Präsidentschaftswahl Die Börse zeigt sich trotz Zitterpartie in den USA optimistisch – daran liegt's

Gleich nach Eröffnung der Wall Street gewann der US-Leitindex Dow Jones am Tag nach der Wahl 1,3 Prozent. Quelle: AP

Das knappe Rennen bei der US-Präsidentschaftswahl hält die Anleger in Atem. Der Dax startet am zweiten Tag nach der Wahl positiv in den Handelsstart. Auch die Wall Street lag im Plus. Ein Überblick.

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Angesichts des ungewissen Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl ist der Dax am Mittwoch zeitweise deutlich abgetaucht. Allerdings nur zeitweise. Trotz eines unklaren Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl legte er letztlich zwei Prozent zu. Die Hoffnung auf einen Sieg des Demokraten Joe Biden lässt bei Anlegern Kauflaune aufkommen. Am Donnerstag, also Tag 2 nach der US-Wahl, ging der Dax mit einem Plus fester in den Handel. Der deutsche Leitindex rückte am Vormittag um 1,09 Prozent auf 12.458,49 Punkte vor. Der MDax der 60 mittelgroßen Werte gewann 1,15 Prozent auf 27.553,83 Zähler. Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone verbuchte ebenfalls ein Plus von mehr als einem Prozent.

Die Nachlese dieses Urnengangs wird Börsianer allerdings noch eine ganze Weile beschäftigen, zumal Amtsinhaber Donald Trump bereits gedroht hat, das Oberste Gericht einzuschalten. Vorübergehend richten Investoren ihre Aufmerksamkeit aber auf die Beratungen der Fed. Da der erwartete klare Wahlsieg von Trumps Herausforderer Joe Biden und dessen Demokraten ausgeblieben sei, schwinde die Chance auf ein umfangreiches steuerfinanziertes US-Konjunkturpaket, sagte Jim Leaviss, Chef-Anleger für Anleihen beim Vermögensverwalter M&G. „Das heißt, dass alles von der Fed abhängen wird.“

Am Vortag hatte die Hoffnung auf einen klaren US-Wahlausgang die Erholung von den Verlusten der Vorwoche aufgrund der sich zuspitzenden Coronakrise noch angetrieben. Statt der erhofften raschen Klarheit, wer der künftige Präsident der Vereinigten Staaten sein wird, herrscht nun jedoch weiter Ungewissheit. Auch einen Tag nach Schließung der Wahllokale ist noch unklar, wer künftig im Weißen Haus regieren wird – und ob es bald eine Antwort geben wird, ist nicht gesichert. Im schlimmsten Fall droht der größten Volkswirtschaft der Welt eine wochenlange Hängepartie voller Gerichtsverfahren, Neuauszählungen und Zweifel.

Angesichts dieser Perspektive überrascht die Entwicklung an den Aktienmärkten, vor allem in den USA und Asien: Die Kurse stürzten nicht etwa ab – sie stiegen sogar.

In Tokio legte am Donnerstagmorgen der 225 Werte umfassende Nikkei-Index im Verlauf 1,3 Prozent auf 24.000 Punkte zu. Der breiter gefasste Topix-Index stieg um ein Prozent auf 1643 Zähler. Die chinesische Börse in Shanghai lag 0,9 Prozent im Plus. Der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzen gewann 1,2 Prozent. Der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans stieg um 0,9 Prozent.

Die Anleger setzten darauf, dass sich in der US-Finanzpolitik wenig ändern dürfte, selbst wenn der demokratische Herausforderer gewinnen sollte, weil die die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kammern des US-Kongresses wohl unverändert bleiben werden. Damit dürften Steuererhöhungen und verschärfte Regulierungen ebenso vom Tisch sein wie eine massive Ausweitung der Staatsausgaben für neue Corona-Hilfen, meinten Börsianer. Diese Spekulationen schoben die Kurse in Fernost an und hatten schon am Vortag an der Wall Street für kräftige Gewinne gesorgt:

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Gleich nach Eröffnung der Wall Street gewann der US-Leitindex Dow Jones am Tag nach der Wahl 1,3 Prozent. Auch der technologielastige Nasdaq und der breit gefasste S&P 500 legten zu. Letztlich gewann der Dow Jones 1,3 Prozent auf 27.847,66 Punkte. Nasdaq rückte 3,9 Prozent auf 11.590,78 Punkte vor und S&P 500 legte um 2,2 Prozent auf 3.443,44 Punkte zu. Eigentlich war erwartet worden, dass ein Sieg Bidens die Technologiewerte und die Öl- und Gasindustrie belasten würde. Wie passt all das zusammen?

Sehr gut, erklärt Mickey Levy, Chefökonom in der US-Filiale der Berenberg Bank. „Die Kurse steigen aufgrund der Erwartung, dass die Republikaner den Senat halten“, sagt er. Dies würde die Pläne eines potenziellen Präsidenten Joe Biden ausbremsen, die Steuern zu erhöhen und auch weiteren Überlegungen des linken Flügels der Demokraten den Garaus machen.

Hoffen auf republikanischen Senat

Tatsächlich sieht es so aus, als könnten die Republikaner entgegen aller Erwartungen die obere Kongresskammer halten. Endgültig ist dies noch nicht entschieden, doch die Demokraten mussten bereits in mehreren strategisch wichtigen Wettbewerben Niederlagen eingestehen. Vollständig ausgeschlossen ist ein knapper Triumph der Partei in Senat nicht, derzeit wirkt er jedoch unwahrscheinlich.

