Prestigegewinn für Russland G8-Vorsitz fordert Putin heraus

Nach langen Jahren einer Nebenrolle im Konzert der führenden Industriemächte kann Russland ab 1. Januar endlich die lang ersehnte Hauptrolle spielen: Das Land übernimmt für ein Jahr den prestigeträchtigen Vorsitz in der Staatengruppe G8.

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HB MOSKAU. Für den im Westen nicht unumstrittenen Staatschef Wladimir Putin dürfte dies indes auch zur Gratwanderung werden. Denn die vom Westen immer wieder kritisierten Demokratiedefizite in seinem Land werden wohl während seiner Präsidentschaft noch stärker von der Staatengemeinschaft unter die Lupe genommen. Zudem droht durch den Gasstreit mit der Ukraine ausgerechnet zu Beginn der Präsidentschaft ein Schaden für Russlands Image als grundsolider Energielieferant.

"Die russische G8-Präsidentschaft wird daher nicht auf Rosen gebettet, sondern mit vielen Dornen versehen sein", warnte die Moskauer Tageszeitung "Moskowski Komsomolez". Dennoch will sich der Staatschef im Kreml den Triumph nicht nehmen lassen, mit dem Vorsitz endlich als vollwertiger Partner von den großen Industriestaaten anerkannt zu werden. Dabei verdankt Russland seine Mitgliedschaft im Club der großen Wirtschaftsmächte auch handfesten politischen Erwägungen: Das energiereiche Boomland soll fest in die internationalen Strukturen eingebunden werden, obwohl es von den volkswirtschaftlichen Daten nicht zu den zehn größten Wirtschaftsmächten der Welt gehört.

Glanzvoller Höhepunkt der Präsidentschaft soll im Juli der G-8-Gipfel in Sankt Petersburg werden, wo Putin als Gastgeber die Staats- und Regierungschefs aus den USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada in seiner Heimatstadt empfangen wird. Dabei hat Putin bereits die Agenda für seine Präsidentschaft auf Themen begrenzt, die kein großes Konfliktpotenzial unter den Acht bergen: Energiepolitik, Krankheits- und Seuchenbekämpfung sowie der Anti-Terror-Kampf.

Beobachter gehen davon aus, dass Putin Kritikern im Ausland mit einer entschärften Gesetzesvorlage über Einschränkungen für Nicht-Regierungsorganisationen (NGO's) bewusst den Wind aus den Segeln nehmen wollte: Das russische Parlament hatte jüngst den abgemilderten Gesetzesentwurf gebilligt. Putin hatte auf die heftige internationale Kritik an der ursprünglichen Vorlage reagiert und die meisten Restriktionen für ausländische NGOs wieder gestrichen.

Russische Gruppen sollen künftig aber einer strikten Kontrolle der Regierung unterworfen werden. Putin begründet dies mit dem Kampf gegen Terroristen und Spione, die unter dem Deckmantel legaler Organisationen tätig seien.

Für Putin könnte der Vorsitz zur Nagelprobe für Russlands Ambitionen im Kreis der Großen werden. "Es wird sehr wichtig für Putin werden, dass er nachweisen kann, dass Russland nicht nur ein Junior-Partner in diesem äußert einflussreichen Club ist, sondern ein Mitglied, das ihn für eine gewisse Zeit im Vorsitz auch steuern kann", sagte Nikolai Petrow vom Institut Carnegie Endowment for Internationale Peace.

Als weiteres Problem dürfte der Atomstreit des Westens mit dem Iran zur Bewährungsprobe für Putin werden: Während vor allem die USA auf eine Überweisung des Streits an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dringen, hat Russland dies bislang stets abgelehnt und setzt auf einen Kompromissvorschlag zur Lösung des Atomstreits: Die Regierung hat angeboten, Uran für den Iran in Russland anzureichern. Der Plan soll sicherstellen, dass der Iran Brennmaterial für Kernkraftwerke erhält und dennoch Uran nicht so hoch anreichert, dass damit eine Atombombe gebaut werden kann.

Auch Russlands Gasstreit mit der Ukraine dürfte im Kreis der G-8 mit großer Sorge betrachtet werden: Russland hat der Ukraine einen Kredit angeboten, um die vom staatlichen Gasmonopolisten Gazprom erhobene Preiserhöhung zu finanzieren. Aber die Ukraine lehnt die geplante Verfünffachung des Preises ab Januar empört ab. Gazprom hat daraufhin mit einem Lieferstopp gedroht.

Deutschland gehört neben anderen westeuropäischer Staaten zu den größten Kunden des Gazprom-Konzerns, der auch über die Ukraine Gas in den Westen leitet. So warnte bereits die Zeitung "Moskowski Komsomolez": "Falls Westeuropa nur zwei Tage in der Kälte zittern muss, wäre das eine Katastrophe für uns."

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