„Prostitution light“ Mit dem „Sugar Daddy“ zum Uni-Abschluss

In den USA ist ein Studium teuer, Absolventen müssen teils sechsstellige Kredite abbezahlen. Manche Studentin setzt daher auf ein altes Arrangement: den „Sugar Daddy“. Der digitale Fortschritt hilft den Frauen.

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Im Gegensatz zu vielen ihrer Kommilitonen muss K. dank „Sugar Daddy“ nach ihrem Abschluss keinen Kredit für ihre Studiengebühren abbezahlen. Quelle: AP

New York Nach ihrem Jura-Abschluss ist Candice Kashani nicht nur eine ausgebildete Juristin, sondern auch schuldenfrei. Im Gegensatz zu anderen Studenten in den USA muss sie nun nicht jahre- oder sogar jahrzehntelang einen Kredit für ihre Studiengebühren abbezahlen, sondern kann sich mit ihrem künftigen Verdienst eine Zukunft aufbauen. Das verdankt sie allerdings nicht ihrem Stipendium, sondern einem etwas ungewöhnlichen Finanzierungsmodell: Kashani hat sich über das Internet einen „Sugar Daddy“ gesucht.

Gleich im ersten Jahr sah sich Kashani Kosten von fast 50.000 Dollar (rund 45.000 Euro) für Studiengebühren und Lebenshaltungskosten gegenüber – und das trotz ihres Stipendiums. Sie sah sich auf einer Dating-Webseite um, die junge Frauen mit Finanzproblemen an solvente Männer vermittelt.

Heute, drei Jahre und mehrere „Sugar Daddies“ später, steht sie kurz vor ihrem Abschluss an der Villanova University. Einige ihrer Kommilitonen müssen nun damit beginnen, teils sechsstellige Studienkredite abzuzahlen. Sie dagegen hat keinerlei Verbindlichkeiten. Kashani findet, dass Dating-Websites jungen Frauen eine gute Möglichkeit bieten, ihr Studium zu finanzieren. Andere sind da kritischer und befürchten Ausbeutung oder gar eine Nähe zur Prostitution.

Lynn Comella, die außerordentliche Professorin für Gender-Studien an der University of Nevada, erklärt, es sei nicht ungewöhnlich, dass Studentinnen als Stripperinnen oder Prostituierte arbeiteten, um ihre Studiengebühren zu bezahlen. Die „Sugar Daddy“-Webseiten seien noch relativ neu und gingen nicht ganz offen mit ihrem Angebot um.

Die Arrangements bewegen sich in einer Grauzone. Die Frauen erwarten materielle Vorteile, die sie aber nicht konkret benennen. Sex ist nicht Voraussetzung. Ron Weitzer, Soziologie-Professor an der George-Washington-Universität und Kriminologe, spricht daher von einer „Prostitution light“.

Solche „Sugar Daddy“-Beziehungen gibt es schon seit Jahrzehnten. Dabei ist unklar, ob sie zunehmend verbreitet sind, denn das Phänomen ist kaum untersucht. Experten erklären jedoch, zumindest die Anbahnung solcher Kontakte sei über das Internet leichter geworden. „Es ermöglicht es, seine Wünsche leichter zu kommunizieren“, sagt der Assistenz-Professor Kevin Lewis, Soziologe an der University of California in San Diego. „Man könnte sagen, der Markt ist einfach effizienter geworden.“

Kashani hat sich mehrere potenzielle Kandidaten angesehen, bevor sie einen passenden fand. Sie sagt, sie betrachte ihren „Sugar Daddy“ als einen ihrer besten Freunde. Beide hätten auf jeden Fall Gefühle füreinander. „Die Menschen, die schlecht darüber denken, verstehen einfach nicht, wie es läuft“, erklärt sie. Im Gegensatz zu anderen Freundschaften erhält sie von ihrem Verehrer eine beträchtliche monatliche Summe, die sie in ihr Studium investiert.


„Möglichst viel Geld mit möglichst wenig Aufwand“

Bachelor-Studenten in den USA schlossen im vergangenen Jahr ihr Studium mit durchschnittlich 35.000 Dollar (31.500 Euro) Schulden ab. Bei Master-Studenten waren es durchschnittlich 75.000 Dollar (67.500 Euro), noch längere Studien können noch höhere Kredite bedeuten. Viele Studenten berichten, der Studienkredit decke nicht die Lebenshaltungskosten, schließlich seien auch die Mieten in den großen Städten stark gestiegen. Um die Differenz zu decken, müssten sie sich Jobs suchen.

So erging es auch einer Studentin an der Columbia University in New York. Ihr Stipendium deckte fast die gesamten Studiengebühren, aber nicht ihre Lebenshaltungskosten. Die junge Frau, die ihren Namen nicht nennen will, versuchte zunächst, irgendwie über die Runden zu kommen: Sie teile sich ein Zimmer mit einer Studienkollegin, hatte mehrere Minijobs und arbeitete vielerorts als freie Mitarbeiterin, wann immer sie konnte. Aber trotzdem konnte sie kaum ihre Kosten tragen. Und ihre Noten wurden immer schlechter.

„Dafür bin ich nicht hier“, erklärt sie. „Ich wollte möglichst viel Geld mit möglichst wenig Aufwand verdienen.“ Also suchte sie auf Webseiten nach einem Finanzier. Nun hat sie gleich zwei „Sugar Daddies“, einen sieht sie nur gelegentlich, während der andere eher einem gewöhnlichen Freund ähnelt – außer, dass er ihr jeden Monat Geld überweist und ihr half, eine Wohnung in seiner Nähe zu mieten.

Brandon Wade, Gründer von SeekingArrangement.com, sieht seine Webseite als eine alternative Finanzierungsmethode für Studentinnen und Studenten. Allerdings sei das Angebot 2006 nicht mit diesem Gedanken gestartet. Die Nische bildete sich erst heraus und seit 2011 können Studenten kostenlos eine Premium-Mitgliedschaft bekommen, für die sonst 30 Dollar pro Monat fällig wären. Das Unternehmen erklärt, die Zahl dieser Mitgliedschaften steige im August und Januar stets sprunghaft an – immer dann, wenn normalerweise die Studiengebühren fällig sind.

Frauen berichten von ganz unterschiedlichen Erfahrungen mit der Internet-Plattform: von respektvollem Umgang bis hin zu aggressivem Nachstellen. Auch einige Ehen sollen so laut dem Unternehmen schon entstanden sein, allerdings sei das sehr selten.

Den Frauen ist dabei anscheinend stets bewusst, dass es sich um eine Vereinbarung handelt und nicht um romantische Gefühle. „Ich profitiere auf viele Arten“, sagt die New Yorker Studentin. „Wir haben eine gesunde Beziehung, wir reisen gemeinsam, ich kann die Stadt mehr genießen.“ Trotzdem sei es immer noch ein Job.

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