Präsidentschaftswahl 2020 „Auch Joe Biden steht für harte Geopolitik“

Joe Biden, designierter Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten. Quelle: dpa

Der Amerikaexperte Josef Braml über die Wirtschaftsagenda des demokratischen Präsidentschaftskandidaten, Donald Trumps Gespür für Wählerängste und trügerische Hoffnungen auf baldige Entspannung.

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Josef Braml leitet das Amerika-Programm bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und ist Autor des soeben neu aufgelegten Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog.

WirtschaftsWoche: Herr Braml, die US-Administration unter Donald Trump agiert auf der Weltbühne unverhohlen neo-protektionistisch und neo-national. Würde sich dies unter einem demokratischen Präsidenten Joe Biden ändern?
Josef Braml: In normalen Zeiten wäre Joe Biden ein klassischer, zentristischer Demokrat, der eine sozialliberale, wirtschaftsnahe und freihändlerische Agenda vertreten würde. Doch die Zeiten sind eben nicht normal.

Es würde also unter einem Präsidenten Biden nicht vieles besser - und schon gar nicht schnell?
Die Hoffnungen sollte man begraben. Sie verkennen die wirtschaftliche Lage des Landes und die politischen Mechanismen. Der US-Kongress spricht ein mächtiges Wort mit – und Repräsentantenhaus und Senat ticken ebenfalls protektionistisch. Amerikanische Politiker, Senatoren und Abgeordnete, sind zuallererst politische Unternehmer, auf eigenem Ticket unterwegs. Das darf man nicht vergessen. Ihre Wähler wollen Schutz, also versprechen sie Schutz.

Donald Trump hat das verstanden?
Ja, das hat er. Sein Wahlsieg ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der Protektionismus, der aus „America First“ spricht, gerade auch bei demokratischen, gewerkschaftsnahen Wählern sehr populär war und bis heute ist. Biden kann also nur um den Preis gewinnen, selbst protektionistisch zu werden. Und das ist noch nicht alles.

Sondern?
In Europa wird gerne vergessen, dass auch die Obama-Regierung längst einen Schwenk gen Asien vollzogen hatte. Das transatlantische Verhältnis steht nicht mehr über allem anderen, das transpazifische Verhältnis wird viel wichtiger, die Konkurrenz zu China insbesondere. Das ist knallharte Geopolitik. Und auch dafür steht Biden als ehemaliger Vizepräsident.

Den Westen – gibt es den noch?
Die Vorstellung einer transatlantischen Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft gründete immer auf dem Versprechen eines Hegemons, der über allem wacht. Doch die USA sind diese gutmütige Macht nicht mehr, das Land steht unter Druck, es gibt gewaltige Verteilungsprobleme – und diese Spannungen entladen sich nach außen. Trump stellt diese Fragen nach Gegenleistung nur unverhohlener als früher. Die eigenen Interessen werden enger definiert und durchgesetzt. Die unsichtbare Hand des Marktes funktioniert in den Augen der Amerikaner eben am besten mit einer Faust in der Tasche.

Zuletzt gab es in Deutschland große Aufregung, weil die USA mit neuen Drohungen die Gaspipeline Nord Stream 2 attackierten. Wird sich – um in Ihrem Bild zu bleiben – die Faust hier lockern?
Auch hier sehe ich das nicht. Die USA haben eigene starke Interessen beim Export von Flüssiggas – und mehrere Staaten, in denen diese Industrie stark sind, sind battle ground states: also Bundesstaaten, auf die es bei der Präsidentschaftswahl besonders ankommen wird. Hier von amerikanischer Seite aus nachzugeben, würde von den eigenen Wählern nicht goutiert.

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Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden inszeniert sich als Anti-Trump. Doch was die US-Handelspolitik anbelangt, wird sich die Situation eher noch zuspitzen. Von der Fiskalpolitik ganz zu schweigen.

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