Reaktionen auf May-Rede „Ein wenig mehr Klarheit“

Die britische Premierministerin May will einen harten Brexit – ohne Zugang zum EU-Binnenmarkt. Die Reaktion fallen unterschiedlich aus: Außenminister Steinmeier sieht nun klarer, Wirtschaftsforscher Fratzscher warnt.

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„Noch immer gibt es keine Formalisierung des britischen Austrittswunsches“, sagt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Foto: Archiv Quelle: AP

Berlin/Brüssel Die britische Premierministerin Theresa May hat mit ihrer Brexit-Rede nach Einschätzung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier „ein wenig mehr Klarheit“ geschaffen. Seit dem Referendum über den Austritt aus der Europäischen Union fast sieben Monate vergangen, erklärte Steinmeier am Dienstag. „Noch immer gibt es keine Formalisierung des britischen Austrittswunsches. Wir begrüßen deshalb, dass die britische Premierministerin heute Vorstellungen ihrer Regierung für den Austritt skizziert und endlich ein wenig mehr Klarheit über die britischen Pläne geschaffen hat.“

Es sei gut, dass Großbritannien trotz des Austritts eine „positive und konstruktive Partnerschaft, eine Freundschaft“, mit der EU anstrebe. Dies sei auch das Ziel der Bundesregierung. „Aber unsere Linie ist und bleibt: Die Verhandlungen beginnen erst, wenn Großbritannien seinen Austrittswunsch auch offiziell mitgeteilt hat.“

Die Bundesregierung werde am Mittwoch im Brexit-Kabinettsausschuss die deutschen Haltung in den anstehenden Verhandlungen beraten. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), rät der EU und der Bundesregierung von konfrontativen Brexit-Verhandlungen ab. „Wir sollten nicht unsererseits die Rolle des Beleidigten annehmen und den Briten aus taktischen Gründen Anforderungen stellen, die sie nicht erfüllen können“, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wir sollten vernünftiger sein als die Briten.“

Nach Ansicht des europapolitischen Sprechers der Grünen, Manuel Sarrazin, mache May einen „gefährlichen Fehler“. „Nicht die EU muss Großbritannien von einem Deal überzeugen, sondern London die europäischen Partner“, sagte er. Mit dieser britischen Haltung werde schwierig werden, einen vertretbaren Austrittsdeal zu erreichen.

Nach Einschätzung von DIW-Präsident Marcel Fratzscher wird der von May skizzierte Brexit die EU als auch die Briten teuer zu stehen kommen. „Die wirtschaftlichen Kosten eines harten Brexit sind sicherlich höher als alle anderen Optionen“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Beide Seiten – und damit auch Deutschland – würden wirtschaftlich mit Wachstumseinbußen für einen solchen Ausstieg bezahlen.

Allerdings rechnet Fratzscher nicht mit einem tiefen wirtschaftlichen Einbruch durch den Brexit oder gar einer Rezession. Für Großbritannien könnte es nach seinen Worten zu Wachstumseinbußen von jährlich 0,3 bis 0,4 Prozentpunkten kommen. Auch Deutschland werde Abstriche beim Wachstum machen müssen, allerdings nur in relativ geringem Ausmaß, sagte er.

Eine Gefahr für Deutschland und Europa als Standort von Firmen könnte entstehen, wenn Großbritannien – wie schon angedacht – die Unternehmenssteuern massiv senkt. Dass es gelingen kann, damit Firmen anzuziehen, zeigten Beispiele wie Irland oder Luxemburg, erklärte der DIW-Präsident. Fratzscher empfiehlt der EU und Deutschland dennoch, sich nicht auf einen solchen Steuersenkungswettlauf einzulassen. „Einen solchen Wettbewerb kann Deutschland nicht gewinnen“, sagte er. Er halte es für eine bessere Strategie, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern, etwa durch Investitionen in die digitale Infrastruktur.

Wenn Großbritannien beim EU-Abschied einen klaren Trennungsstrich ziehe zum europäischen Binnenmarkt führe dies zu Erschwernissen beim Handel und den Investitionen, sagte Fratzscher. Das treffe Deutschland sehr hart, denn die Deutschen investierten stark in Großbritannien. „Hier wird es große Anpassungen und hohe Kosten geben“, warnte er. „Die Strategie, die die britische Regierung nun zu verfolgen scheint, heißt: wir wollen die Kosten für die Europäer und die Deutschen so stark erhöhen, dass sie uns einen bevorzugten Zugang zum Binnenmarkt gehen.“

Er halte das für eine gefährliche Strategie, der man widerstehen müssen, sagte Fratzscher. „Ich würde mir wünschen, dass man die Briten im Binnenmarkt hält.“ Das wäre wirtschaftlich die beste Lösung. Dazu müsste Großbritannien aber die Kröte des freien Güter- und Personenverkehrs schlucken. „Das ist unverhandelbar“, sagte der DIW-Präsident.

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