Regierung will ökologische Ader zeigen Brasilien gibt Mega-Staudammprojekt auf

Brasilien stoppt ein geplantes Kraftwerk im Amazonas. Ein Sinneswandel in der Regierung? Keineswegs. Der neue Präsident will pünktlich zu den Olympischen Spielen als Umweltschützer punkten. Zudem ist der Staat pleite.

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Der Staudamm am Tapajos-Fluss im Amazonasgebiet wird nicht gebaut. Quelle: dpa

São Paulo Das Timing ist perfekt: Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele zeigt sich Brasiliens Regierung von ihrer ökologischen Seite. Das geplante Staudammprojekt São Luiz do Tapajós im Amazonas wird abgeblasen. Die Umweltbehörde Ibama hat die Lizenz zur Ausschreibung des Projektes nicht erteilt. Damit ist das 8 Gigawatt-Projekt gestorben, für das der staatliche Stromerzeuger Eletrobas seit 2009 die Genehmigung bekommen wollte.

Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace und die vom Projekt betroffenen indigene Bevölkerung ist das ein wichtiger Sieg: Seit Jahren versuchen sie das größte geplante Staudammprojekt am Amazonaszufluss Tapajós zu verhindern. Bei dem noch im Bau befindlichen Kraftwerksprojekt Belo Monte dagegen, welches 2019 ans Netz gehen soll, ist ihnen das nicht gelungen.

Es ist vor allem dem Regierungswechsel nach dem Impeachment-Verfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff zu verdanken, dass das Megaprojekt nun gescheitert ist. Denn für die abgesetzte Präsidentin war das Kraftwerk mit dem Stausee von der Größe Hamburgs mitten im Amazonas immer eine Herzensangelegenheit: Sie wollte nach Belo Monte und dem jetzt abgeblasenen Tapajós-Projekt gleich noch einen Megastaudamm Fluss bauen.

Für den nachgerückten, aber noch nicht im Amt bestätigten Präsidenten Michel Temer ist das nun abgeblasene Projekt eine passende Gelegenheit, Stimmen bei Menschrechts- und Umweltaktivisten zu sammeln. Denn bei denen ist der konservative Politiker besonders unbeliebt.

Aber auch sonst kann der 75-jährige Berufspolitiker ein paar Pluspunkte in der öffentlichen Meinung gebrauchen: Für die endgültige Impeachment-Abstimmung im Senat braucht er jede Stimme. So ließ er seinen Umweltminister sicherheitshalber schon vor der Entscheidung der Umweltbehörde verkünden, dass der Tapajós-Damm „völlig überflüssig“ sei. „Wir können die Energieversorgung problemlos mit Windenergie, Biomasse- oder kleinen Wasserkraftwerken herstellen“, erklärte Minister José Sarney Filho.

Noch vor kurzem hätte der Stopp eines Mega-Bauprojektes mit einem Etat von umgerechnet etwa neun Milliarden Euro den Protest der politisch einflussreichen Energie- und Baulobby provoziert. Doch nun regt sich kaum Widerstand. Der Grund: Die Baukonzerne stecken alle tief im Korruptionssumpf um den Staatskonzern Petrobras und sind mit dem Überleben beschäftigt. Zudem ist der Staat pleite. Sowohl die Entwicklungsbank BNDES wie auch die staatlichen Stromkonzerne unter der Holding Eletrobras werden die nächsten Jahre kein Geld aus dem Staatsbudget für Megaprojekte bekommen.

Auch für die Umweltschützer ist das Ende des Staudammprojektes ein hoch willkommener Sieg: Unter der Präsidentin Rousseff haben sie in den letzten Jahren kaum noch Gesetze beeinflussen können. Mit ihrem Demonstrationen gegen das Projekt ist Greenpeace etwas über das Ziel hinausgeschossen. Letzte Woche demonstrierten sie vor den Toren der brasilianischen Tochter von Siemens gegen dessen Beteiligung am Staudammprojekt – etwas verfrüht, Siemens hatte nichts mit dem Projekt zu tun. In München heißt es lapidar: „Das Projekt war nie ausgeschrieben und es konnte somit gar nicht zu einer Lieferantenauswahl kommen.“

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