Regierungskonsultationen Spannungen überschatten Merkels Gespräche mit China

Die Beziehungen zwischen Deutschland und China sind so angespannt wie lange nicht: Streit über Sanktionen, Uiguren und Hongkong, aber auch die Sorgen der deutschen Wirtschaft wachsen.

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Die Bundesregierung will konkrete Fortschritte bei den Themen Umwelt, Klima und Wirtschaftsbeziehungen erzielen. Quelle: Reuters

Trotz der Differenzen mit China sucht Deutschland im Dialog nach Gemeinsamkeiten mit Peking. Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen bemühte sich Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch, mit Chinas Premier Li Keqiang das schwierige Verhältnis voranzubringen.

Es ist die sechste Auflage der seit 2011 alle zwei Jahre in diesem großen Format stattfindenden Gespräche, in dessen Rahmen auch die Mitglieder der Kabinette jeweils zu Beratungen zusammenkommen. Diesmal gab es wegen der Pandemie erstmals nur Videokonferenzen. Allerdings stand in Peking auch ein Wirtschaftsforum mit Unternehmensvertretern auf dem Programm.

„Es geht darum, auch in konfliktgeladenen Zeiten in die Beziehungen zu investieren und die Kooperationsagenda aufrechtzuerhalten“, stellte der Chef des Berliner China-Instituts Merics, Mikko Huotari, fest. China stelle sich aber „eher als Wettbewerber und Rivale“ auf. Wegen der engen Verknüpfung der deutschen Wirtschaft mit China wolle die deutsche China-Politik allerdings keine Abkopplung betreiben, sondern im Gegenteil versuchen, „noch mehr China möglich zu machen“.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), warnte vor zu viel Vertrauensseligkeit im Umgang mit China. „China verfolgt in Deutschland und anderen Teilen der Welt eine strategische Softpower-Politik“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Vieles geschieht subtil“, so Röttgen. „Man kriegt einen Fuß in die Tür, nimmt Einfluss und schafft bei Bedarf Abhängigkeiten.“ In Deutschland werde das Vorgehen wenig wahrgenommen. „Ich finde das naiv. Ich empfehle dagegen Realismus.“

Parteienvertreter forderten die Bundesregierung auf, Menschenrechtsverletzungen in China und dessen jüngste Strafaktionen gegen Kritiker in Deutschland und Europa klar anzusprechen. China hatte im vergangenen Monat Empörung ausgelöst, als es Sanktionen gegen deutsche und andere EU-Abgeordnete, Akademiker und Institutionen verhängte, die als kritisch gegenüber China empfunden wurden.

Es war eine Reaktion auf europäische Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der nordwestchinesischen Region Xinjiang.

Chinas Sanktionen „völlig unangemessen und willkürlich“

Die Aussichten für eine Ratifikation des unter deutscher Führung grundsätzlich ausgehandelten Investitionsabkommens zwischen China und der USA sind damit aber gesunken. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, sagte bei einer Diskussionsrunde des Merics-Instituts anlässlich der Regierungsgespräche: „Ich gehe davon aus, dass es im EU-Parlament nicht angenommen wird.“

Er nannte Chinas Sanktionen „völlig unangemessen und willkürlich“. Auch der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte in der Diskussion: „Wenn Europa-Parlamentarier sanktioniert werden, kann man nicht erwarten, dass es was mit dem Investitionsabkommen wird.“

China stelle Deutschland „vor eine Systemherausforderung, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr kennen“, sagte Schmid in der Runde. Er plädierte dafür, die eigenen Stärken in Wissenschaft und Technik zu entwickeln, warnte aber davor, „in die Falle des Kalten Krieges zu tappen“. Es könne nicht um eine Entkopplung gehen. Vielmehr müsse das Verhältnis „klug“ ausbalanciert werden. Deutschland müsse sich weniger auf den Handel fokussieren, sondern stärker einen strategischen Blick entwickeln.

Der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai beklagte „lange eine naive Vorstellung von China gerade in Deutschland“. Es sei irrigerweise davon ausgegangen worden, dass mit Wirtschaftswachstum und mehr Wohlstand in China auch automatisch mehr Bürgerrechte kämen.

Aus seiner Sicht gibt es keinen Widerspruch zwischen einer interessengeleiteten und einer werteorientierte Politik im Umgang mit China. „Wir sind zwar in einem Wettbewerb mit China, aber wir leben in einer globalisierten Welt“, sagte Djir-Sarai. „Wir sind von China abhängig, aber China ist auch abhängig von uns.“

Differenzen zwischen Deutschland und China gibt es auch über den harten Kurs Chinas in Hongkong und seine Drohungen gegenüber Taiwan und im umstrittenen Südchinesischen Meer. Außerdem leiden die Beziehungen unter den Problemen der deutschen Wirtschaft mit den strengen Einreisebeschränkungen Chinas wegen der Pandemie. Unternehmen beklagen mangelnde Visavergabe, kurzfristige Änderungen von Vorschriften und zum Teil unzumutbare Hotels für die zweiwöchige Zwangsquarantäne bei der Einreise.

Ungeachtet aller Meinungsverschiedenheiten will die Bundesregierung konkrete Fortschritte bei Themen erzielen, die für beide Seiten wichtig sind, und nannte Umwelt, Klima und Wirtschaftsbeziehungen. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte die Beziehungen „dynamisch, dicht, vielfältig“. Ohne auf die Differenzen einzugehen, sprach Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin von „gutem Schwung in der bilateralen Kooperation“, die vorangebracht werden solle.

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