
Barack Obama ist in Bestform – leidenschaftlich, energiegeladen und so voller Tatendrang, dass der Nation am Ende dieser Rede zur Lage der Nation wohl der Kopf schwirrt.
Kein Thema lässt der US-Präsident bei seiner ersten Rede an die Nation in seiner zweiten Amtszeit an diesem Abend aus: Klimawandel und Menschenrechte, Steuer- und Einwanderungsreform, höhere Mindestlöhne für amerikanische Arbeiter, ein Freihandelsabkommen mit Europa, neue Waffengesetze um Tragödien wie die des Schulmassakers in Newton zu verhindern, eine bessere Ausbildung für junge Amerikaner – „let’s get it done“, lasst es uns tun, wiederholt Obama immer wieder.
Obamas zweiter Lieblingssatz an diesem Abend: „Let’s fix it“, lasst es uns in Ordnung bringen. Tatsächlich steht seine Rede an diesem Abend unter dem großen Motto „hier gibt’s ziemlich viel in Ordnung zu bringen“ – und damit immerhin kann ihm jeder nur Recht geben, auch die Republikaner.
Lage der USA
Die USA haben Schulden in Höhe von 17,557 Billionen US-Dollar (Stand: 1. Juli 2014). Bis zum Ende des Jahres sollen die Schulden auf 18,52 Billionen Dollar steigen. Das wären 105,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Das Haushaltsdefizit soll in diesem Jahr bei 6,4 Prozent liegen. Ende 2013 stand ein Minus von 7,3 Prozent zu Buche.
Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2014 bei 6,3 Prozent. Seit Jahresbeginn hat sich die Zahl damit nur um 0,3 Prozent verbessert.
Der Streit um die Haushaltskürzungen
Nur noch 14 Tage bleiben dem US-Präsidenten Zeit, dann steht erst einmal die nächste Regierungskrise in Washington an. Am 1. März werden die automatischen milliardenschweren Haushaltskürzungen fällig, die in letzter Minute Anfang Januar dieses Jahres vom Kongress um zwei Monate verschoben worden sind. Einigen sich Demokraten und Republikaner wieder nicht auf moderatere Kürzungen, wird automatisch drastisch im Verteidigungshaushalt sowie bei Bildung- und anderen Sozialprogrammen gekürzt.
Eine Lösung zwischen beiden Parteien ist immer noch nicht in Sicht – und auch Obama präsentiert an diesem Abend keine neue Lösung. Klar geht er auf die Haushaltskrise ein und wiederholt doch nur alt bekanntes: „Jeder muss einen fairen Beitrag leisten“, forderte Obama zum zigsten Male. Zum zigsten Male fordert er auch einen ausgewogenen Abbau der Staatsverschuldung. Neben Ausgabenkürzungen müssten auch die Einnahmen des Staates erhöht werden, sprich in erster Linie Steuern erhöht und Steuerschlupflöcher geschlossen werden.
Für wen sich die USA außenpolitisch interessieren
In der dritten TV-Debatte zwischen US-Präsident Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney sprachen die Kontrahenten über außenpolitische Themen. Das renommierte Außenpolitikmagazin „Foreign Policy“ hat gezählt: Wie oft kamen einzelne Länder in der Präsidentschaftsdebatte vor?
Wie groß ist die atomare Bedrohung durch den Iran? Soll man das Regime mit Sanktionen unter Druck setzen – oder müssen auch militärische Optionen auf den Tisch. In der Debatte fiel das Wort Iran gleich 47 Mal.
Präsident Barack Obama hat Strafzölle auf chinesische Solarzellen festgelegt. Die Strafabgaben bewegen sich zwischen 18,32 und 249,96 Prozent. Damit solle die ungerechte Preisgestaltung bekämpft werden. Mitt Romney begrüßt diesen Schritt – forderte aber, noch mehr Druck auf China auszuüben und für den Freihandel zu kämpfen. In der Präsidenten-Debatte am 22. Oktober wurde China 35 Mal genannt.
Barack Obama will die Truppen bis 2014 heimholen. Ohne Diskussionen. Mitt Romney hingegen will zunächst mit den Kommandeuren vor Ort sprechen, auch er hält die Abzugspläne aber für richtig. Große Unterschiede gibt es also nicht. Trotzdem wurde Afghanistan gleich 29 Mal genannt.
Transatlantiker werden an der TV-Debatte keinen Spaß gehabt haben. Das Wort Europa blieb in der Diskussion außen vor und wurde nicht ein einziges Mal genannt. Griechenland hingegen konnte sich über zwei Erwähnungen „freuen“. Wenn Amerika so weitermache, erklärte Romney, werde es enden wie der europäische Pleitestaat.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind von Pragmatismus geprägt. Beide Seiten können miteinander, haben jedoch andere Sorgen. Die USA orientieren sich weg von Europa (und Deutschland) hin in den asiatischen Raum. Deutschland ist mit seinen Kräften im Kampf gegen die Schuldenkrise gebunden. Deutschland wurde in der Präsidentendebatte nicht ein einziges Mal genannt. Frankreich wurde zumindest ein Mal erwähnt, Großbritannien zwei Mal.
Obama weiß genau, dass er mit der Forderung einer Steuererhöhung bei den Republikanern die absolut rote Linie überschreitet. So kommt er einem Kompromiss einfach nicht näher. Trotzdem rief er wieder gebetsmühlenartig beide Parteien eindringlich auf, sich auf einen „vernünftigen Kompromiss“ zu einigen. „Die Amerikaner erwarten nicht von uns, dass wir jedes Problem lösen. Aber sie erwarten von uns, das Interesse der Nation vor der Partei zu stellen“, sagte Obama. Auch das sind bisher nichts als Worthülsen – auf beiden Seiten.