Regierungschefin Serbiens designierte Premierministerin spaltet das Land

Wegen ihrer Homosexualität ist die designierte Regierungschefin in dem Balkanland umstritten. Trotz klarer Mehrheitsverhältnisse wird ihre Wahl zum Drahtseilakt. Die frühere Energiemanagerin soll vor allem eines tun.

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Die neue serbische Premierministerin polarisiert das Land. Quelle: Reuters

Wien Für Serbiens Präsident Aleksandar Vucic zählt vor allem uneingeschränkte Loyalität. Nach seinem Wechsel als Ministerpräsident zum Staatspräsidenten im April dachte der Chef der nationalpopulistischen Partei SNS viele Wochen über seine Nachfolge nach. Seine Wahl fiel auf die Ministerin für Öffentliche Verwaltung, Ana Brnabic. Die parteilose Politikerin stellt nicht nur für Teile seiner Partei und der Koalition eine Provokation da, sondern auch für die einflussreiche orthodoxe Kirche. Denn Brnabic ist bekennende Lesbe. In der kommende Woche soll die 41-Jährige als erste Frau in der Geschichte des Balkanlandes zur Regierungschefin gewählt werden.

Ihre Wahl wird trotz eindeutiger Mehrheitsverhältnisse im Belgrader Parlament ein politischer Drahtseilakt. Dragan "Palma" Markovic, Chef der kleinen Koalitionspartei JS, sagte bereits, dass Ana Brnabic "nicht seine Premierministerin" sei. Der als Homosexuellen-Feind geltende Politiker kündigt an, dass er und andere Abgeordnete des Regierungsbündnis nicht für die frühere Managerin stimmen werden. Brnabic gab sich auf die Ankündigung am Wochenende gelassen. Das sei das Recht jedes Abgeordneten sagte, die Vucic-Vertraute.

Für Vucic ist die Bestellung von Brnabic als Nachfolgerin ein geschickter Schachzug. Denn dadurch lenkt der starke Mann in Serbien von sich selbst ab. Sein umstrittener Wahlsieg als Staatspräsident war begleitet von Massenprotesten. Seine Kritiker werfen dem ehemaligen Propagandaminister des Kriegsverbrechers Slobodan Milosevic vor, eine illiberale Demokratie errichten zu wollen. Mit der loyalen Brnabic kann er weiter auf die Regierungsarbeit großen Einfluss nehmen. Denn die Belgraderin, die fließend Englisch und Russisch spricht und an der britischen Universität von Hull einen MBA erwarb, besitzt keine politische Hausmacht.

Die frühere Managerin der amerikanischen Windkraftfirma Continental Wind muss sich vor allem um die Wirtschaft des EU-Beitrittskandidaten kümmern. Korruption, Bürokratie und Rechtsunsicherheit schrecken ausländische Investoren ab. Der Arzneimittelhersteller Stada, der Elektrokonzern Siemens, aber auch der Strumpfhersteller Falke zählen zu wichtigen Auslandsinvestoren in Serbien. Brnabic muss dringend mehr Firmen aus dem Ausland nach Serbien locken. In diesem Jahr erwartet das Balkanland ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,3 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es bereits 2,6 Prozent. Die größte soziale Herausforderung, die hohe Arbeitslosigkeit, hat die serbische Regierung bislang noch nicht meistern können. In Belgrad bezweifeln Wirtschaftsexperten die offiziellen Zahlen von unter 20 Prozent Arbeitslosigkeit. Tatsächlich würde die Erwerbslosigkeit höher liegen, als die Statistik behaupte, sagt ein ausländischer Wirtschaftsvertreter.

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