Reform des EU-Urheberrechts Zentausende fordern Streichung des Artikels 13

Zehntausende gehen gegen die Reform des Urheberrechts auf die Straße, das EU-Parlament entscheidet am Dienstag darüber. Einige Abgeordnete sehen die Mehrheit bereits auf der Kippe.

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Gegner der Reform und vor allem des umstrittenen Artikels 13 hatten Demonstrationen in rund 20 Ländern angekündigt. Quelle: dpa

Berlin Aus Protest gegen die geplante Reform des EU-Urheberrechts sind in Deutschland Zehntausende vorwiegend junge Menschen auf die Straße gegangen. Drei Tage vor der entscheidenden Abstimmung im Europaparlament verlangten sie vor allem die Streichung des Artikels 13. Danach sollen Plattformen wie YouTube künftig schon beim Hochladen prüfen, ob Inhalte urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Kritiker befürchten, dass dies nur über automatisierte Filter möglich ist, was einer Zensur gleichkommen könnte.

Dagegen gab es am Samstag europaweit Proteste in zahlreichen Ländern - und die mit Abstand größten in Deutschland. Allein in München gingen nach Angaben der Polizei rund 40 000 Menschen unter dem Motto „Rette Dein Internet“ auf die Straße, die Veranstalter sprachen von mehr als 50 000. „Macht unser Internet nicht kaputt“ und „Das Internet bleibt wie es ist“, hieß es auf den Plakaten.

In Berlin zogen die Demonstranten an der deutschen Wikipedia-Zentrale vorbei zum Brandenburger Tor, skandierten „Stoppt die Zensur“ und schwenkten Transparente. Die Polizei sprach von mehr als 10 000 Teilnehmern, die Veranstalter von 30 000. Auch in Köln, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, Leipzig und anderen Städten waren Tausende auf den Beinen. Insgesamt waren Proteste in rund 40 deutschen Städten angekündigt, zu denen die Kampagne „Save your Internet“ aufgerufen.

Am Dienstag soll das Europaparlament über die Copyright-Reform abstimmen. Sie soll das veraltete Urheberrecht in der EU an das Internet-Zeitalter anpassen. Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Februar auf einen Kompromiss verständigt. Er sieht unter anderem ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage sowie - in Artikel 13, der in der aktuellen Version des Gesetzestextes nun der Artikel 17 ist - deutlich mehr Pflichten zum Urheberrechtsschutz für Plattformen wie YouTube vor.

Kritiker fürchten, dass Plattformen wie YouTube den Vorgaben nur nachkommen können, wenn sie Uploadfilter einsetzen, mit denen sie beim Hochladen prüfen können, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind. Dies führe zu Zensur, weil die Filter auch legale Inhalte wie Zitate, Parodien oder Satire blockten.

Befürworter der Reform halten diese Sorgen für unbegründet. Der CDU-Europapolitiker Axel Voss, der den Kompromiss für das Parlament federführend mit den EU-Staaten ausgehandelt hatte, bekräftigte, es sei letztlich Aufgabe der Unternehmen, wie sie die Vorgabe umsetzten. „Hier geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen der großen Plattformen, die dem einzelnen Bürger vermitteln, die Freiheit des Internets sei in Gefahr“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Das stimmt jedoch nicht. Dem Einzelnen wird nichts genommen.“

Unterstützung bekamen die Demonstranten hingegen von SPD: Ein Europakonvent der Partei beschloss in Berlin, sich gegen die umstrittenen Filter zu stemmen. Die Delegierten plädierten bei einer Gegenstimme dafür, Anträge der SPD-Gruppe im Europaparlament zu unterstützen, die auf eine Verhinderung von Uploadfiltern zielen. Die SPD stehe zwar an der Seite der Urheber, Kreativen und Künstler, doch setze man sich auch für die Freiheitsrechte in digitaler Zeit ein. Statt Videos und Musik herauszufiltern, sollten sie gemäß des Urheberrechts bezahlt werden.

In der SPD geht man davon aus, dass die eigenen Abgeordneten bei der Abstimmung am Dienstag geschlossen Nein zu Artikel 13 sagen. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, rief die Union dazu auf, diesem Weg zu folgen: „Wir halten Uploadfilter für den falschen Weg.“ Deutschland hatte der Reform auf europäischer Ebene mit Einverständnis von Justizministerin Barley zugestimmt. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte in diesem Zusammenhang auf die Kabinettsdisziplin verwiesen.

Die Grünen halten neue Verhandlungen für einen möglichen Ausweg. Urheber müssten an der Wertschöpfung ihrer Werke in der digitalen Welt angemessen beteiligt werden, aber dabei dürften keine Hürden für freien Meinungsaustausch und Informationsfluss entstehen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur.

Der FDP-Politiker Jimmy Schulz warnte: „Uploadfilter wären der Grundstein für eine europaweite Zensurinfrastruktur und würden die Meinungsfreiheit einschränken.“ Linken-Chef Bernd Riexinger twitterte: „Die geplanten Uploadfilter nützen nur den Großkonzernen. Ohne massiven Druck vieler Menschen wird diese Bundesregierung an ihrer Zustimmung gar nichts ändern.“

Rund 260 Verlage, Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Rundfunk-Anbieter, Produktionsfirmen und Medienschaffende, darunter auch die Deutsche Presse-Agentur, hatten dagegen zur Unterstützung der Reform aufgerufen. Sie fordern „eine faire Beteiligung am Geschäft mit den Inhalten, um damit ein reichhaltiges und vielfältiges Internet zu sichern, in dem Information und Kultur ihren festen Platz haben“.

Der CDU-Abgeordnete Elmar Brok sieht die Mehrheit auf der Kippe. „Ich habe die Sorge, dass das am Dienstag schief geht“, sagte Brok am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Im Falle einer Ablehnung wäre diese Reform nach Broks Einschätzung tot. Vor der Europawahl im Mai gäbe es keine Möglichkeit der Nachbesserung und danach müsste man von vorne anfangen, sagte er.

Brok beklagte eine massive und von Algorithmen gesteuerte Kampagne der großen Internetkonzerne gegen das Vorhaben. Er habe in den vergangenen Tagen Tausende gleichlautende Briefe und Emails erhalten, die sämtliche Postfächer verstopften. „Die haben die Leute kirre gemacht, bis in die Junge Union hinein“, sagte Brok und fügte hinzu: „Das ist kein normaler demokratischer Prozess mehr.“

Die Furcht der Reform-Kritiker vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet wies Brok zurück. Selbst wenn bei der Nutzung von Filterprogrammen „mal eine Satire hängenbleibt“, gebe es die Möglichkeit eines Beschwerdeverfahrens. „Wo liegt die Gefahr? Ich sehe keine“, sagte Brok.

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