Putin empfängt Erdogan in St. Petersburg "Putin will die Türkei in einer eurasischen Allianz einbinden"

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Erdogan versöhnte sich auch mit Israel

Die Annäherung an Russland ist nicht das einzige Beispiel, wie pragmatisch Erdogans Politik sein kann, wenn es der Präsident für geboten hält. Ebenfalls Ende Juni verkündete Ankara die Aussöhnung mit Israel. Dabei hatte Erdogan während des Gaza-Krieges 2014 noch gesagt: „Jetzt hat der terroristische Staat Israel mit seinen Gräueltaten in Gaza Hitler übertroffen.“

Angesichts der vom Putschversuch noch einmal angeschlagenen Wirtschaft und der eskalierenden Spannungen mit der EU braucht Ankara Verbündete. Die Sanktionen, die Putin nach dem Abschuss des Jets im syrischen Grenzgebiet verhängte, trafen die Türkei hart. Russland war bis dahin nach Deutschland der wichtigste Handelspartner der Türkei. Bezeichnend ist der massive Rückgang der Touristenzahlen, nachdem Putin als Strafmaßnahme Charterflüge in das Urlaubsland stoppen ließ.

Wie wirkt der Ausnahmezustand in der Türkei über die Grenzen hinaus?

Mittlerweile hat Putin, der die Erdogan-Regierung auf dem Höhepunkt der Krise öffentlich als „verräterisches Regime“ beschimpfte, den Bann aufgehoben. Alles soll wieder werden wie früher - und besser. Angesichts der wiederbelebten Partnerschaft treten die weiterhin bestehenden gravierenden Differenzen zu Syrien in den Hintergrund.

„In Zusammenarbeit mit Russland würden wir gerne so bald wie möglich einen politischen Übergang in Syrien ermöglichen“, sagt Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin der Agentur Tass. „Natürlich ist es unmöglich, über einen politischen Übergang in Syrien zu sprechen, solange Baschar al-Assad an der Macht ist.“ Jener Assad, den Russland ebenso wie die Regionalmacht Iran mit militärischen Mitteln stützt.

Schlüsselstaat Türkei

Moskau und Ankara sind sich aber nicht nur bei Assad nicht grün. Während der Eiszeit erlaubte Russland den syrischen Kurden der PYD, ein Büro in Moskau zu eröffnen. Die PYD ist der Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei - und aus Erdogans Sicht eine nicht minder gefährliche Terrororganisation. Russland besteht aber darauf, dass die PYD - die sich weitgehend mit Assad arrangiert hat - bei Friedensverhandlungen mit einbezogen wird.

Unwahrscheinlich ist, dass sich Putin Erdogans Druck beugt und sich von den Kurden abwendet. Auch seine Hilfe für Assad werde der Kreml kaum unterlassen, meint der russische TV-Sender Doschd: Geopolitisch verschaffe Erdogans Einlenken Putin mehr Optionen als je zuvor.

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