Mit Blick auf das Weiße Haus sieht das anders aus. Der Ausgang ist noch nicht klar, doch Biden scheint aktuell in einer besseren Ausgangslage zu sein, die nötigen Wahlmännerstimmen noch zu erreichen. Da seine Partei das Repräsentantenhaus halten wird, wäre ein republikanischer Senat eine Versicherung für die Wall Street, dass die USA in den kommenden Jahren nicht zu weit nach links rücken.

Auch eine robuste Regulierung der Tech-Riesen, der wichtigsten Zugpferde der amerikanischen Indizes, würde in weiter Ferne rücken. Das Gefühl, dass Tech ein sicherer Anlagehafen sei, kehre gerade zurück, so Matt Maley, Chief Market Strategist von Miller Tabak + Co zu der Nachrichtenagentur Bloomberg.

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Klarheit könnte die Kurse dennoch weiter beflügeln. „Selbst ein knapper Biden-Sieg oder eine Wiederwahl von Präsident Trump wurde sie weiter nach oben drücken“, so Analyst Dennis DeBusschere von Evercore ISI in einem Kundenschreiben.

Allzu groß ist der Appetit der Wall Street auf Unsicherheit derweil nicht. Dass Präsident Trump sich vorzeitig zum Sieger erklärt hatte, sei besorgniserregend, so Keith Buchanan von Globalt Investment zu Bloomberg. „Aus der Sicht eines Marktteilnehmers war das der beängstigendste und verunsichertste Moment des Abends.“

Weniger Regulierung beflügelt Kurse

Dass sich die Käufer trotz der Unsicherheit über den Wahlausgang nicht entmutigen lassen, ist für Anleger zunächst ein gutes Zeichen. Die Nasdaq bekam zusätzlichen Schub, weil Kalifornien ein Gesetz kippte, gegen dass die Fahrdienstvermittler Uber und Lyft Stimmung gemacht hatten. Das Gesetz hätte deren Fahrer zu Uber- bzw. Lyft-Mitarbeitern gemacht. Dank einer Volksabstimmung ist das Gesetz nun vom Tisch. Die Uber-Aktie stieg in der ersten Handelsstunde in New York um zwölf Prozent.

Besser als im Dax sah es am Mittwoch für den MDax, den Index der mittelgroßen Werte aus, der zwar am Morgen auch kurzzeitig im Minus lag, bis zum Nachmittag aber bis auf 27.105 Punkte vorrückte, was einem Plus von 2,0 Prozent gegenüber dem Vortagesschluss entspricht. Der EuroStoxx 50 als Leitbarometer der Eurozone vollzog einen Achterbahnfahrt: Er startete ebenfalls im Minus, eroberte am Vormittag die Gewinnzone, fiel wieder zurück und notiert am späten Nachmittag Nachmittag mit 1,5 Prozent deutlich im Plus.

In Deutschland geht die Berichtssaison weiter mit den Zahlen der Dax-Konzerne Vonovia und BMW. Beim Immobilienkonzern Vonovia lobten Börsianer sowohl die Quartalszahlen als auch den 2021er-Ausblick. Die Papiere gewannen mehr als 3,6 Prozent. Die BMW-Zahlen kamen bei Analysten ebenfalls gut an, doch die Aktien des Autobauers verloren zunächst fast zweieinhalb Prozent. Anleger im Autosektor gingen angesichts des ungewissen US-Wahlausgangs kein Risiko ein. Am Nachmittag erreichte aber auch die BMW-Aktie zeitweise ein Plus von 0,5 Prozent.

Im MDax rückten die Titel des als Krisengewinner geltenden Online-Modehändlers Zalando nach Zahlen im Tagesverlauf um 3,5 Prozent vor. Deutlich bergab um 1,6 Prozent ging es für die Anteile des Flughafenbetreibers Fraport, einem der Krisenverlierer am Aktienmarkt. Fraport habe auf den ersten Blick sehr schwache Quartalszahlen vorgelegt, sagte ein Händler.




Defensive Werte und die Profiteure der Corona-Pandemie zeigten Stärke. Im Dax gewannen die Papiere des Dialyseanbieters Fresenius Medical Care (FMC) mehr als 6,5 Prozent und jene des Essenslieferdienstes Delivery Hero um 4,3 Prozent.

Droht eine Hängepartie?

In einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche warnte der US-Ökonom Nouriel Roubini bereits vor der Wahl vor den Folgen einer Hängepartie, welche nun droht: „Dieses Maß an politischer Instabilität könnte erhöhte Risikoscheu an den Finanzmärkten auslösen – und das zu einer Zeit, wo die Volkswirtschaft ohnehin lahmt. Falls sich der Disput über das Wahlergebnis womöglich bis Anfang kommenden Jahres hinzieht, könnten die Aktienkurse um bis zu zehn Prozent fallen.“ Und auch andere Assetklassen würden in Mitleidenschaft gezogen: „Die (schon jetzt sehr niedrigen) Renditen auf Staatsanleihen würden sinken, die globale Flucht in sichere Häfen dürfte den Goldpreis in die Höhe treiben. Normalerweise würde der Dollar bei einem derartigen Szenario anziehen. Doch weil diese Situation durch das politische Chaos in den USA selbst ausgelöst wäre, könnte es sogar zu einer Kapitalflucht aus dem Dollar kommen.“

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