Regierungskonsultationen China setzt im Konflikt mit Trump auf Deutschland

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang letztes Jahr in Berlin. Quelle: imago images

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang ist in Berlin zu Besuch. Peking umwirbt Berlin im Kampf gegen die amerikanischen Zölle. Doch China ist kein verlässlicher Partner.

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Mehrere Abkommen, große Reformversprechen und ein Milliardendeal für Thüringen: Li Keqiang startet am Montag mit einer Charmeoffensive in die Regierungskonsultationen in Berlin. Nur sechs Wochen nach der Reise von Angela Merkel nach Peking kommt Li zum Gegenbesuch.

Während der Handelskonflikt mit den USA eskaliert, geht es bei den deutsch-chinesischen Gesprächen um eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit, eine intensivere Kooperation im Bereich des autonomen Fahrens sowie das Thema Internetsicherheit. Außerdem unterzeichnet der CEO des chinesischen Batteriehersteller CATL im Beisein von Angela Merkel ein Abkommen mit dem Thüringer Wirtschaftsministerium über eine Batteriefabrik in dem Bundesland.

Doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen: Die von chinesischer Seite als Freundschaft beschworene Partnerschaft zwischen China und Deutschland ist nur eines: Mittel zum Zweck. Die in diesen Tagen scharf kritisierten Amerikaner, die mit Trump an der Spitze mit den Strafzöllen die Weltwirtschaft ins Wanken bringen, haben das früh verstanden. Mit den Sonderzöllen stemmt sich Washington gegen den systematischen Technologietransfer und den mangelnden Marktzugang im Land. Der amerikanische Prüfungsausschuss CFIUS verweigert regelmäßig Übernahmen von amerikanischen Firmen durch chinesische Investoren. Nur in Europa zeigt man sich trotz systematischer Übernahmen und den Gängelungen der eigenen Unternehmen in China weiterhin offen. Auch deshalb wirbt Li um die Deutschen.

Um die Kritiker von Chinas aggressiver Industriepolitik zu beschwichtigen, hat die chinesische Regierung im Juni sogar verboten, über die Made in China 2025-Initative zu sprechen. Ist der chinesische Masterplan erstmal kein Thema mehr, wird der Westen auch keine Angst mehr haben. So zumindest Pekings Absicht. Aber auch wenn die Initiative nun Tabuthema ist: Chinas Industriepolitik ist klar formuliert. Um zu einer der führenden Industrienationen aufzusteigen, investiert es in Zukunftsindustrien wie die Luftfahrt, die Bio- und Pharmaindustrie, den Maschinenbau sowie die Automobilwirtschaft. Wo chinesische Firmen gegenüber der Konkurrenz aufgeholt haben, werden ausländischen Hersteller kaum noch Chancen auf einen fairen Wettbewerb eingeräumt. Jüngstes Beispiel: die Plattform für den neuen Hochgeschwindigkeitszug Fuxing des chinesischen Zugbauers CRRC. Die meisten deutschen Zulieferer sind entweder ganz ausgeschlossen von dem Projekt, weil die chinesische Konkurrenz ihre Produkte bereits kopiert haben, oder sie müssen für das Geschäft ein Joint-Venture eingehen, in dem sie nur die Minderheit halten dürfen.

Es stimmt, zumindest nach außen hin hat sich China zuletzt sehr bemüht gegeben, seine Reformversprechen umzusetzen. Im Bereich der Automobilindustrie hat es ein Ende der Joint-Venture-Pflicht versprochen. Die so genannte Negativliste, die regelt, in welchen Bereichen ausländische Firmen investieren dürfen, ist deutlich gekürzt worden. Doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass China sich nur in den Bereichen öffnet, wo es wirtschaftlich bereits konkurrenzfähig ist. Die jüngsten Reformen der Regierung kommen nicht nur zu spät, sie sind auch unzureichend, erläutert Carlo D’Andrea, Chef der Europäischen Handelskammer in Shanghai, jüngst in einem Interview mit der WirtschaftsWoche. Reformen wie die Öffnung des Bankwesens oder das versprochene Ende der Joint-Venture-Pflicht in der Automobilindustrie hätte es vor 30 Jahren gebraucht. „Heute sind diese Branchen nicht mehr auf den industriepolitischen Schutz angewiesen.“

Thema Internetsicherheitsgesetz

Wo wirkliche Reformen nötig wären, zeigt sich China sehr viel weniger kompromissbereit. Eines der drängendsten Beispiele ist das Internetsicherheitsgesetz. Das Gesetz zwingt ausländische Firmen unter anderem dazu, ihre in China erzeugten Daten auch dort auf Servern zu speichern. Eigentlich nicht ungewöhnlich, in der EU gelten vergleichbare Gesetze. Doch in China zielt das Gesetz darauf ab, jederzeit auf alle Daten von ausländischen Herstellern zugreifen zu können.

