Präsidentschaftswahl Die Börse zeigt sich trotz Zitterpartie in den USA optimistisch – daran liegt's

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Hoffen auf republikanischen Senat

Tatsächlich sieht es so aus, als könnten die Republikaner entgegen aller Erwartungen die obere Kongresskammer halten. Endgültig ist dies noch nicht entschieden, doch die Demokraten mussten bereits in mehreren strategisch wichtigen Wettbewerben Niederlagen eingestehen. Vollständig ausgeschlossen ist ein knapper Triumph der Partei in Senat nicht, derzeit wirkt er jedoch unwahrscheinlich.

Mit Blick auf das Weiße Haus sieht das anders aus. Der Ausgang ist noch nicht klar, doch Biden scheint aktuell in einer besseren Ausgangslage zu sein, die nötigen Wahlmännerstimmen noch zu erreichen. Da seine Partei das Repräsentantenhaus halten wird, wäre ein republikanischer Senat eine Versicherung für die Wall Street, dass die USA in den kommenden Jahren nicht zu weit nach links rücken.

Auch eine robuste Regulierung der Tech-Riesen, der wichtigsten Zugpferde der amerikanischen Indizes, würde in weiter Ferne rücken. Das Gefühl, dass Tech ein sicherer Anlagehafen sei, kehre gerade zurück, so Matt Maley, Chief Market Strategist von Miller Tabak + Co zu der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Im Rennen um das Weiße Haus liegt Joe Biden in Führung. Donald Trumps Vorsprung in wichtigen Bundesstaaten sinkt. Im Bundesstaat Nevada dauert die Auswertung noch bis zum 12. November. Die Lage im Überblick.
von Katja Joho, Stephan Happel

Klarheit könnte die Kurse dennoch weiter beflügeln. „Selbst ein knapper Biden-Sieg oder eine Wiederwahl von Präsident Trump wurde sie weiter nach oben drücken“, so Analyst Dennis DeBusschere von Evercore ISI in einem Kundenschreiben.

Allzu groß ist der Appetit der Wall Street auf Unsicherheit derweil nicht. Dass Präsident Trump sich vorzeitig zum Sieger erklärt hatte, sei besorgniserregend, so Keith Buchanan von Globalt Investment zu Bloomberg. „Aus der Sicht eines Marktteilnehmers war das der beängstigendste und verunsichertste Moment des Abends.“

Weniger Regulierung beflügelt Kurse

Dass sich die Käufer trotz der Unsicherheit über den Wahlausgang nicht entmutigen lassen, ist für Anleger zunächst ein gutes Zeichen. Die Nasdaq bekam zusätzlichen Schub, weil Kalifornien ein Gesetz kippte, gegen dass die Fahrdienstvermittler Uber und Lyft Stimmung gemacht hatten. Das Gesetz hätte deren Fahrer zu Uber- bzw. Lyft-Mitarbeitern gemacht. Dank einer Volksabstimmung ist das Gesetz nun vom Tisch. Die Uber-Aktie stieg in der ersten Handelsstunde in New York um zwölf Prozent.

Besser als im Dax sah es am Mittwoch für den MDax, den Index der mittelgroßen Werte aus, der zwar am Morgen auch kurzzeitig im Minus lag, bis zum Nachmittag aber bis auf 27.105 Punkte vorrückte, was einem Plus von 2,0 Prozent gegenüber dem Vortagesschluss entspricht. Der EuroStoxx 50 als Leitbarometer der Eurozone vollzog einen Achterbahnfahrt: Er startete ebenfalls im Minus, eroberte am Vormittag die Gewinnzone, fiel wieder zurück und notiert am späten Nachmittag Nachmittag mit 1,5 Prozent deutlich im Plus.

In Deutschland geht die Berichtssaison weiter mit den Zahlen der Dax-Konzerne Vonovia und BMW. Beim Immobilienkonzern Vonovia lobten Börsianer sowohl die Quartalszahlen als auch den 2021er-Ausblick. Die Papiere gewannen mehr als 3,6 Prozent. Die BMW-Zahlen kamen bei Analysten ebenfalls gut an, doch die Aktien des Autobauers verloren zunächst fast zweieinhalb Prozent. Anleger im Autosektor gingen angesichts des ungewissen US-Wahlausgangs kein Risiko ein. Am Nachmittag erreichte aber auch die BMW-Aktie zeitweise ein Plus von 0,5 Prozent.

Im MDax rückten die Titel des als Krisengewinner geltenden Online-Modehändlers Zalando nach Zahlen im Tagesverlauf um 3,5 Prozent vor. Deutlich bergab um 1,6 Prozent ging es für die Anteile des Flughafenbetreibers Fraport, einem der Krisenverlierer am Aktienmarkt. Fraport habe auf den ersten Blick sehr schwache Quartalszahlen vorgelegt, sagte ein Händler.




Defensive Werte und die Profiteure der Corona-Pandemie zeigten Stärke. Im Dax gewannen die Papiere des Dialyseanbieters Fresenius Medical Care (FMC) mehr als 6,5 Prozent und jene des Essenslieferdienstes Delivery Hero um 4,3 Prozent.

Droht eine Hängepartie?

In einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche warnte der US-Ökonom Nouriel Roubini bereits vor der Wahl vor den Folgen einer Hängepartie, welche nun droht: „Dieses Maß an politischer Instabilität könnte erhöhte Risikoscheu an den Finanzmärkten auslösen – und das zu einer Zeit, wo die Volkswirtschaft ohnehin lahmt. Falls sich der Disput über das Wahlergebnis womöglich bis Anfang kommenden Jahres hinzieht, könnten die Aktienkurse um bis zu zehn Prozent fallen.“ Und auch andere Assetklassen würden in Mitleidenschaft gezogen: „Die (schon jetzt sehr niedrigen) Renditen auf Staatsanleihen würden sinken, die globale Flucht in sichere Häfen dürfte den Goldpreis in die Höhe treiben. Normalerweise würde der Dollar bei einem derartigen Szenario anziehen. Doch weil diese Situation durch das politische Chaos in den USA selbst ausgelöst wäre, könnte es sogar zu einer Kapitalflucht aus dem Dollar kommen.“

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