Rennen um US-Präsidentschaft Warum Michael Bloomberg trotz 500.000.000 Dollar Budget gescheitert ist

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Hohes Interesse, doch kaum Begeisterung

Es ist eine Herangehensweise, die auf dem Papier Sinn ergibt. Die ersten vier Vorwahlen haben höchstens symbolische Bedeutung. Um die Kandidatur zu gewinnen, brauchen die Bewerber vor allem Delegierte. Und die werden am Super Tuesday massenhaft vergeben. Warum sollte Bloomberg also Zeit in Iowa oder Nevada verschwenden, wenn er dank seines riesigen Wahlkampfbudgets schlicht Aufmerksamkeit in den entscheidenden Staaten kaufen kann? Der Ex-Bürgermeister, so die Theorie, kann dann ungestört Wahlkampf machen wo es darauf ankommt, während sich seine Konkurrenz in faktisch unbedeutenden Vorwahlen gegenseitig die Köpfe einschlägt.

Dass sie den Praxistest wohl nicht bestehen wird, zeichnet sich indes früh ab. Zwar gibt Bloomberg alles, reist mit dem Privatjet kreuz und quer durch das Land, besucht in 100 Tagen 73 Städte in 27 Bundesstaaten, doch sein Wahlkampf nimmt keine Fahrt auf.

Mitte Februar steht Bloomberg auf einer Bühne im Schankraum einer Craft-Beer-Brauerei in Richmond im Super-Tuesday-Staat Virginia. Wieder ist der Andrang groß. Die Neugierde auf den Ex-Bürgermeister ist mit Händen zu greifen. Doch Bloomberg nimmt die Energie des Saales nicht auf. Langsam liest er, wie schon in Washington, seinen Text vom Prompter ab, bringt den üblichen Witz über seine Wahlkampfausgaben. Selbst als ein Waffenrechtsaktivist in den Raum stürmt und ihn lauthals als Faschisten beschimpft, weicht der Kandidat kaum vom Skript ab. Stoisch steht er am Rednerpult, während das Publikum den Pöbler niederbrüllt und schließlich aus dem Saal scheucht. „Es ist am einfachsten abzuwarten, bis er draußen ist“, sagt Bloomberg nur. Dann schließt er fast nahtlos an seine Standardrede an. Wenige Minuten später eskortiert sein Sicherheitsdienst ihn von der Bühne. Kaum Händeschütteln, kaum Selfies. Als sich die Tür hinter dem Kandidaten schließt, bleibt das Publikum recht ratlos zurück.

von Jörn Petring, Julian Heißler, Malte Fischer, Silke Wettach

Den Rest geben seiner Kandidatur die Auftritte mit seinen Mitbewerbern. Bloomberg nimmt lediglich an zwei TV-Debatten der Demokraten teil, doch das reicht, um seine vermeintliche Retter-Aura nachhaltig zu beschädigen. Die anderen Kandidaten gehen das Neu-Parteimitglied heftig an, allen voran Senatorin Elizabeth Warren (mittlerweile selbst aus dem Rennen), eine Ikone des progressiven Flügels. Sie kritisiert seinen Umgang mit Minderheiten, seine lange Liste sexistischer Sprüche, die sich über Jahrzehnte angesammelt hat und seine kräftige Unterstützung für Republikaner in der noch jüngeren Vergangenheit. Bloomberg versucht sich zu verteidigen, doch das macht er so ungeschickt, dass alles nur noch schlimmer wird. Der Milliardär wirkt abgehoben, aus der Zeit gefallen.

Und so werden plötzlich Fragen immer lauter gestellt, die Bloombergs Kandidatur eigentlich von Beginn an überschatten hätten müssen. Warum soll ausgerechnet er, der langjährige Republikaner, die Demokraten retten können? Wie passt das Musterbeispiel eines Zentristen zu einer Partei, die derzeit nur darüber diskutiert, wie weit sie nach links rücken soll? Und weshalb soll ausgerechnet ein erfolgreicher Unternehmer und einer der reichsten Männer der Welt für Wähler interessant sein, die sich nach sozialem Ausgleich sehnen?

10.000 Dollar nur für Sushi

Bloomberg, das wird in den vergangenen Wochen deutlich, hat keine Antwort auf diese Fragen. Die Quittung bekommt er in dieser Woche. Am Super Tuesday gewinnt er eine einzige Vorwahl, die in Amerikanisch Samoa. Sie ist weitgehend unbedeutend, insgesamt holt der Kandidat dort 175 Stimmen, das reicht für den Sieg. In allen anderen Wettbewerben schneidet er enttäuschend ab. Einen Tag später verkündet er das Ende seiner Kampagne, verspricht, künftig Joe Biden zu unterstützen. „Auch wenn ich nicht der Kandidat sein werde, lasse ich diesen wichtigsten politischen Kampf meines Lebens nicht aus“, verspricht er.

Trotz Bloombergs krachender Niederlage könnte Biden von seinem Support noch erheblich profitieren. Die seit Monaten klamme Kampagne des Ex-Vizepräsidenten kann sich plötzlich über eine hervorragend ausgestattete Unterstützerstruktur freuen. Denn der Ex-Bürgermeister scheute beim Aufbau seines Wahlkampfteams keine Kosten.

Er stellte eine Armee von Datenexperten, Organisatoren und Kommunikationsprofis ein und bezahlte sie fürstlich. Rund 2400 Mitarbeiter zog der Milliardär so in kürzester Zeit an, viel mehr als jeder andere Kandidat. Er zahlte Gehälter, die teils doppelt so hoch waren wie bei der Konkurrenz. Zusätzlich lockte Bloomberg mit Boni, modernsten Laptops und iPhones für Mitarbeiter, möblierten Appartements an der New Yorker East Side für Führungskräfte und kostenlosem Essen für sein Team. Allein in den ersten Wochen seiner Kandidatur gab er mehr als 10.000 Dollar nur für Sushi aus.



Über eine halbe Milliarde Dollar pumpte Bloomberg so in seine Kurzzeitbewerbung, davon rund 400 Millionen Dollar nur für Werbung inklusive eines Spots während des Super-Bowls, der allein zehn Millionen Dollar verschlungen haben dürfte. Ein Ende der Kosten ist vorerst nicht abzusehen. Der Ex-Bürgermeister heuerte sein Team für die gesamte Dauer des Wahlkampfs an, also mindestens bis zum 3. November. Seine Mitarbeiterarmee will er nun Biden zur Verfügung stellen. Und damit ausgerechnet dem Kandidaten, wegen dessen vermeintlicher Schwäche er im November überhaupt erst in den Wettbewerb eingetreten ist.

Ganz verloren hat Bloomberg trotzdem nicht. Seine Kandidatur hat die Partei zumindest ein Stück weit in die Mitte geschoben. Ob sich seine moderaten Mitbewerber so schnell hinter Biden versammelt hätten, wenn der Milliardär nicht gewesen wäre, ist zumindest unsicher. Auch hat er durch seinen schnellen Ausstieg bewiesen, dass ihm der Sieg über Trump unterm Strich wichtiger ist, als seine eigene Ambition aufs Weiße Haus. Eine Kandidatur als Unabhängiger, die dem Präsidenten nützen könnte, hat er ausgeschlossen. Und selbst wenn der demokratische Sozialist Bernie Sanders die Nominierung der Demokraten gewinnen sollte, will der Ex-Bürgermeister ihn unterstützen. Sollte am 3. November also ein Demokrat Trump schlagen, dann wäre das auch ein kleiner Sieg für Michael Bloomberg.

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