Regierungsbildung gescheitert Keine Mehrheit für Gantz: Israel steht kurz vor dritter Wahl in einem Jahr

Nach Amtsinhaber Netanjahu ist auch Herausforderer Gantz mit der Koalitionsbildung gescheitert. Eine Annäherung der beiden Blöcke ist nicht in Sicht.

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Auch Oppositionsführer Benny Gantz ist nach der Wahl mit der Bildung einer stabilen Regierung gescheitert. Quelle: dpa

Israel steht vor einer dramatischen innenpolitischen Woche. Am Mittwoch läuft das Mandat für Ex-Militärchef Benny Gantz vom oppositionellen Mitte-Bündnis zur Regierungsbildung aus. Sollte der Vorsitzende von Blau-Weiß scheitern, würde die Wahrscheinlichkeit einer dritten Parlamentswahl innerhalb eines Jahres deutlich steigen. Gantz hat betont, er wolle eine weitere Wahl mit allen Mitteln verhindern.

Bevor Gantz das Mandat erhielt, war der rechtskonservative Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr beim Versuch gescheitert, eine Koalition zu schmieden. Netanjahu war seit 2009 durchgängig im Amt.

Bemühungen um die Bildung einer großen Koalition von Blau-Weiß und Likud haben bislang auch nicht gefruchtet. Netanjahu bestand darauf, mit einem ganzen Block rechter und religiöser Parteien in das Bündnis einzutreten. Gantz hat sich jedoch zur Bildung einer liberalen, säkularen Koalition verpflichtet und lehnte auch ein Bündnis mit Netanjahu als Regierungschef ab, weil diesem Anklagen in drei Korruptionsfällen drohen.

Als weitere Option wird nun die Bildung einer Minderheitsregierung gehandelt: Blau-Weiß mit linksliberalen Fraktionen und der Unterstützung der Vereinigten Arabischen Liste von außen. Netanjahu schlug angesichts dieser Möglichkeit Alarm. Ein Bündnis mit den arabischen Parteien sei gefährlich, warnte er.

Netanjahu warf arabischen Abgeordneten vor, sie unterstützten die militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad. Die arabische Minderheit in Israel, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht, wird von rechten Politikern häufig als heimlicher Feind des jüdischen Staates von innen dargestellt.

Sollte Gantz scheitern, könnte noch drei Wochen lang jeder Abgeordnete 61 Parlamentskollegen für eine Koalition suchen. Scheitert auch dies, stünde Israel eine dritte Parlamentswahl innerhalb eines Jahres bevor.

Die Regierungsbildung gestaltet sich aktuell so schwierig, weil weder das rechts-religiöse noch das Mitte-Links-Lager über eine Mehrheit verfügt. Avigdor Lieberman von der ultrarechten Partei Israel Beitenu gilt als Königsmacher. Er macht sich für eine große Koalition von Netanjahus Likud und Blau-Weiß stark. Gantz wäre für eine Minderheitsregierung aber auch auf seine Unterstützung angewiesen.

Blau-Weiß war zwar mit 33 von 120 Mandaten als stärkste Kraft aus der Wahl am 17. September hervorgegangen. Der Likud kam auf 32 Mandate. Netanjahu erhielt allerdings 55 Empfehlungen von Abgeordneten für das Amt des Ministerpräsidenten, Gantz eine Stimme weniger.

Allerdings würde nach einer aktuellen Umfrage eine erneute Wahl letztlich fast das gleiche Ergebnis bringen. Wie die Gratiszeitung „Israel Hajom“, die als regierungsnah gilt, am Freitag berichtete, würde Blau-Weiß erneut auf 33 Mandate kommen. Der Likud würde um ein Mandat absinken auf 31, die Arabische Liste würde erneut 13 Sitze erhalten und Israel Beitenu mit 9 einen Sitz mehr erhalten.

Unklar war zunächst, wie mögliche Anklagen in drei Korruptionsfällen die politische Zukunft von Netanjahu beeinflussen könnte. Es geht um Vorwürfe von Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. Eine Entscheidung des Generalstaatsanwaltes wird bis spätestens Ende des Jahres erwartet, könnte laut Medienberichten aber schon in den kommenden Tagen erfolgen.

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