Präsidentschaftswahl in Frankreich Macron profitiert von Linksruck der Sozialisten

Benoît Hamon beansprucht den Sieg bei der Vorwahl der Sozialistischen Partei für sich. Freuen kann sich darüber auch der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron. Hamons Erfolg verbessert auch seine Chancen.

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Mit dem Sieg des weit links stehenden Benoît Hamon bei der Vorwahl der Sozialistischen Partei (PS) ändern sich die Ausgangsbedingungen für die französische Präsidentschaftswahl. Quelle: AFP

Paris Mit dem Sieg des weit links stehenden Benoît Hamon bei der Vorwahl der Sozialistischen Partei (PS) ändern sich die Ausgangsbedingungen für die französische Präsidentschaftswahl. Mit Hamon als Kandidat der Sozialisten ist die reformerische Linke, die derzeit noch regiert, von der PS nicht mehr vertreten. „Die wirkliche Linke erhebt das Haupt und wendet sich der Zukunft zu“, sagte Hamon am Sonntagabend vor mehreren Hundert Anhängern. Er kündigte an, mit allen Kandidaten der Linken sprechen zu wollen, um eine gemeinsame Kandidatur zu erreichen.

Hamon und seine Anhänger sehen die vergangenen fünf Jahre als „eine Folge von Enttäuschungen und Verrat an den Wahlkampfversprechen von François Hollande“, wie Hamon während der vergangenen Wochen immer wieder behauptet hat. Die von ihm gescholtenen Sozialdemokraten werden die Konsequenzen ziehen und Hamon nicht bei der Wahl unterstützen. Das verbessert die Chancen des sozialliberalen Kandidaten Emmanuel Macron.

In einer Umfrage, die am Montag von der Tageszeitung Le Figaro veröffentlicht wird, liegen Macron und der konservative Kandidat François Fillon praktisch gleichauf: Fillon kommt auf 22 Prozent, Macron auf 21 Prozent. Vorne liegt die rechtspopulistische Marine Le Pen mit 25 Prozent.

Die Umfrage berücksichtigt den Sieg von Hamon noch nicht voll: Der zeichnete sich zwar bereits in den vergangenen Tagen nach dem ersten Wahlgang ab, in dem Hamon am besten abschnitt und sechs Punkte vor Ex-Premier Manuel Valls lag. Doch noch war der Triumph des Linksaußen keine Realität, Valls hatte eine sehr kleine Chance, das Blatt zu wenden.

Das ist dem 52-Jährigen nicht gelungen. Im zweiten Wahlgang, an dem sich am Sonntag rund zwei Millionen Sympathisanten der Linken beteiligt haben, baute Hamon seinen Vorsprung stark aus. Er kommt nun auf 59 Prozent, während Valls nur 41 Prozent schafft. Die Niederlage ist vernichtend für Valls. Noch vor wenigen Wochen galt Hamon als Hinterbänkler der Sozialisten - ohne Zukunft, während Valls die Kandidatur der PS scheinbar schon in der Tasche hatte.

Der Ex-Premier bereitete aber seine Kampagne schlecht vor. Er rechnete auch nicht damit, dass viele unterschiedliche Strömungen der Sozialistischen Partei, die von seiner Politik oder von ihm als Person enttäuscht sind, sich gegen ihn wenden würden. Das Scheitern in der Vorwahl könnte Valls‘ politische Karriere beenden: Die Rumpf-PS wird künftig von Hamon geführt.

„Ich gratuliere Benoît, der jetzt unsere Familie vertreten wird“, sagte Valls nach dem Bekanntwerden der ersten Resultate. Hamon müsse nun „die Partei einen, dabei wünsche ich ihm viel Glück“, sagte er etwas doppeldeutig. Sein Sprecher kündigte an, Hamon würde zwar unterstützt werden, doch bleibe es bei tief greifenden Differenzen. Hamon vertritt ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Franzosen über 18 Jahren, welches Valls als einen gefährlichen Traum ablehnt.


Viele Franzosen haben schlechte Meinung über Fillon

Der deutsch-französische Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sagte im Radio Europe 1: „Hört auf, uns etwas vorzumachen, ihr könnt überhaupt nicht mehr zusammenarbeiten.“ Die Sozialisten würden jetzt als Partei zerfallen, prophezeite der frühere Europa-Abgeordnete, der sich Macron angenähert hat.

François Fillon versuchte mit einer großen Kundgebung in Paris, die am Sonntag zeitgleich mit dem zweiten Wahlgang der Sozialisten stattfand, seine lahmende Kampagne wieder in Schwung zu bringen. Die Enthüllung der Wochenzeitung Le Canard Enchainé, Fillon habe seine Frau Penelope jahrelang als fiktive Assistentin von der Nationalversammlung bezahlen lassen, hat dem Konservativen schwer zugesetzt. Seine Popularität sackte um 16 Prozentpunkte ab, mittlerweile haben sechs von zehn Franzosen eine schlechte Meinung über ihn. Am Sonntag legte die auf investigativen Journalismus spezialisierte Webseite Mediapart nach: Fillon habe in seiner Zeit als Senator Mittel, die für die Entlohnung von Mitarbeitern bestimmt waren, teilweise in die eigene Tasche gesteckt.

Fillon bemühte sich am Sonntag, aufkommende Zweifel in der eigenen Partei an den Erfolgschancen seiner Kandidatur zu zerstreuen. „Nichts wird uns erschüttern, diejenigen, die uns angreifen, werden sehen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind“, rief er Tausenden Anhängern zu. Auch fünf Tage nach den ersten Enthüllungen legte Fillon aber keine Belege dafür vor, dass seine Frau tatsächlich angestellt war. Sie selber hatte in der Vergangenheit stets gesagt, sie halte sich „fern von den politischen Aktivitäten meines Mannes“.

Die Zweifel an der Aufrichtigkeit Fillons machen die ohnehin spannende und offene Präsidentschaftswahl noch ein Stück unberechenbarer. Demoskopen wagen derzeit keine klare Voraussage, wer es von den Kandidaten in die Stichwahl am 7. Mai schaffen wird. Auf der äußersten Linken zeichnet sich nach dem Vorwahlsieg von Hamon ein harter Kampf zwischen ihm und dem mit den Kommunisten verbündeten Linksaußen Jean-Luc Mélenchon ab. Beide wollen die harte Linke alleine repräsentieren, doch keiner von beiden will zurückziehen. Mélenchon wurde bislang mit rund 15 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang gehandelt. Hamons Sieg hat das Blatt gewendet: Eine erste Umfrage sieht ihn bei 15 Prozent und Mélenchon nur noch bei zehn Prozent.

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