Proteste in Frankreich Mit harter Hand gegen die Feuerteufel

In Frankreich kämpft die radikale Gewerkschaft CGT gegen die Arbeitsreform und blockiert Raffinerien und Treibstoffdepots. Doch Premier Valls will nicht einknicken. Dabei gibt es Warnungen vor Versorgungsengpässen.

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Seit Tagen blockieren Gewerkschafter Treibstoffdepots und wichtige Verkehrsknotenpunkte. Quelle: AP

Frankreichs Premier Manuel Valls bleibt bei seiner harten Linie: „Das Gesetz zur Arbeitsreform wird nicht zurückgezogen und in seinen wesentlichen Bestimmungen nicht verändert“, sagte er am Donnerstagmorgen im Nachrichtensender BFM TV. Im Lauf des parlamentarischen Verfahrens könne es noch „Anpassungen geben“, die könnten aber nicht den Kern der Reform berühren: die Möglichkeit, künftig über Arbeitszeit und die Bezahlung von Überstunden auf Unternehmens- statt auf Branchenebene zu verhandeln.

Die radikale Gewerkschaft CGT will die komplette Rücknahme des Gesetzes erreichen und blockiert seit Tagen Raffinerien, Treibstoffdepots sowie wichtige Verkehrsknotenpunkte. Sie weiß, dass der Dialog auf Unternehmensebene zu pragmatischeren Lösungen führt, als sie will. Mit Streiks versucht sie, den Flug- und Eisenbahnverkehr lahmzulegen. Ihre Anhängerschaft reicht dafür aber nicht mehr aus. Bei der Bahngesellschaft SNCF streiken nur 10 bis 15 Prozent des Personals.

Deshalb verlegt die CGT sich zunehmend Aktionen, die mit wenig Personal hohe Wirkung versprechen. Am Donnerstag blockierten CGT-Mitglieder den Pont de Normandie, eine der größten Brücken Frankreichs in der Nähe von Le Havre, einen Tunnel in Marseille und einige Straßenkreuzungen in Paris.

Am Mittwoch hatte der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten in der Nationalversammlung Bruno Le Roux für Verwirrung gesorgt, weil er eine Aufweichung der Reform ankündigte. „Artikel zwei des Gesetzes könnte weiterentwickelt werden, indem die Branchen ein Recht auf Vorab-Stellungnahme erhalten“, kündigte Le Roux an. Sofort wurde er von Valls und von Regierungssprecher Stéphane Le Foll zurückgepfiffen: „Artikel zwei ist das Herz der Reform, daran ändern wir nichts“, sagte Le Foll, der zur allgemeinen Erheiterung ungewollt den Namen des Fraktionschef verballhornte: aus Le Roux machte er Relou, französisch für Nervensäge.

Den größten Effekt hatten bislang die Blockadeaktionen der CGT vor den Treibstoffdepots. Die Regierung hatte sie anfangs nicht ernst genug genommen. Mittlerweile sind aber fast alle aus brennenden Reifen und Holzbarrieren bestehenden Sperren aufgehoben.

Die Polizei rückt in den frühen Morgenstunden an, sie hat Order, „die Gewerkschafter zu überzeugen und nur im Notfall gewaltsam vorzugehen“, wie der Innenminister präzisierte. Die CGT dagegen sprach von „Aktionen wie Im Krieg.“ Ob Überredung oder Gewalt – die Tanklaster können den größten Teil der Depots nun wieder anfahren.

An den Tankstellen hatte sich die Lage auch dadurch verschärft, das viele Autofahrer aus Angst von Engpässen Hamsterkäufe tätigten. Total zufolge ist der Verbrauch derzeit dreimal so hoch wie zu normalen Zeiten. Am Donnerstag reagierte auch das Auswärtige Amt auf die seit Tagen anhaltenden Treibstoffprobleme und wies darauf hin, dass es „Versorgungsengpässe“ gebe. Die Diplomaten gaben den hilfreichen Tipp, man solle „Wartezeiten einplanen“.


Streik in Kernkraftwerken

Die Lage beginnt wegen der freigeräumten Depots langsam, sich zu entspannen. Laut Aussage eines Sprechers des Petro-Konzerns Total sitzen nur noch 348 von 2200 Tankstellen auf dem Trockenen. Vier von fünf Raffinerien würden bestreikt, was aber keine gravierenden Folgen habe: „Über Pipelines können wir genug Benzin aus dem Ausland beziehen, falls die Depots nicht mehr ausreichen sollten.“

Wenig Effekt dürfte der von der CGT angekündigte Streik in den 58 Kernkraftwerken an 19 Standorten des Versorgers EDF haben. Das Unternehmen bestätigte, dass die radikale Gewerkschaft in den Atommeilern die Mehrheit der Delegierten stelle. „Die Arbeitnehmer können streiken, aber ein AKW wird nie stillgelegt, sondern es wird allenfalls die Leistung gemindert“, sagte eine Sprecherin.

Die Entscheidung liege allerdings letzten Endes bei der Netzgesellschaft RTE. „Wenn die feststellt, dass ein AKW aus Gründen der Netzstabilität seine Leistung nicht einschränken darf, dann müssen die Mitarbeiter arbeiten“, sagte eine EDF-Sprecherin. Sollten sie dieser Verpflichtung aus ihrem Arbeitsvertrag nicht nachkommen, habe man genügend Reservekräfte.

Die Regierung ist sichtlich bemüht, zwar einerseits keine Zweifel an ihrer Entschlossenheit aufkommen zu lassen, aber gleichzeitig zu verhindern, dass sich andere Gewerkschaften mit der CGT solidarisieren. Das erklärt auch, warum Valls Änderungen an der Reform nicht kategorisch ausschließt. Bislang ist die CGT weitgehend isoliert, nur vereinzelt steht er die Organisation „Force Ouvrière“ bei.

1995 war eine wichtige Arbeitsreform gescheitert, weil die Gewerkschaften wochenlang den Verkehr lahm legen konnten. Von diesen Zuständen ist Frankreich heute weit entfernt. 2010 wendete vor allem die CGT eine ähnliche Taktik an wie heute, mit Blockaden von Raffinerien und Depots. Damals ging es um Nicolas Sarkozys Rentenreform. Sarkozy blieb hart, die Reform kam durch.

Auch wenn Präsident Hollande und Premier Valls am Ende erfolgreich sein sollten, wofür im Moment einiges spricht: Die Bilder von brennenden Barrikaden und Autoschlangen vor den Tankstellen verstärken erneut den Eindruck, dass Frankreich nicht reformierbar sei. Das ist wohl der größte Schaden, den die CGT anrichtet.

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