
Die von Gewalt überschatteten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nigeria sind in einigen Gebieten des Landes wegen technischer Pannen am Sonntag fortgesetzt worden. Gewählt werden musste wegen der Probleme am Samstag noch in 300 der 150.000 Wahllokale, teilte die Wahlkommission mit. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Goodluck Jonathan und dem früheren Militärdiktator Muhammadu Buhari ab. Erste Ergebnisse werden am Montag erwartet. Falls es keinen eindeutigen Sieger gibt, soll es in zwei Wochen eine Stichwahl geben.
Viele christliche Nigerianer gingen zu Palmsonntag-Gottesdiensten, um für Frieden auch nach Verkündung der Ergebnisse zu beten. 2011 waren bei Aufständen nach der Wahl rund 1000 Menschen getötet worden, nachdem der Muslim Buhari gegen den Christen Jonathan verloren hatte. Tausende Nigerianer und Arbeiter aus dem Ausland haben das Land bereits aus Furcht vor Ausschreitungen nach der Wahl verlassen. Insgesamt leben 170 Millionen Menschen in Nigeria. Die Zahl der Christen im Süden und der Muslime im Norden hält sich etwa die Waage.
Im Nordosten des Landes hatte die Terrorgruppe Boko Haram am Samstag 41 Menschen getötet, darunter einen Abgeordneten. Zudem hielten Boko-Haram-Anhänger Hunderte Menschen mit Störaktionen vom Wählen ab. Bei weiteren Gewaltattacken wurden am Samstag in dem im Süden gelegenen Staat Rivers drei Menschen erschossen, darunter ein Soldat. Vielerorts trotzen Millionen Nigerianer jedoch der Gewalt, Pannen und Hitze und strömten in Scharen an die Urnen.
Wissenswertes über Nigeria
In Nigeria leben 173,9 Millionen Menschen. Die Bevölkerungszahl legt jährlich um 2,5 Prozent zu. Eine nigerianische Frau gebärt im Durchschnitt sechs Kinder.
316 Milliarden US-Dollar betrug das nominale BIP im Jahr 2014. Auf 338,7 Milliarden soll es 2015 ansteigen. Zum Vergleich: Das deutsche BIP betrug 2013 3,51 Billionen US-Dollar. Gut 40 Prozent des BIP erwirtschaftet Nigeria über Bergbau und Industrie; ein Drittel über Land-, Forst- und Fischwirtschaft.
Die nigerianische Wirtschaft legte in den vergangenen zehn Jahren (2004 bis 2013) durchschnittlich um sieben Prozent zu. Während die meisten Volkswirtschaften dieser Welt unter der Finanzkrise litten, wuchs die nigerianische Wirtschaft um sieben Prozent, im Folgejahr sogar um acht.
Die Staatsverschuldung beträgt 2014 20 Prozent des BIP.
2014 lag die Inflationsrate bei 7,3 Prozent. Bis 2015 soll sie auf 7,0 Prozent zurückgehen.
Die Arbeitslosenquote betrug 2009 19,7 Prozent. Bis 2011 stieg sie auf 23,9 Prozent an.
Die Verlängerung der Wahl war notwendig geworden, weil einige Geräte die Identitäten der Wähler nicht bestätigen konnten. Abgestimmt werden musste am Sonntag unter anderem in der Millionenstadt Lagos.
Fast 60 Millionen Bewohner waren für die Wahl registriert. Erstmals in der Geschichte Nigerias zeichnet sich ein enges Präsidentschaftsrennen ab: Dem 57-jährigen Amtsinhaber Jonathan ist im früheren Militärdiktator Buhari ein ernsthafter Rivale erwachsen, der eine Koalition der wichtigsten Oppositionsgruppen hinter sich weiß. Der mittlerweile 72-Jährige war von 1983 bis 1985 Präsident und tritt zum vierten Mal bei einer demokratischen Wahl an. Insgesamt standen 14 Kandidaten zur Wahl.
Noch vor vier Jahren hatte Buhari bei der letzten Wahl haushoch gegen Jonathan verloren. Die Demokratische Volkspartei des Amtsinhabers regiert seit dem Ende der jahrzehntelangen Militärdiktatur 1999. Gewählt werden zudem 360 Gesetzgeber für das Parlament, in dem die Opposition derzeit einen kleinen Vorsprung vor Jonathans Partei hat.
Der vor allem im Norden verbreitete Unzufriedenheit mit der Regierung von Jonathan liegt am Unvermögen, dem extremistischem Aufstand von Boko Haram Herr zu werden. Allein im vergangenen Jahr kamen rund 10 000 Menschen um. 1,5 Millionen Menschen sind dort vor dem Terror bereits geflohen.
In einigen Gebieten kam es zu Stromausfällen und technischen Pannen. Ein Sprecher der Wahlkommission meldete den Ausfall neu eingeführter Maschinen, die biometrische Karten der Wähler lesen sollen. Auch den Präsidenten traf die Panne. Drei Kartenleser konnten die Fingerabdrücke von Jonathan und dessen Frau nicht erkennen. Später rief er die Bevölkerung zur Geduld auf. Die Nigerianer sollten die Unannehmlichkeiten so lange wie nötig auf sich nehmen, wenn dadurch gewährleistet werden könne, dass das Land freie und faire Wahlen abhalten könne, die von der ganzen Welt anerkannt würden, sagte er dem Sender Channels TV.