Pressestimmen: Luftangriff in Syrien „Die Verantwortung liegt jetzt bei Putin“

In der Nacht zu Samstag führten westliche Mächte Luftangriffen auf syrische Militärpunkte an. Das sagen internationale Medien zum Einsatz in Syrien.

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Rauch steigt über dem Forschungszentrum in Barsah bei Damskus auf. Bei Angriffen der USA, Großbritannien und Frankreich wurde es stark beschädigt. Quelle: dpa

Zürich/London Wegen des mutmaßlichen Einsatzes von Chemiewaffen durch das Regime von Machthaber Baschar al-Assad haben westliche Mächte in der Nacht zu Samstag mit einen Militärschlag auf syrische Militärstützpunkte begonnen. Während die Nato sich hinter den Einsatz stellt und Russland ihn scharf verurteilt, mehren sich am Wochenende auch in den internationalen Medien die kritischen Stimmen.

Die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ teilt die Verantwortung für eine Deeskalation nun Russland zu: „Natürlich kann man den USA und ihren Verbündeten den Bruch von Völkerrecht vorwerfen, doch der Uno-Sicherheitsrat, der für völkerrechtskonforme Militärschläge zuständig wäre, hat sich wegen des russischen Vetos zu oft als handlungsunfähig erwiesen. Die Verantwortung dafür, dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät, liegt jetzt bei Russlands Präsident Wladimir Putin, der entgegen allen Versprechen zugelassen hat, dass Syrien seine Chemiewaffen nicht vernichtete.

Er sollte endlich dafür sorgen, dass Syriens Regierung künftig auf den Einsatz solcher Waffen verzichtet. Und will er wirklich, dass in Syrien irgendwann bessere Zeiten anbrechen, muss er Baschar al-Assad, der seine eigene Bevölkerung abschlachtet, fallenlassen. Das mag derzeit unwahrscheinlich tönen: Aber man kann es nicht oft genug wiederholen.“

Auch die britische „Sunday Times“ kommentiert die Luftangriffe westlicher Staaten auf Ziele in Syrien: „Die gemeinsamen Luftangriffe auf Syrien waren eine Reaktion auf die groteske Anwendung chemischer Waffen durch Präsident Baschar al-Assad gegen unschuldige Zivilisten in Duma in der Region Ost-Ghuta - nicht mehr und nicht weniger.

Wie Theresa May sagte: Die Tatsache dieses Angriffs sollte niemanden überraschen. Der syrische Diktator hat sich einmal mehr über das internationale Verbot solcher Waffen hinweggesetzt. Seine Herausforderung zu ignorieren hätte nicht nur bedeutet, dass man Assad erlaubt, weiterhin Massenvernichtungswaffen gegen sein eigenes Volk einzusetzen. Man hätte zudem eine Normalisierung der chemischen Kriegführung riskiert, die als Reaktion auf die Gräuel des Ersten Weltkriegs seit 1925 verboten ist.

(...) Assad nicht zu bestrafen hätte ihn zu einem noch schlimmeren Verhalten ermutigt. Wie US-Präsident Donald Trump es in seiner typisch bombastischen Art sagt: „Dies sind nicht die Taten eines Menschen. Es sind die Verbrechen eines Monsters.“ Aber er fügte umsichtig hinzu: „Amerika will unter keinen Umständen auf unbestimmte Zeit in Syrien präsent sein.“ Das sind weise Worte.“

„The Guardian“ zweifelt am Sonntag die Effektivität des Militärschlags an: „Über einen Zeitraum von 45 Minuten wurde Munition von vielleicht 50 Millionen US-Dollar abgeschossen. Wie effektiv dieser Schlag am frühen Samstagmorgen auf Assads Chemiewaffenlager war ist eine ebenso offene Frage, wie die Behauptungen des russischen Militärs, Syrien habe 71 der 100 gestartet Raketen abgewehrt. Das Pentagon hält dagegen; keine der abgeschossenen Raketen sei abgefangen worden.

Vielmehr sei es ein „präziser, überwältigender und effektiver“ Schlag gewesen. (...) Die Demonstration militärischer Feuerkraft erscheint jedoch inszeniert und von sehr begrenzter Reichweite, bleibt der Großteil syrischer Militärgüter doch unberührt.“

Das „Wall Street Journal“ spricht den Westmächten eine gewisses Feingefühl zu: „Indem sie Luftangriffe in Syrien flogen, haben die USA und ihre Verbündete versucht ein vorsichtiges Gleichgewicht zu erhalten: Einerseits müssen sie die rote Linie hochhalten, die im Verbot von Chemiewaffen besteht, ohne Moskaus rote Linie vor einem Umsturz von Präident Bashar al Assad zu übertreten. (...) Der fokussierte Schlag war ein Versuch, Mr. Assads Chemiewaffen-Infrastruktur zu lähmen, ohne einen neuen Grenzkonflikt zwischen Russland und dem Iran herauszufordern.“

Tagesschau.de kommentiert: „Noch vor zwei Wochen kündigte Trump an, alle 2000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen. Trump sucht den schnellen Erfolg von Militärschlägen, aber er hat keine Strategie, wie dieser fürchterliche Krieg beendet werden kann. Militärschläge allein sind nie eine Lösung. (...) Wenn sie (die Luftschläge) dennoch über den Abschreckungseffekt hinaus etwas Gutes bewirken sollten, dann vielleicht, dass jetzt hoffentlich allen beteiligten Ländern klar geworden ist, wie schnell dieser Krieg in einen Flächenbrand eskalieren kann. Es gibt keine Alternative zu diplomatischen Verhandlungen, um diesen Krieg zu beenden.“

Auch die „Zeit“ prangert mangelnde Strategie an, allerdings auf Seiten der Europäischen Union: „Militärische Machtprojektion ist nicht Sache der Union. Das kann sie nicht. Kriege sind Momente der eindeutigen Entscheidungen. (...) Die entscheidende Macht in Syrien ist Russland. Die Frage für die EU mit Blick auf Syrien ist deshalb: Wie umgehen mit Russland? Nach Damaskus kommt man über die Bande Moskau. Es geht also um das Verhältnis der EU zu Wladimir Putins Russland. Das ist entscheidend. Es geht um europäische Strategie gegenüber dem Kreml. Eine solche aber ist im Augenblick nicht zu erkennen.“

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