Rechtspopulisten in Wien Walzer, rechtsherum

In Österreich laden die Rechtspopulisten zum Wiener Akademikerball in der Hofburg. Denn die politische Auseinandersetzung wird im Alpenland mittlerweile auch auf dem Tanzparkett ausgetragen – Exzesse ebenfalls.

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In Österreich werden politische Auseinandersetzungen mittlerweile auch auf dem Tanzparkett ausgetragen.

Wien Zu einem Hochsicherheitstrakt wird das Zentrum Wiens, wenn die rechtspopulistische FPÖ zum Akademikerball in der Hofburg einlädt. Mehr als 2.800 Polizeibeamte sichern die Straßen um den ehemaligen Kaiserpalast ab und begleiten an diesem Freitagabend voraussichtlich mehrere Tausend Demonstranten bei den insgesamt drei Protestzügen in der österreichischen Hauptstadt. In diesem Jahr will die österreichische Polizei mit einer neuen Taktik gegen militante Demonstranten vorgehen. 29 Kamerateams werden ausgeschickt, um investigativ mögliche Gewalt gegen Menschen, Läden und auch internationale Organisationen aufzuspüren.

Seit 2013 lädt die rechte FPÖ zum umstrittenen Akademikerball ein. Die repräsentativen Prunkräume der Hofburg dienen Rechtspopulisten als die ideale Location, um gemeinsam das Tanzbein zu schwingen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Proteste gegen den Akademikerball. Vor zwei Jahre kam es zu zahlreichen Sachbeschädigungen, beispielsweise beim Ölkartell OPEC, bei der EU-Vertretung und auch rund 30 Läden in der Wiener Innenstadt. Unter den Demonstranten sind traditionell auch Deutsche. 2014 wurde ein Demonstrant aus Jena zu einer Bewährungsstrafe wegen Landfriedensbruch verurteilt.

In Österreich ist die rechtspopulistische FPÖ laut Umfragen zur stärksten politischen Kraft aufgestiegen, noch vor den Regierungsparteien, die sozialdemokratische SPÖ und die konservative ÖVP. FPÖ-Parteichef Christian Strache strotzt vor Selbstbewusstsein. Zur Wahl der österreichischen Bundespräsidenten im April treten die Rechten mit dem jüngsten Kandidaten der großen Parteien an. Der erst 44-jährige Norbert Hofer soll Bundespräsident Heinz Fischer ablösen. Der Systemingenieur Hofer ist bereits Dritter Präsident des österreichischen Parlaments.

In Österreich wird die politische Auseinandersetzung mittlerweile auch auf dem Tanzparkett ausgetragen. Die Stadt Wien hat sozusagen als inoffizielle Gegenveranstaltung im vergangenen Jahr den Ball der Wissenschaften ins Leben gerufen, der am kommenden Samstag, einen Tag nach dem Akademikerball, im labyrinthartigen Wiener Rathaus stattfinden wird, der von Wiens langjährigen Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) eröffnet wird. Der Ball mit vielen internationalen Gästen versteht sich als Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und für Weltoffenheit.


Der FPÖ ist der Protest gegen ihren Ball nicht unrecht

„Die Freiheit, zu (er)forschen und neue Erkenntnisse zu präsentieren, der Mut, auch einmal quer zu denken und neue Sichtweisen aufzuzeigen, und die Offenheit, diese freundlich aber kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren. Nehmen wir uns in der Gesellschaft ein Beispiel daran“, sagt Dagmar Schratter, Direktorin des Tiergartens Schönbrunn, zum ausverkauften Ball der Wissenschaften.

Der Akademikerball, der seit drei Jahren von FPÖ veranstaltet wird, wurde früher von deutsch-nationalen Burschenschaften des Wiener Korporationsringes getragen. Er hat seit jeher ein rechtsnationales Publikum angezogen. In diesem Jahr werden in der Hofburg rund 1.000 Gäste erwartet. Sie stehen 10.000 Demonstranten gegenüber. So viele sollen laut Veranstalter am späten Freitagnachmittag im Zentrums Wien auf die Straße gehen. Der FPÖ ist der Protest gegen ihren Ball nicht unrecht.

„Man kann sagen, dass gerade die Proteste gegen den Akademikerball und deren gewalttätige Ausformung bei aufrechten Demokraten das Bewusstsein wieder geweckt haben, dass es wichtig ist, Freiheitsrechte wie Versammlungsrechte zu wahren – und somit den Ball zu unterstützen“, erklärte Ballorganisator und FPÖ-Landtagsabgeordneter Udo Guggenbichler im Vorfeld. Die Sicherheit der Ballgäste sei gewährleistet.

Die meisten Wiener bleiben wegen der befürchteten Krawalle lieber zuhause oder umgehen die Hofburg weiträumig. Eine Hoffnung gibt es: Im vergangenen Jahr blieb die Gewaltorgie überraschend aus. Es gab ein paar Auseinandersetzungen und Rangeleien, bei denen Feuerwerkskörper flogen und die zur Festnahme von 56 Demonstranten führten. Zehn Polizisten und Anti-FPÖ-Aktivisten wurden verletzt. Eine Reihe von linken Demonstranten aus Deutschland war bereits außerhalb Wiens abgefangen und wieder zurück geschickt worden.

In welchem Umfang in diesem Jahr antifaschistische und linke Gruppen aus Deutschland wieder nach Wien reisen werden, ist unklar. Eine Reihe von Geschäften im Zentrum will auf alle Fälle am Freitagabend aus Angst vor Vandalismus schließen. Die österreichische Wirtschaftskammer bietet Unternehmern über eine Art Soforthilfe bereits Sicherheitspersonal an, um Läden vor Plünderungen zu schützen und Handwerker, um zerstörte Fenster schnell ersetzen zu können.

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