Präsidentenwahl in Österreich Schlammschlacht bis zum Ende

Am Sonntag wählen die Österreicher ihren neuen Präsidenten. Die Kandidaten für das höchste Amt in der Alpenrepublik werfen sich gegenseitig Lügen vor. Beim letzten Fernsehduellen kochen die Gefühle hoch.

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Norbert Hofer (rechts ) und Alexander Van der Bellen warfen sich bei dem Schlagabtausch vor den Kameras des öffentlich-rechtlichen ORF gegenseitig Lügen vor. Quelle: Reuters

Wien Österreich steht vor einer Schicksalswahl. Darin sind sich der rechtspopulistische Kandidat Norbert Hofer und Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen einig. Das ist aber auch der einzige Konsens zwischen den beiden diametral unterschiedlichen Politikern, die aus ihrer tiefen Antipathie längst keinen Hehl mehr machen. Beim letzten Fernsehduell der beiden Kandidaten für die Hofburg, dem Sitz des österreichischen Bundespräsidenten, prallten die Gegensätze mit voller Wucht aufeinander.

Hofer und Van der Bellen warfen sich bei dem Schlagabtausch vor den Kameras des öffentlich-rechtlichen ORF gegenseitig Lügen vor. Van der Bellen verwahrte sich dagegen zu behaupten, sein Vater sei ein Nazi gewesen. „Mein Vater kann sich nicht wehren. Er ist seit 50 Jahren tot “, sagte der Ökonom. Hofer entgegnete wiederum, Van der Bellen begehe mit seiner Kritik ein „schweres Foul“, auch sein Vater sei als Nazi beschimpft worden, dabei sei er Christdemokrat gewesen.

Hofer bezeichnete Van der Bellen als früheren „Kommunisten“. Der frühere Grünen-Chef tat diese Behauptung wiederum als „Lüge“ ab. Die KPÖ hatte, ebenso wie sozialdemokratische und konservative Politiker einschließlich Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), dazu aufgerufen, Van der Bellen zu wählen. Die ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher hatte sichtlich Mühe, die beiden Kandidaten aus der emotionalen Zone der Debatte zu manövrieren. Einen eindeutigen Sieger gab es beim letzten Duell der beiden Kandidaten vor der Wahl am Sonntag allerdings nicht.

Inhaltlich gab es zwischen den beiden Anwärtern für das höchste Amt in der Alpenrepublik keine neuen Positionen. Hofer versuchte besonders staatsmännisch aufzutreten. „Macht Euch keine Sorge“, rief er den Reportern beim Eintreffen im Wiener ORF-Zentrum zu. Doch die Sorgen sind nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa gewaltig. Denn sollte der 45-jährige Hofer bei der Bundespräsidentenwahl am nächsten Sonntag siegen, würde erstmals ein europakritischer Rechtspopulist das höchste Amt in einem westeuropäischen Land bekleiden.

Die Unsicherheit über den weiteren Weg, den Österreich einschlagen wird, ist überall im Land mit den Händen zu greifen. „Es läuft alles auf Hofer zu “, sagt ein konservativer Europapolitiker aus Tirol. Mit seiner Meinung ist er nicht allein, auch im Lager der sozialdemokratischen Regierungspartei SPÖ sind die Zweifel groß, ob es dem 72-jährigen Wirtschaftsprofessor Van der Bellen gelingen wird, nochmals die Mehrheit der Stimmen zu holen.


Der Wahlkampf hat das Land tief gespalten

Bei der Stichwahl im Mai siegte Van der Bellen mit knapp 31.000 Stimmen über Hofer. Doch das Ergebnis wurde wegen Schlampereien bei der Briefwahl von den österreichischen Verfassungsrichtern für ungültig erklärt. Der danach anberaumte Wahltermin Anfang Oktober musste wegen Pannen bei den Briefwahlunterlagen kurzerhand abgeblasen werden.

Die Wahl am kommenden Sonntag ist nunmehr der dritte Anlauf für 6,4 Millionen wahlberechtigte Österreicher, um ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen. Zuletzt war die Wahlbeteiligung mit 72,7 Prozent hoch. Insider in Wien gehen davon aus, dass am Sonntag die Wahlmüdigkeit zu einer niedrigeren Beteiligung der Bürger führen wird.

„Hofer sieht eben nicht aus wie ein Skinhead, sondern wie ein freundlicher Nachbar von nebenan“, sagt ein einflussreicher Unterstützer des Rechtspopulisten in Wien. Tatsächlich hat es der im Südburgenland lebende Flugzeugtechniker geschafft, sich als „Mann des Volkes“ zu inszenieren.

Vielen in Österreich gilt er als die Inkarnation des Stammtisches ohne allerdings aggressiv zu poltern. Der Chefideologe der ehemaligen Haider-Partei erreicht mit seiner Strategie viele frustrierte Bürger zwischen Bregenz und Eisenstadt. Angesichts der lahmen Wirtschaft, stagnierender Reallöhne und steigender Arbeitslosigkeit sitzt die Enttäuschung über die seit Jahrzehnten regierenden Volksparteien SPÖ und ÖVP tief.

„Einen so langen Wahlkampf hat es in Österreich noch nie gegeben“, sagte Hofer im ORF-Duell. Die seit einem Jahr dauernde Schlammschlacht hat Österreich mittlerweile tief gespalten. Hofer, bislang Chefideologe der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), inszenierte sich gerne in der Opferrolle. Mit den österreichischen Medien rechnete der Dritte Präsident des Nationalrats immer wieder ab. Im ORF-Duell griff der Sportschütze und Burschenschafter das liberale Magazin „Profil“ an. Hofer setzt in seinem Wahlkampf vor allem auf die sozialen Medien, um seine Anhänger zu mobilisieren.

Der Protestant, der mit seiner Familie im burgenländischen Pinkafeld lebt, gilt vielen als „Wolf im Schafspelz“. Während seines Wahlkampfes traf er die prorussischen Staatspräsidenten von Serbien und Tschechien, Tomislav Nikolić und Miloš Zeman. Hofer plädiert für eine engere Partnerschaft mit dem Kreml. Im Gegensatz zu Marine Le Pen, Chefin der rechtsradikalen Front National in Frankreich, fährt Hofer in der EU-Politik einen Zickzack-Kurs, bei dem nationale Interessen Vorrang haben.

Der Ausgang der Wahl wird nach Meinung einer ganzen Reihe von Politikern zu Neuwahlen in Österreich führen. Offiziell gibt es dafür aber keine Bestätigung. Der seit Ende Mai regierende Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ging vor wenigen Tagen auf Kuschelkurs zur rechtspopulistischen FPÖ. Ein vom ORF übertragenes Gespräch mit dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnete er als „amikal“.

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