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Quelle: dpa

Blank gegen Putin

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Deutschland ist ohne die USA so gut wie schutzlos – trotz 100-Milliarden-Programm. Es bleibt nur wenig Zeit, daran etwas zu ändern: bis 2025.

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Der Bundespräsident besucht US-Soldaten im oberpfälzischen Grafenwöhr. Routine? Von wegen: Frank-Walter Steinmeier ist das erste Staatsoberhaupt seit 25 Jahren, das sich zu den US-Soldaten begibt. Das passt zur Bundesrepublik: Militär am Rand, teuer, von gestern – so der fatale Konsens, der in Heruntersparen der Bundeswehr und Abschaffung der Wehrpflicht mündete. Politische Punkte waren mit Nähe zu Soldaten nicht zu machen.

In Washington wurde dies registriert, so wie sie heute beobachten, ob Kanzler Olaf Scholz den Worten zur Zeitenwende Taten folgen lässt. Und sehen: Es dauert. Nach dem hastig geschnürten 100-Milliarden-Paket scheint Stille eingekehrt in Sachen Aufrüstung. Nicht mal die Hälfte der beschämend wenigen der Ukraine versprochenen Waffen wurde geliefert.

Die Division mit 15.000 Soldaten, die Deutschland für die Eingreiftruppe der Nato versprochen hat, wird wohl erst Ende 2024 bereit sein. Sie wird auch nicht neu aufgestellt: Eine der beiden letzten von einst zwölf Divisionen wird aufgerüstet. Eine dritte Division soll es frühestens 2030 geben. Die 100 Milliarden Euro werden falsch verteilt. In der Ukraine sind Artillerie und Panzer entscheidend. Die Bundeswehr, 1989 noch mit 5000 Panzern, verfügt heute über keine 300, von denen weniger als 200 einsatzbereit sind. Dennoch sollen nur 17 Prozent der 100 Milliarden Euro für das Heer verwendet werden.

Zu viel Geld fließt in Großprojekte von Luftwaffe und Marine. Munition soll aus dem regulären Etat kommen, der nur reichte, die Bundeswehr mit Munition für einen Tag auszurüsten. Laut ifo Institut müsste die Armee jährlich 25 Milliarden Euro mehr bekommen, um die zugesagten zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Erschwerend hinzu kommt der Faktor Zeit. Zwar hat Berlin ein Gesetz zur schnelleren Beschaffung von Waffen auf den Weg gebracht. Trotzdem gibt es bremsende Faktoren: EU-Vorgaben für Staatsaufträge etwa oder Klimaschutz bei der Beschaffung. Schon moniert die Industrie, die schnell liefern will, dass sich beim Beschaffungsamt nichts bewegt.

Wie es schnell geht, macht die Ampel bei LNG und Windenergie vor. Der Kanzler erklärt die EU breitbeinig zum geopolitischen Akteur, verspricht, Nato-Gebiet so zu verteidigen wie unser Land. Viel wert ist das nicht: Ohne die USA wäre Deutschland schutzlos. Sollte Donald Trump dort 2024 siegen, wäre eine starke Bundeswehr doppelt hilfreich: um zu zeigen, dass Deutschland es ernst meint mit Verteidigung. Und um bei einem Rückzug der Amerikaner nicht blank dazustehen gegen Putin.

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