Reform des Dublin-Systems Neuer Vorschlag zur Flüchtlingsverteilung in der EU

Um eine Reform des „Dublin-Systems“ für ankommende Flüchtlinge gibt es seit Jahren Streit in der EU. Nun gibt es einen neuen Kompromissvorschlag. Fraglich ist allerdings, ob ihn auch Länder wie Ungarn akzeptieren.

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Über den See- und Landweg gelangen Flüchtlinge in die Europäische Union. Um sie besser auf die EU-Mitgliedstaaten zu verteilen, gibt es jetzt einen neuen Vorschlag aus Estland. Quelle: dpa

Brüssel Im innereuropäischen Streit über eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen gibt es einen neuen Kompromissvorschlag der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft. Wie aus dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Papier hervorgeht, könnten Länder wie Ungarn und die Slowakei in Zukunft auf Basis eines festen Systems gezwungen werden, gegen ihren Willen schutzbedürftige Menschen aufzunehmen. Dem Vorschlag zufolge soll dies dann möglich sein, wenn ein anderes Land deutlich mehr belastet ist, als es dies bei einer fairen EU-weiten Umverteilung von Asylsuchenden wäre.

Damit das Verfahren funktionieren kann, würde die EU-Kommission unter Berücksichtigung von Faktoren wie der Bevölkerungsgröße und der Wirtschaftskraft festlegen, wie viele Asylsuchende ein EU-Staat bei einer gerechten Verteilung aufnehmen müsste. Dann würde regelmäßig ermittelt, wie die reale Verteilung aussieht.

Sobald ein Land 50 Prozent über seinem „fairen Anteil“ liegt und freiwillige Hilfen nicht ausreichen, könnte die EU-Kommission eine Umverteilung von Asylsuchenden anordnen. Eine solche Anordnung könnte nur über einen Beschluss des EU-Ministerrates doch noch verhindert werden. Hilfe für nicht ganz so stark betroffene Länder soll nach dem Vorschlag der estnischen Ratspräsidentschaft ausschließlich auf freiwilliger Basis organisiert werden.

Das neue System würde eine weitreichende Abkehr von der bislang gültigen Dublin-Verordnung darstellen. Diese sieht vor, dass grundsätzlich jenes Land für das Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Schutzsuchender das erste Mal einen Asylantrag gestellt hat oder in dem er nachweislich EU-Boden betreten hat.

In der jüngsten Flüchtlingskrise hat sich die Dublin-Verordnung allerdings als nicht praktikabel erwiesen, weil Länder wie Griechenland den Massenzustrom nicht stemmen konnten und Migranten weiter in andere EU-Länder wie Deutschland reisen konnten.

Das mitteleuropäische EU-Staaten wie Ungarn und die Slowakei dem Reformvorschlag zustimmen könnten, gilt angesichts ihres Widerstandes gegen jeglichen Zwang bei einer Aufnahme von Flüchtlingen als äußert unwahrscheinlich. Letztlich könnte er aber auch mit einer qualifizierten Mehrheit der EU-Staaten angenommen werden.

Auf hoher politischer Ebene wird vermutlich zum ersten Mal bei einem EU-Innenministertreffen Ende der kommenden Woche über das Papier gesprochen. Bis Mitte nächsten Jahres soll eigentlich klar sein, wie künftig die Verteilung von Asylsuchenden in der EU organisiert wird.

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