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People wave with flags before the a meeting of Chinese Premier Li Keqiang and German Chancellor Angela Merkel at the Chancellery in Berlin, Germany, June 1, 2017. REUTERS/Fabrizio Bensch China flag, China flagge Quelle: REUTERS

Ein mächtig großer Sack Reis

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Hongkong und die Unterdrückung der Uiguren zeigen: Europa darf nicht die Balance suchen, sondern gehört an die Seite der USA – auch unter Trump.

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Es ist, als falle in China der berühmte Sack Reis um, und keinen interessiert es. Was haben wir nicht gestritten über Boykottaktionen, gegen Russland, Saudi-Arabien, Iran – selbst gegen Brasilien und Israel. Als aber in Hongkong protestierende Studenten zusammengeknüppelt wurden, interessierte das an deutschen Unis: niemanden. Jetzt, da die große Mehrheit in Hongkong für Kandidaten der Demokratiebewegung gestimmt hat, wird zwar klar, dass hier nicht nur ein paar Radikale rebellieren.

Trotzdem: Achselzucken. Tibet ist plattgemacht, vergessen. Die „China Cables“ aber, die beweisen, dass China einen Gulag für eine Million Uiguren gebaut und darüber gelogen hat, sind ein mächtig großer Sack Reis. Sie nehmen allen, die Chinas Machtstreben verharmlosen, die letzten Illusionen – und zerschmettern jede Rechtfertigung durch „davon haben wir nichts gewusst“.

Der Wirtschaftsboom, die blühenden Metropolen im Süden, die Tatsache, dass viele Hundert Millionen Menschen aus bitterer Armut herausgeholt wurden, der Rückhalt, den das Regime bei Han-Chinesen hat, all das darf den Blick darauf nicht vernebeln, dass hier eine Diktatur brutal gegen Minderheiten vorgeht und permanent internationale Regeln missachtet.

Ja: China ist ein toller Absatzmarkt, für VW, BASF, Siemens und andere. Aber dass ein Unternehmen, wenn es zum Beispiel Lieferanten ausschließt, die in China Zwangsarbeiter ausbeuten, gleich im ganzen Land keine Geschäfte mehr machen darf, ist unrealistisch. Auch Sanktionen gegen Funktionäre und Wirtschaftsführer müssten möglich sein – gegen Russen haben die auch gegriffen.

So wie die Industrie des Westens China braucht, braucht China auch Europa und die USA als Absatzmärkte.

US-Präsident Donald Trump hat diese wechselseitige Abhängigkeit klar erkannt – und genutzt, um China zu wirtschaftlichen Zugeständnissen zu zwingen. Deutschland allein mag das nicht gelingen, Europa schon eher. Erst recht im Bündnis mit den USA.

Denn die Berichte über die Unterdrückung der Uiguren sollten auch klarmachen, dass es nicht Europas Weg sein kann, zu beiden um Hegemonie ringenden Supermächten gleiche Distanz zu halten und Konflikte auf eine Ebene zu heben. Auch wer Probleme mit Trump hat: Der US-Präsident ist demokratisch gewählt – und er bekämpft Gegner auf Twitter, nicht mit Folter. Die Nato mag zeitweise tot erscheinen – die westliche Wertegemeinschaft aber muss leben.

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