Zu viele Gründe gilt es schließlich zu nennen, weshalb der Wissenschaftler Stiglitz modernen Freihandel ähnlich kritisch sieht wie Populist Trump. „In erster Linie profitieren die Konzerne“, sagt er. Das Versprechen, dass durch den freien Warenverkehr mehr Jobs und mehr Wohlstand für alle entstünden, habe sich schlicht nicht erfüllt. Konzerne hätten ihre Gewinne nicht an Angestellte und Konsumenten weitergegeben. Während die reichsten der Reichen immer wohlhabender würden, habe sich etwa das mittlere Haushaltseinkommen in den USA inflationsbereinigt seit 1989 um weniger als ein Prozent erhöht.
„Wir alle haben die Mittelschicht enttäuscht“, sagt Stiglitz. Aber er fügt hinzu, diese Analyse sei ein Aufruf, den Freihandel „besser zu managen“, statt ihn zu verdammen. Dass Trump für so ein besseres Management keine Vorschläge hat, daran lässt Stiglitz keinen Zweifel: „Dessen Forderungen nach niedrigeren Unternehmenssteuern und weniger Auflagen sind genau die falschen Konzepte.“
Die Wirtschaftsberater von Donald Trump
Der Hedgefondsmanager wettete 2007 gegen den überhitzten Immobilienmarkt und machte dadurch Milliarden Dollar Gewinn für sich und seine Investoren. Jüngst waren seine Einschätzungen zu Aktienentwicklungen und Konjunktur jedoch weniger akkurat. In den vergangenen fünf Jahren büßten seine Investments massiv an Wert ein.
Quelle: Reuters
Der Investmentmanager ist Chef der von ihm 1992 mitbegründeten Beteiligungsgesellschaft Cerberus Capital Management. Unter seiner Führung war das Unternehmen auch größter Anteilseigner von Chrysler, bis der Autobauer 2009 mit staatlicher Hilfe saniert wurde.
David Malpass war Vize-Staatssekretär im Finanzministerium unter Präsident Ronald Reagan und Vize-Staatssekretär im Außenministerium unter Präsident George Bush senior sowie Chefvolkswirt der Investmentbank Bear Stearns. Derzeit leitet er die Investmentberatungsfirma Encima Global. Er ist ein scharfer Kritiker der Geldpolitik der US-Notenbank, fordert mehr Investitionen in die Infrastruktur und Steuersenkungen.
Peter Navarro ist der einzige Vertreter auf Trumps Beraterliste, der in Wirtschaftswissenschaften promovierte. Derzeit lehrt er als Wirtschaftsprofessor an der University of California in Irvine. Drei seiner neun Bücher befassen sich kritisch mit Chinas Rolle in der Welt. Er fordert einen Importzoll in Höhe von 45 Prozent auf chinesische Waren. Die USA sollten seiner Meinung nach eine strengere Haltung zu Diebstahl geistigen Eigentums und in Handelsfragen einnehmen.
Howard Lorber ist Chef der Vector Group, die Zigaretten herstellt und im Immobiliengeschäft aktiv ist. Laut Trumps Wahlkampfstab ist Lorber einer der besten Freunde Trumps.
Der Investmentmanager konzentriert sich auf Finanzierungsvorhaben in der Unterhaltungsbranche. Der Ex-Goldman-Sachs-Partner ist Chef der Beteiligungsgesellschaft Dune Capital Management. Er hat in der Vergangenheit häufig Geld an die Demokraten gespendet, einschließlich deren Kandidatin Hillary Clinton. Mit Trump ist er nach eigenen Angaben seit mehr als 15 Jahren privat und beruflich verbunden.
Dan Dimicco ist Ex-Chef der Nucor Corp, einem der größten US-Stahlproduzenten. Er ist ein scharfer China-Kritiker und tritt ein für neue Handelsregeln zugunsten der US-Industrie.
Stephen Moore ist einer der führenden konservativen US-Wirtschaftsexperten, der für das "Wall Street Journal" arbeitete und derzeit der Denkfabrik Heritage Foundation angehört. Er gründete die Anti-Steuern-Lobbygruppe Club of Growth.
Der Immobilienfinancier und Hotelentwickler ist ein langjähriger Freund Trumps. Er ist Gründer und Chef der Beteiligungsgesellschaft Colony Capital.
Höhere Importzölle werden Amerika schaden
„Ökonomischen Unsinn“, so nennt auch Robert Lawrence, Professor für internationalen Handel an der Harvard University, die Wirtschaftspläne des Republikaners. Importzölle auf ausländische Güter, wie sie Trump vorschlägt, würden weder amerikanischen Unternehmern noch Arbeitern helfen, ganz im Gegenteil. Denn dann müssten US-Konsumenten für Kleidung, Elektroartikel oder Spielzeuge, die aus dem Ausland eingeführt werden, weit tiefer in die Tasche greifen. „Die Mittelschicht verliert 29 Prozent an Kaufkraft, wenn sich Amerika abschottet“, rechnet Lawrence vor. Angehörige der Unterschicht, die mehr für Konsum ausgeben, 62 Prozent.
Auch die gesamte heimische Wirtschaft wäre betroffen. „Ein signifikanter Anteil aller importierten Waren werden in den USA weiterverarbeitet“, sagt Lawrence. Importzölle bremsten den Wirtschaftskreislauf aus – zum Leidwesen heimischer Produktionsstätten wie der von Rolls-Royce in Virginia.
Unternehmen finden kaum passende Bewerber
Tatsächlich wurden US-weit seit 2010 mehr als eine Million neuer Jobs in der Industrie geschaffen, zumeist gut dotierte. Im Schnitt zahlen Exportunternehmen 18 Prozent höhere Löhne als Konkurrenten, die auf den Heimatmarkt fokussiert sind. Viele von ihnen tun sich aber schwer, freie Stellen zu besetzen. „Ich würde sofort zehn neue Mitarbeiter einstellen, finde aber keine passenden Bewerber“, sagt Rolls-Royce-Manager Sodell. Nun rächt sich, dass Industriepolitik in den servicefixierten USA lange als verpönt galt. Zudem haben weder Unternehmen noch Staat viel in die Weiterbildung von Arbeitern investiert. Eine weitere Folge: US-Amerikaner, die lange arbeitslos waren und nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, haben Schwierigkeiten, je wieder einen neuen Job zu finden.
„Hier sollte die Politik ansetzen“, sagt Joseph Stiglitz. Sie müsse Unternehmen, die vom Freihandel profitieren, „konsequent besteuern“ und das Geld verwenden, um amerikanischen Arbeitskräften Weiterbildung zu ermöglichen. Trump hingegen setze auf „eine neoliberale Politik, die die heutige Situation erst herbeigeführt“ habe. Konzepte, wie arbeitssuchende US-Amerikaner fit für das 21. Jahrhundert gemacht werden können, hat der US-Milliardär bisher in der Tat nicht vorgelegt.