen. Bisher wurden noch nie Sanktionen gegen ein Land der Euro-Zone wegen der Missachtung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verhängt.

„Die Entscheidung des EU-Rates wird Sanktionen auslösen“, hieß es in der Mitteilung des Gremiums, in dem die 28 EU-Staaten vertreten sind. An der Abstimmung haben nur die Finanzminister der Euro-Zone mit Ausnahme der betroffenen Länder teilgenommen. Die EU-Kommission hat nun 20 Tage Zeit, um einen Vorschlag über das Strafmaß zu machen, das wiederum von den Euro-Ländern gebilligt werden muss.

Laut EU-Stabilitätspakt soll die Strafe 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, kann aber reduziert werden, wenn Portugal und Spanien innerhalb von zehn Tagen Gründe dafür darlegen. Zuletzt hatten EU-Vertreter gesagt, dass eine nur symbolische Strafe von null Euro die wahrscheinlichste Option sei.

Mehrere Finanzminister der Euro-Zone forderten Spanien und Portugal zu raschen Maßnahmen auf, um die drohenden Strafen doch noch abzuwenden. Die beiden iberischen Länder sollten innerhalb der Zehn-Tages-Frist offensive und keine defensiven Reaktionen auf das Defizitverfahren geben, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

Ähnlich äußerte sich der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling. Sein slowakischer Kollege Peter Kazimir sagte, es gebe Raum für einen „intelligenten und klugen“ Umgang mit dem Thema. Die Slowakei übt derzeit die EU-Ratspräsidentschaft aus. Neben einer Finanzstrafe droht Portugal und Spanien ein Einfrieren von EU-Strukturmitteln für das kommende Jahr.

Nach Ansicht des finanzpolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Sven Giegold, hat die Entscheidung im EU-Rat einen bitteren Beigeschmack. „Denn auch Frankreich hat die geltenden Regeln verletzt und wurde von EU-Kommission und Eurogruppe nicht sanktioniert.“

Italien wiederum versuche, in Brüssel neue Staatshilfen für Banken durchzusetzen, die sowohl den Regeln der Bankenunion widersprächen als auch für Italien nicht finanzierbar seien, ohne nicht zugleich den Stabilitätspakt zu verletzen. Auch Deutschland ignoriere seit Jahren wegen seines hohen Leistungsbilanzüberschusses die Regeln. „Daher erzeugt die einäugige Entscheidung gegen Spanien und Portugal böses Blut in Europa“, kritisierte Giegold. „Denn sie verschärft den bestehenden Eindruck, in der Eurozone gäbe es doppelte Standards: Den Schwachen hängt man, die Starken lässt man laufen.“

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