Putin zur Lage Russlands „Sie haben versucht, uns nach fremder Pfeife tanzen zu lassen“

Defizite bei Investitionen, in der Technologie, im Wettbewerb: In seiner Rede zur Lage der Nation übt Russlands Präsident Wladimir Putin ungewohnte Selbstkritik – und richtet eine Botschaft an den Westen.

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Der russische Präsident ruft sein Volk zu „Einigkeit in schweren Zeiten“ auf. Quelle: dpa

Moskau Wenn er spricht, hören 144 Millionen Russen zu: Einmal im Jahr steht der russische Präsident vor beiden Kammern des Parlaments, der Duma, Rede und Antwort zur Lage des Landes. Auch westliche Politiker dürften aufmerksam zugehört haben, als Wladimir Putin am Donnerstag seine „Rede an die Föderalversammlung“ vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft in Moskau hielt. Denn das Riesenreich spielt eine bedeutende Rolle in den vielen Konflikten, die die Regierungschefs von Berlin bis Washington derzeit umtreiben.

Allen voran der Krieg in Syrien: Schon im Wahlkampf hatte der designierte US-Präsident Donald Trump angekündigt, im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat auf Unterstützung aus Russland zu setzen. Ein Angebot, das Putin dankbar annimmt: Russland sei bereit zu einer Kooperation mit der neuen US-Führung, so Putin in seiner Rede. Beide Länder hätten eine gemeinsame Verantwortung für die globale Sicherheit. „Es ist wichtig, dass wir unsere Beziehungen normalisieren und anfangen, unser bilaterales Verhältnis auf gleichberechtigter Ebene zu entwickeln“, so Putin. Auch die Partnerschaft mit China sei für Russland wichtig, ergänzte er.

„Wir wollen keine Konfrontation, wir suchen keine Feinde“, so Putin. „Wir brauchen Freunde, aber wir dulden keine Missachtung unserer nationalen Interessen.“ Zugleich rief der Kremlchef die USA zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus im Bürgerkriegsland Syrien auf.

Russlands Politik in der Ukraine-Krise und im Syrien-Konflikt sowie Nato-Aktivitäten in Osteuropa haben die heftigsten Spannungen mit dem Westen seit dem Ende des Kalten Krieges ausgelöst. Vor allem das Verhältnis zu den USA unter Präsident Barack Obama ist zerrüttet. Putin bekräftigte indes, Russland sei zur Zusammenarbeit mit der neuen US-Regierung unter Donald Trump bereit.

Anders als in früheren Reden an die Nation spielten internationale Themen eine untergeordnete Rolle in Putins 13. Ansprache als Präsident. Vor rund 1000 Amts- und Würdenträgern hielt er mehr als 69 Minuten einen flammenden Appell an die „Einigkeit in schweren Zeiten“ und ging auf die Wirtschaftskrise und innenpolitische Probleme ein.


„Bestellte Kampagnen und schulmeisterhafte Belehrungen“

Nach zwei Jahren Rezession beschwor Putin Zeichen der Entspannung. „Der Abschwung in der Realwirtschaft geht zurück, es gibt sogar ein kleines industrielles Wachstum“, sagte er. 2015 war die Wirtschaftsleistung um 3,7 Prozent eingebrochen. Für das gesamte Jahr 2016 dürfte der Rückgang unbedeutend sein, meinte er.

Die Rohstoffmacht leidet seit 2014 unter den Folgen niedriger Ölpreise. Westliche Sanktionen wegen der Ukraine-Krise verschärfen die Lage. Doch die Strafmaßnahmen hätten nicht gewirkt, meinte Putin. „Sie haben versucht, uns nach fremder Pfeife tanzen zu lassen, wie wir im Volksmund sagen, damit wir unsere fundamentalen Interessen vernachlässigen.“ Die Hauptgründe für den Abschwung seien aber etwa Defizite bei Investitionen, Wettbewerb und in der Ausbildung.

Putin kündigte an, Russland werde sich stärker vor Hackerangriffen schützen. „Auch in diesem Jahr sind wir mit Versuchen konfrontiert, dass aus dem Ausland Druck auf uns ausgeübt wird, unter anderem durch bestellte Kampagnen und schulmeisterhafte Belehrungen.“ Als Beispiel nannte er den „sogenannten Dopingskandal“ im russischen Sport. „Er wird uns helfen, das fortschrittlichste System zur Doping-Bekämpfung zu schaffen“, sagte Putin. Russland wird Staatsdoping vorgeworfen, als Folge wurden Hunderte Athleten für Olympia in Rio gesperrt.

Angesichts jüngster Korruptionsskandale bekannte sich Putin auch zum Kampf gegen die Bestechlichkeit. Dieser erfordere „Professionalismus und Verantwortungsbewusstsein“. Die meisten Beamten seien ehrliche Menschen. Zuletzt hatte die Festnahme von Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew wegen angeblicher Korruption für Aufsehen gesorgt. Experten beklagen seit Jahren ein Klima der Vetternwirtschaft in Russland und mangelnden Willen der Führung zu ihrer Bekämpfung.

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