Professor Tacheles Trump hat in Nahost durchaus etwas erreicht

US-Präsident Donald Trump wollte den „ultimativen Deal“ zwischen Israelis und Palästinensern aushandeln. Das ist ihm bisher nicht gelungen. Doch erreicht hat er in Nahost sehr wohl etwas. Ein Gastbeitrag.

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Der Historiker Prof. Dr. Michael Wolffsohn schreibt für das Handelsblatt Gastbeiträge als Professor Tacheles.

Was hat US-Präsident Trump in und für Nahost erreicht? Mehr als die meisten Kommentatoren und sogenannten Experten meinen. Es stimmt: Trump hat in Nahost keinen fertigen „Plan“ vorgelegt. Doch was fast alle übersehen: Er hat dessen Grundlagen sehr wohl vorgelegt. Ob diese Grundideen zum Frieden führen, bleibt freilich abzuwarten. Schlechter als unter seinen Vorgängern kann es jedenfalls kaum werden.

Neue Koalitionen

Ohne Wenn und Aber und ganz offen zeigte die Reise eine noch vor Jahren vielen völlig undenkbare US-Nahost-„Koalition“: USA plus Israel plus Fatah-Palästina plus Ägypten plus Saudi Arabien plus arabische Golfstaaten.

Wer das für selbstverständlich hält, kennt den Nahen Osten nicht. Es erhöht die Chancen auf eine wie auch immer geartete Verständigung zwischen Israel und Palästina. Vernünftigerweise hat Trump hierzu keine Eckdaten geliefert. Die von der EU, auch Deutschland, favorisierte Zweistaatenlösung wird mit Sicherheit nicht eins zu eins umgesetzt.

Trotz der Nicht-Erwähnung der sogenannten Zweistaatenlösung oder gerade deshalb haben zahlreiche arabische und islamische Staaten sowie die Palästinenserführung nicht gegen den Trump-Ansatz protestiert. Ganz im Gegenteil. Das sollte in Europas Hauptstädten, Medien und Think Tanks zu denken geben.
Völlig offen ist einstweilen die Rolle, die Trump Jordanien im Rahmen einer Palästina-Lösung zugedacht hat. Diese ist wichtig, da drei Viertel der Jordanier Palästinenser sind. Ihr Königshaus wurde der jordanischen Bevölkerung quasi aufgesetzt. Über kurz oder lang werden die Palästinenser Jordaniens aus Jordanien ein zweites Palästina oder einen Teil Palästinas machen wollen. Das ist nur eine Frage der Zeit, zumal das Königreich nur scheinstabil ist. Agieren, nicht reagieren ist daher das Gebot der Stunde. Denkbar ist zum Beispiel ein Bundesstaat Palästina bestehend aus einen entmilitarisierten Westjordanland plus Jordanien plus Gazastreifen.

Die oben genannte „Koalition“ stärkt den sunnitischen Islam unter Führung Saudi Arabiens gegen den schiitischen Islam unter Führung des Iran.


Frieden in Nahost ist nicht in Sicht

Die Iran-Politik Obamas hat Trump vollends annulliert. Angesichts der iranischen Erfolge im Libanon, in Syrien, Irak, Jemen, Ost-Saudi-Arabien, Bahrein und Jemen ist das alles andere als unvernünftig. Zugleich ist die Frage der militärischen Nuklearisierung des Iran wieder auf der Tagesordnung.

Die Stärkung des sunnitischen, vor allem saudischen Islam ist allerdings ein zweischneidiges Schwert, denn Saudi-Arabien verfolgt gegenüber dem sunnitischen Terror eine Doppelstrategie aus Zuckerbrot und Peitsche. Ohne die Saudis gäbe es den Islamischen Staat nicht.
Auch das ist zu bedenken: Saudi-Arabiens innere Struktur steht auf schwachen Beinen. Ein Umsturz ist alles andere als ausgeschlossen. Werden dann, wie in Libyen nach dem Sturz Gaddafis, die riesigen Waffenarsenale in höchst gefährliche Hände gelangen?

Theologischer Ansatz, kein geografischer

Trumps Besuch an der Klagemauer und der Grabeskirche zeigen: Er (und seine Berater) denken nicht (wie EU und Deutschland) in geografischen und völkerrechtlich nur scheinbar klaren Kategorien (jüdisches West- und palästinensisches Ost-Jerusalem), sondern in theologischen bzw. religiösen Kategorien.
Das Ziel ist klar: Keine Regelung ohne freien Zugang aller zu allen Heiligen Stätten. Ich halte das für einen Fortschritt. Indirekt bekommt dadurch die Problematik der jüdischen „Siedlungen“ im Großraum Jerusalem eine realistische Dimension, denn knapp 300.000 Juden aus Ost-Jerusalem sind ohne Bürgerkrieg nicht wegzubekommen. Mehr will auch Trump aber nicht hinnehmen. Das ließ er die Israelis wissen, und das lässt hoffen.

Fazit: Frieden in Nahost ist nicht in Sicht, aber keineswegs noch ferner gerückt. Endlich kommt jedenfalls Bewegung in den bisherigen Stellungskrieg.

Vom Historiker und Publizisten Prof. Dr. Michael Wolffsohn ist soeben dieser Bestseller erschienen: „Deutschjüdische Glückskinder, Eine Weltgeschichte meiner Familie“.

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