In der heutigen Unternehmenswelt sind nicht nur Computer vernetzt. Maschinen in Fabriken etwa senden permanent Daten an die Hersteller der Maschinen. Die können daraus zum Beispiel ableiten, wann sie gewartet werden müssen oder wie sie sonst verbessert werden könnten. Das Gesetz ist die Hintertür in jedes Unternehmen, und selbst wenn ihre eigenen Daten gar nicht so sensibel sind, so könnten es die ihrer Unternehmenskunden durchaus sein. Verschlüsselt werden darf zudem nur noch mit staatlich-lizenzierten Herstellern, die ihre Schlüssel dem Staat vorlegen müssen. Seit Monaten pocht die deutsche Seite erfolglos auf Gespräche mit der chinesischen Regierung über das neue Gesetz.

Wie weit die Chinesen gehen, um ihre eigene Agenda zu verfolgen, zeigt sich bei einer neuen Idee aus Peking: Die chinesische Seidenstraße, das Investitionsprogramm mit dem Peking Infrastrukturprojekte im Ausland finanziert, könnte auch eine Lösung für die Flüchtlingskrise in Deutschland sein, wie es aus dem Außenministerium heißt. Es wäre keine Überraschung, wenn das auch eine größere Rolle bei den Gesprächen in Berlin spielt. China versucht seit Monaten, die Deutschen von der Initiative zu überzeugen. Im Mai 2017 hatte Peking knapp 100 Staaten in die Hauptstadt eingeladen, um eine gemeinsame Absichtserklärung zu unterschreiben. Die EU-Staaten waren vorzeitig abgereist, weil Peking keine Änderungen an dem Dokument akzeptierte. Darunter das Bekenntnis zu Transparenz, Nachhaltigkeit und dem Einhalten sozialer Standards bei den Projekten. Zudem lässt Peking die Projekte nicht ausschreiben, sondern schanzt seinen eigenen Unternehmen die Aufträge zu. Die damalige Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries kritisierte die Initiative als eine „Einbahnstraße“.

Chinas Bemühen um Deutschland ist auch deshalb so groß, weil dem Land mit den USA möglicherweise ein längerfristiger Konflikt droht. Nachdem am Freitag die Sonderzölle der USA auf Importe aus China in Kraft traten, reagierte Peking prompt mit Gegenmaßnahmen. Als Vergeltung für das Inkrafttreten der Sonderzölle im Wert von 34 Milliarden Dollar will Peking Gegenmaßnahmen in ähnlichem Umfang erlassen. Diese Runde könnte zunächst nur das Vorspiel sein. Mitte Juli hatte Trump über Sonderabgaben im Wert von weiteren 16 Milliarden US-Dollar entschieden, die Anfang August in Kraft treten könnten. „Beide Seiten befinden sich derzeit in einem Konflikt, der die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnte“, warnt Nick Marro, Analyst bei der Economist Intelligence Unit in Hongkong. Wenn die USA ihre Drohungen über Zölle mit weiteren 500 Milliarden Dollar gegen chinesische Güter wahrmachen, würde das den Gesamtbetrag der chinesischen Exporte in die USA im Jahr 2017 sogar übertreffen. Das sei zwar wenig realistisch. Aber die amerikanische Haltung deute darauf hin, dass der Konflikt sich deutlich länger hinziehen könnte, als von vielen Seiten gehofft.

Die USA exportierten 2017 für 130 Milliarden US-Dollar Waren nach China, während China für 500 Milliarden US-Dollar Waren in die USA lieferte. Sollte der Streit weiter eskalieren, könnte er auch nicht mehr nur auf den Außenhandel begrenzt bleiben. Peking könnte auch in China tätigen US-Unternehmen das Leben schwermachen. Wie schon in Streitigkeiten mit Japan und Südkorea könnten Chinas Behörden die Unternehmen durch Feuerschutz, Hygiene, Arbeitssicherheit oder Zollabfertigung drangsalieren. Viele Unternehmen wie die amerikanischen Autobauer, Starbucks, Apple oder McDonalds könnten betroffen sein. „Es ist unvermeidlich, dass die chinesischen Behörden den Regulierungsdruck auf amerikanische Unternehmen in China erhöhen werden“, so Analyst Marro. „Das ist im Moment der verletzlichste Punkt für die USA.“

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