Renzi-Comeback in Italien „Vorwärts, zusammen, Matteo“

Seit Monaten war er ohne Amt und ohne Mandat. Doch jetzt hat Matteo Renzi wieder eine Spitzenposition in der Politik: Der Ex-Premier gewinnt die Wahl zum Parteivorsitzenden der PD. Doch das soll nur der Anfang sein.

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FILE PHOTO: Italy Prime Minister Matteo Renzi looks on during a news conference at Chigi Palace in Rome, Italy June 20, 2016. REUTERS/Tony Gentile/File Photo Quelle: Reuters

Rom Matteo Renzi drängt zurück auf die politische Bühne: Rund 70 Prozent der Italiener, die an den Primaries der Regierungspartei PD teilnahmen, wählten den Ex-Premier erneut zum Parteivorsitzenden mit einer Amtszeit von vier Jahren. Die Wahlbeteiligung habe zwischen 1,8 und 1,9 Millionen Menschen gelegen, sagte Parteisprecher Matteo Richetti am Montag morgen.

Die 405.000 eingeschriebenen Parteimitglieder der PD hatten schon Anfang April mit 66 Prozent für Renzi gestimmt. Die Partei hat aber zusätzliche Wahlen für alle nach dem US-System der Primaries eingeführt. Abstimmen konnte jeder, der sich registrieren ließ, über 16 war und zwei Euro zahlte. An den in ganz Italien aufgestellten Pavillons herrschte großer Andrang.

„Eine außerordentliche Verantwortung! Ich danke allen von Herzen, die an Italien glauben. Vorwärts, zusammen, Matteo“, twitterte der 42-Jährige, der im Dezember nach dem Scheitern des Verfassungsreferendums als Premier zurückgetreten war und Anfang Februar auch als Parteivorsitzender. Mit dem deutlichen Sieg gegen seine beiden Gegenkandidaten und dem Mandat seiner Wähler ist Renzi damit seinem politischen Comeback einen Schritt nähergekommen.

Als Parteivorsitzender ist er automatisch Spitzenkandidat bei den nächsten Wahlen. Es gibt aber zwei Probleme für ihn: einmal das Datum für Neuwahlen und dann die Wahl möglicher Koalitionspartner. Denn die PD wird nach Umfragen der Meinungsforschungsinstitute allein nicht regieren können. Im Moment liegt sogar die Protestpartei „Movimento 5 Stelle“ vor der PD.

Immer wieder hat Renzi, dem es gefällt, mit dem französischen Präsidentschaftsanwärter Emanuel Macron verglichen zu werden, in den vergangenen Wochen in Interviews betont, dass es so bald wie möglich Neuwahlen geben sollte. Er will den Bonus ausschöpfen, den er noch hat. Vor zwei Jahren holte er bei der Europawahl 40 Prozent für die PD – das sei aber ein einmaliger Ausrutscher nach oben gewesen, wie Parteiforscher meinen.


Präsident Mattarella drängt auf Reform des Wahlgesetzes

Die Legislaturperiode endet erst im Frühjahr 2018. Staatspräsident Sergio Mattarella drängt die Parteien, das Wahlgesetz zu reformieren, bevor es neue Wahlen gibt. Er will politische Stabilität und eine funktionsfähige Regierung für die internationalen Verpflichtungen Italiens, das in diesem Jahr den G7-Vorsitz hat. Ende Mai findet in Taormina auf Sizilien der G7-Gipfel mit US-Präsident Trump statt.

Seit Dezember ist die Regierung von Paolo Gentiloni im Amt – mit Renzis Ministern. Offiziell gibt es keinen Grund, dass sie nicht weitermacht. Dazu müsste es ein Misstrauensvotum im Parlament geben – gegen die eigene Partei. Noch in der Wahlnacht kamen beruhigende Töne: „Der Horizont der Regierung ist 2018. Ab morgen arbeiten wir mit Premier Gentiloni. Die Regierung ist unsere Regierung.“ Das sagte nicht etwa Renzi nach der Wahl, sondern einer seiner engsten Getreuen, Agrarminister Maurizio Martina. Eine merkwürdige Äußerung, gehört Martina doch seit Anfang an zur Regierung. Sie zeigt die Spannungen hinter den Kulissen vor allem bei wirtschaftspolitischen Themen.

Brüssel rügt die hohe Staatsverschuldung Italiens und fordert einen Sparkurs. Renzi wirbt dagegen mit europakritischen Worten für Konsens. Als Parteivorsitzender wolle er einen Vorschlag für ein Abkommen mit Europa machen, sagte er am Wochenende in der vielgesehenen Talkshow „Porta a Porta“, der es zulasse, mehr Raum für das Defizit zu haben und deshalb auch für Steuersenkungen, „und gleichzeitig auch die Maastricht-Regeln einzuhalten und die Verschuldung anzugreifen“. Wie das realisierbar sein soll, sagte er nicht.

In der Partei zu gewinnen heißt nicht, im Land zu gewinnen, meint ein Leitartikler. Und nichts wäre schlimmer als ein Urnengang, der ein Patt ergäbe und langfristige Koalitionsverhandlungen nötig machen würde. Glaubwürdigkeit und Verantwortungsgefühl mahnt ein Parteimitglied der alten Garde bei Renzi an: „Die Partei muss ein Ort der Strategie sein und nicht nur der Taktik“. Der Wahlkampf in Italien ist eröffnet.

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