Ratingagenturen So arbeitet Fitch - ein Analyst packt aus

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Die Zentrale der Deutschen Quelle: dpa

Bachs Arbeitsalltag enthält viel Routine. Wie seine Kollegen betreut auch er 10 bis 15 Emittenten, bei ihm sind das deutsche Bundesländer oder auch Schweizer Kantone. Jeden Kunden besucht Bach einmal im Jahr, führt ausführliche Gespräche mit Vertretern aus dem Finanzministerium oder der jeweiligen Schuldenverwaltung, diskutiert Haushaltspläne und Prognosen und erhält dabei auch Zugang zu sonst vertraulichen Informationen. Das Gefühl, dass er aus diesen vertraulichen Unterredungen mit ins Büro bringt, ist für die Entscheidungsfindung oft mindestens genauso wichtig wie die Ergebnisse mathematischer Modellrechnungen.

Das Gefühl Gott zu sein

Zwei Analysten entscheiden, welches Rating sie dem vier- bis neunköpfigen Komitee vorschlagen wollen, das per Mehrheitsbeschluss die endgültige Note bestimmt. Doch letztlich liegt das Schicksal eines Staates doch in den Händen des ihn betreuenden Analysten, denn das Komitee stimmt meist dessen Vorschlag zu. Er und seine Kollegen hätten sich deshalb bei ihrer Arbeit manchmal "wie Gott" gefühlt, erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter von S&P. Das aber, schränkt er ein, habe nichts mit Arroganz und auch nichts mit Überheblichkeit zu tun. Man sei eben ein Richter, der Urteile fälle, auch wenn sie große Wellen nach sich ziehen.

So hängt von der Einstufung der Analysten etwa ab, ob Pensionsfonds und andere Anlagegesellschaften bestimmte Wertpapiere halten dürfen oder verkaufen müssen. Eine Herabwertung durch die Analysten kann deshalb als Brandbeschleuniger wirken – und wegen massenhafter Verkäufe einen weiteren Wertverfall des betroffenen Wertpapiers nach sich ziehen. Selbst minimale Änderungen in der Bewertung der Agenturen können für die Emittenten sehr teuer werden: So stiegen für die Telekom die Refinanzierungskosten für bereits ausgegebene Anleihen um 40 Millionen Euro, nachdem S&P das Rating im Frühjahr 2008 von A- auf BBB+ gesenkt hatte.

Oft wird den Agenturen auch vorgeworfen, dass sie mit ihren Bewertungen hinterherhinken. Bach sieht die Schuld bei den Emittenten, die manche Informationen zu lange unter Verschluss halten. "Wir können Änderungen in unser Rating erst einbeziehen, wenn wir Information darüber erhalten", sagt er. Somit ist Bach vom Entgegenkommen seiner Kunden abhängig. "Für mich war das bisher jedoch kein Problem", sagt er. Kein Wunder, er vergab bisher fast nur Bestnoten. Bei Kollegen, die Unternehmen oder einen Staat mit Ramschstatus bewerten, hakt es jedoch hin und wieder. Als letztes Druckmittel bleibt den Analysten dann nur, das Rating zu entziehen. Eine absolute Notlösung, die daher nur selten vorkommt.

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