Quo vadis, Amerika? Trump "ein Desaster", Clinton "irritierend"

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Amerikas Mittelschicht ist enttäuscht

Zu viele Gründe gilt es schließlich zu nennen, weshalb der Wissenschaftler Stiglitz modernen Freihandel ähnlich kritisch sieht wie Populist Trump. „In erster Linie profitieren die Konzerne“, sagt er. Das Versprechen, dass durch den freien Warenverkehr mehr Jobs und mehr Wohlstand für alle entstünden, habe sich schlicht nicht erfüllt. Konzerne hätten ihre Gewinne nicht an Angestellte und Konsumenten weitergegeben. Während die reichsten der Reichen immer wohlhabender würden, habe sich etwa das mittlere Haushaltseinkommen in den USA inflationsbereinigt seit 1989 um weniger als ein Prozent erhöht.

„Wir alle haben die Mittelschicht enttäuscht“, sagt Stiglitz. Aber er fügt hinzu, diese Analyse sei ein Aufruf, den Freihandel „besser zu managen“, statt ihn zu verdammen. Dass Trump für so ein besseres Management keine Vorschläge hat, daran lässt Stiglitz keinen Zweifel: „Dessen Forderungen nach niedrigeren Unternehmenssteuern und weniger Auflagen sind genau die falschen Konzepte.“

Die Wirtschaftsberater von Donald Trump

Höhere Importzölle werden Amerika schaden

„Ökonomischen Unsinn“, so nennt auch Robert Lawrence, Professor für internationalen Handel an der Harvard University, die Wirtschaftspläne des Republikaners. Importzölle auf ausländische Güter, wie sie Trump vorschlägt, würden weder amerikanischen Unternehmern noch Arbeitern helfen, ganz im Gegenteil. Denn dann müssten US-Konsumenten für Kleidung, Elektroartikel oder Spielzeuge, die aus dem Ausland eingeführt werden, weit tiefer in die Tasche greifen. „Die Mittelschicht verliert 29 Prozent an Kaufkraft, wenn sich Amerika abschottet“, rechnet Lawrence vor. Angehörige der Unterschicht, die mehr für Konsum ausgeben, 62 Prozent.

Auch die gesamte heimische Wirtschaft wäre betroffen. „Ein signifikanter Anteil aller importierten Waren werden in den USA weiterverarbeitet“, sagt Lawrence. Importzölle bremsten den Wirtschaftskreislauf aus – zum Leidwesen heimischer Produktionsstätten wie der von Rolls-Royce in Virginia.

Was Sie über Hillary Clinton wissen sollten
Hillary Clinton (zweite von links, Aufnahme aus dem Jahr 1969) wird am 26. Oktober 1947 als erstes von drei Kindern von Dorothy und Hugh E. Rodham, mittelständischer Textilunternehmer, geboren. Von 1961 bis 1965 ist sie Schülerin der Maine Township East High und Maine South High in Park Ridge, Illinois. Von 1965 bis 1969: Studium der Politikwissenschaften mit Nebenfach Psychologie am Wellesley College. Quelle: REUTERS
Hillary Clinton, Dorothy Clinton und Hugh Clinton Quelle: AP
Children's-Defense-Fund Quelle: AP
Von 1977 bis 1992 war Hillary Clinton Anwältin und Partnerin der Kanzlei Rose in Little Rock, Arkansas. Von 1979 bis 1981 dauerte die erste Amtszeit von Ehemann Bill als Gouverneur von Arkansas Quelle: AP
Geburt-von-Tochter-Chelsea Quelle: AP
1993 bis 2001 war sie First Lady der USA während der Präsidentschaft von Ehemann Bill. Quelle: AP
US-Außenministerin Quelle: AP

Unternehmen finden kaum passende Bewerber

Tatsächlich wurden US-weit seit 2010 mehr als eine Million neuer Jobs in der Industrie geschaffen, zumeist gut dotierte. Im Schnitt zahlen Exportunternehmen 18 Prozent höhere Löhne als Konkurrenten, die auf den Heimatmarkt fokussiert sind. Viele von ihnen tun sich aber schwer, freie Stellen zu besetzen. „Ich würde sofort zehn neue Mitarbeiter einstellen, finde aber keine passenden Bewerber“, sagt Rolls-Royce-Manager Sodell. Nun rächt sich, dass Industriepolitik in den servicefixierten USA lange als verpönt galt. Zudem haben weder Unternehmen noch Staat viel in die Weiterbildung von Arbeitern investiert. Eine weitere Folge: US-Amerikaner, die lange arbeitslos waren und nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, haben Schwierigkeiten, je wieder einen neuen Job zu finden.

„Hier sollte die Politik ansetzen“, sagt Joseph Stiglitz. Sie müsse Unternehmen, die vom Freihandel profitieren, „konsequent besteuern“ und das Geld verwenden, um amerikanischen Arbeitskräften Weiterbildung zu ermöglichen. Trump hingegen setze auf „eine neoliberale Politik, die die heutige Situation erst herbeigeführt“ habe. Konzepte, wie arbeitssuchende US-Amerikaner fit für das 21. Jahrhundert gemacht werden können, hat der US-Milliardär bisher in der Tat nicht vorgelegt.

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