Putin und Abe Ziemlich beste Freunde

Wladimir Putin genießt bei seinem historischen Japan-Besuch eine Vorzugsbehandlung. Japans Regierungschef Shinzo Abe will einen Friedensvertrag mit Russland abschließen. Doch vorher muss noch einiges geklärt werden.

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Japans Regierungschef sucht seit seinem Amtsantritt Ende 2012 die Nähe des russischen Staatschefs. Quelle: Reuters

Tokio/Moskau In vielen Ländern Europas wird Wladimir Putin immer stärker als Bedrohung wahrgenommen. In Japan hingegen behandelt Regierungschef Shinzo Abe den russischen Präsidenten bei seinem ersten Besuch im ostasiatischen Kaiserreich seit elf Jahren wie einen Freund der Familie.

Am Donnerstag empfing Abe den Staatsbesucher in seiner Heimat, der Präfektur Yamaguchi, Besuch in einer traditionellen japanischen heißen Quelle inklusive. Auch die abschließende Pressekonferenz am Freitagnachmittag demonstrierte die Nähe zwischen den beiden Staatsoberhäuptern. Japan versprach nicht nur, 2,5 Milliarden Euro in Russland zu investieren. Japanische Firmen unter Federführung des Handelshauses Marubeni und Russlands Ölgesellschaft Rosneft wollen beispielsweise ein Gasprojekt vor der russischen Insel Sachalin gemeinsam entwickeln.

Abe und Putin gelobten auch, endlich ihr größtes bilaterales Problem zu lösen, das bisher eine Annäherung beider Länder verhindert hat. Nach 71 Jahre wollen sie sich nun ernsthaft bemühen, einen Friedensvertrag abzuschließen. Dessen Fehlen sei „ein negatives Erbe der Vergangenheit“, sagte Putin. In einem ersten Schritt wollen sie über eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung der vier von Russland besetzten und von Japan beanspruchten südlichen Kurileninseln unterhalten.

Damit hält der Gipfel wenigstens die Hoffnung aufrecht, das hochgesteckte Ziel zu erfüllen. Japan hofft, in der wachsenden Rivalität mit China durch enge Beziehungen zu Russland die eigene Position zu stärken. Denn die Sanktionen, die der Westen nach der Annexion der Krim-Halbinsel verabschiedet hat, trieb die eurasische Großmacht zuletzt näher an China heran. Abe will Putin durch wirtschaftliche Kooperation und einen Ausbau der Beziehungen auf die eigene Seite ziehen.

Doch es ist keineswegs sicher, dass Japans Traum wahr wird. Denn für einen Friedensvertrag müssen beide Seiten einen Konflikt um die vier südlichen Kurileninseln lösen, der bisher eine dauerhafte Annäherung beider Staaten verhindert hat. Russland hatte die Inseln zwischen dem russischen Kamtschatka und der nordjapanischen Insel Hokkaido am Ende des zweiten Weltkriegs besetzt und nie wieder zurückgegeben.

Japans Regierungschef Abe sucht daher seit seinem Amtsantritt Ende 2012 die Nähe des russischen Staatschefs. 14 Mal trafen sich die beiden seither, sagt Shinji Hyodo, Direktor am Institut für Verteidigungsstudien, einer Denkfabrik von Japans Streitkräften. „Kein Staats- oder Regierungschef hat Putin in den vergangenen Jahren häufiger getroffen als Abe.“


Die Rückgabe der Inseln gilt in Russland als umstritten

Abe stellte sich sogar bei der Eröffnung der Winterolympiade 2014 in Sotschi neben Putin, als westliche Staats- und Regierungschef den Russen mieden. Beide hätten seither vertrauensvolle Beziehungen entwickelt, so Hyodo. Putin nimmt Abes Kontaktsuche durchaus zur Kenntnis. „Dank Ihrer Bemühungen sehen wir einen gewissen Fortschritt in der Entwicklung der russisch-japanischen Beziehungen“, hatte er vor dem Gipfeltreffen gesagt.

Doch nicht nur der häufige Gedankenaustausch macht die Lösung des Gebietskonflikts denkbar, sondern auch die Veränderung von Japans Verhandlungsziel. Unter Abe gilt es als möglich, dass sich das Land letztlich mit der Rückgabe der zwei südlichsten Inseln Habomai und Shikotan zufrieden geben würde.

Diese Idee hatten Japan und die Sowjetunion 1956 in einer gemeinsamen Deklaration verabschiedet. Und mehr gibt es auch dieses Mal nicht zu holen. Denn Putin hat in der Vergangenheit unmissverständlich klar gemacht, dass Moskau nicht über die frühere Vereinbarung hinausgehen werde. Wenn er sich überhaupt auf einen Handel einlässt. Denn die Rückgabe der zwei Inseln ist in Russland sehr umstritten.

Abe scheint nach Meinung japanischer Beobachter diese Idee zu unterstützen. Bei einem Gipfeltreffen im Mai sprach er über „einen neuen Ansatz“ für die Lösung des Konflikts. Offenbar will er zuerst durch wirtschaftliche, politische und diplomatische Zusammenarbeit Vertrauen aufbauen, um dann hoffentlich die Hürde für einen Friedensvertrag aus dem Weg zu räumen.

Abe setzt darauf, dass auch Russland ein Interesse an einer Annäherung an Japan hat. Denn die Nähe zu China ist ein riskantes Spiel. China erstarkt schließlich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch und politisch. Sogar die ehemaligen Sowjetrepubliken versucht das Reich der Mitte stärker an sich zu binden. Putins Reich droht daher in Ost- und Zentralasien zum Juniorpartner zu werden.

Doch trotz der gemeinsamen Interessen hatte kein Experte einen Durchbruch auf dem jetzigen Gipfel erwartet. Das Treffen stelle vielmehr den Startschuss für die Verhandlungen über einen Friedensvertrag dar, meint Hyodo. Ein Abschluss wird in Japan für 2018 erhofft. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass eine Einigung keineswegs sicher ist. Aber erstmals seit Jahrzehnten ist sie denkbar.

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