Regierungssuche in Rom Italiens Populisten hoffen auf Segen des Präsidenten – Giuseppe Conte als Ministerpräsident gehandelt

Gibt Italiens Präsident Mattarella tatsächlich den Startschuss für ein politisches Experiment mit Lega und 5 Sterne? Die EU ist schon alarmiert.

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Der Universitätsprofessor und Rechtsanwalt Conte wird als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gehandelt. Quelle: Reuters

Rom In Italien bahnt sich elf Wochen nach der Parlamentswahl das Ende der Regierungsbildung an. Die Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Protestbewegung und die rechtspopulistische Lega, wollten am Montag Staatschef Sergio Mattarella einen Ministerpräsidenten vorschlagen und ihr Regierungsprogramm vorlegen.

Mattarella muss dann entscheiden, ob er den Weg freimacht für ein politisches Experiment: Mit der Regierung aus den zwei grundverschiedenen Parteien, die aber beispielsweise ihre Europa-Kritik verbindet, könnte ein EU-Gründerstaat erstmals grundsätzlich auf Distanz zur Staatengemeinschaft gehen.

Die Koalition wird in der EU mit Skepsis betrachtet. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die Interessen Italiens künftig im Mittelpunkt stehen sollen. Auch wollen die Sterne und die Lega die europäischen Verträge mit Blick auf Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit „neu diskutieren“.

Geplant sind eine Abkehr vom Sparkurs und milliardenschwere Vorhaben wie die Einführung eines Grundeinkommens und die Senkung des Rentenalters. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone und gehört weltweit zu den Ländern mit der höchsten Staatsverschuldung.

Lega und Fünf Sterne wollen zudem bei der Abschiebung von Migranten einen härteren Kurs einschlagen und den Dialog mit Russland bei der Wirtschafts- und Außenpolitik verbessern.

Der Quirinalspalast setzte die Gespräche mit den Fünf Sternen und der Lega für den späten Nachmittag an. Zunächst wird um 17.30 Uhr Sterne-Chef Luigi Di Maio beim Präsidenten vorstellig. Eine halbe Stunde später hat Lega-Anführer Matteo Salvini einen Termin bei Matarella.

Danach könnte bekannt werden, wen die Parteien als künftigen Regierungschef wollen. Auf diese Personalie hatten sich Sterne-Chef Luigi Di Maio und Lega-Anführer Matteo Salvini am Sonntag nach langem Ringen geeinigt. Salvini sagte, weder er selbst noch Di Maio würden Regierungschef. Der Präsident muss dem Kandidaten zustimmen, bevor das Parlament ihn absegnen kann.

Spekuliert wird, dass die Wahl auf Universitätsprofessor und Rechtsanwalt Giuseppe Conte gefallen sein könnte. Der 54-jährige Jurist steht den Fünf Sternen zwar nahe, wäre aber ein Neuling in der Politik. Die Partei bezeichnete er vor der Wahl am 4. März als „wunderbares, unglaubliches, politisches Labor“, weil sie auch unabhängige Figuren mit einbezöge.

Die Sterne verstehen sich als Anti-Establishment-Partei, die weder rechts noch links einzuordnen ist, und sich für die Belange des armen Südens einsetzt.

Die Lega hat sich unter Parteichef Salvini von einer Separatisten-Partei aus dem Norden zur ausländerfeindlichen Bewegung auf nationaler Ebene entwickelt und im Wahlkampf Stimmung gegen Migranten gemacht.

Beide Parteien gelten als europakritisch und versprechen eine „Regierung des Wandels“. Salvini sagte am Sonntag, man wolle das Land „radikal verändern“. „Wir werden das Gegenteil von dem machen, was die früheren Regierungen getan haben.“ Im Parlament verfügen Lega und Fünf Sterne gemeinsam über eine dünne Mehrheit.

Die Aussicht auf eine Regierungskoalition der Fünf Sterne und der Lega belastete die Finanzmärkte und rief in anderen europäischen Ländern Sorgen hervor. Die Renditen italienischer Staatsanleihen stiegen auf das höchste Niveau seit neun Monaten und der Leitindex der Mailänder Aktienbörse gab etwa zwei Prozent nach.

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire warnte am Sonntag im Fernsehen, dass die Finanzstabilität in der Eurozone in Gefahr geraten könne, falls eine populistische Regierung nicht die Verpflichtungen bei Verschuldung und Defiziten einhält.

Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission, mahnte im Interview mit dem Handelsblatt: „Wir legen Wert darauf, dass die neue italienische Regierung auf Kurs bleibt und die verantwortungsbewusste Haushaltspolitik fortsetzt.“ Dies sei nötig, weil „Italien die zweithöchste Staatsverschuldung der Eurozone nach Griechenland hat.“

Dombrovskis forderte die neue italienische Regierung auf, ein „neues Stabilitätsprogramm mit den Eckdaten des Staatshaushalts in Brüssel“ einzureichen. „Das werden wir dann prüfen“, sagte der Lette. Dies betonte auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire. Sollte sich das Land nicht an die EU-Haushaltsregeln halten, sei die finanzielle Stabilität in der Euro-Zone in Gefahr.

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