Republikaner in den USA Der Zerfall einer großen Partei

Die größte Demokratie der Welt erlebt einen peinlichen Wahlkampf: zwei schwache Kandidaten und eine konservative Partei im Chaos.

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Trump „jämmerlich unvorbereitet“ für Präsidentschaft
„Hillary Clinton will Amerikas Angela Merkel werden, und ihr wisst, was für eine Katastrophe diese massive Einwanderung für Deutschland und die Menschen Deutschlands ist“, sagte Trump Mitte August in einer außenpolitischen Rede in Youngstown (Ohio). „Die Kriminalität ist auf ein Niveau gestiegen, das niemand geglaubt hat, je zu sehen.“ Die USA hätten genug Probleme, ohne sich durch die ungezügelte Aufnahme syrischer Flüchtlinge weitere aufzubürden. Quelle: AP
„Jämmerlich unvorbereitet“, um die USA als Präsident führen zu können, ist Donald Trump nach Aussagen von US-Präsident Barack Obama. Auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus forderte Obama die Republikaner am Dienstag auf, Trump nicht mehr zu unterstützen. Dabei gehe es um mehr als unterschiedliche Ansichten politischer Natur, sagte Obama. Trotz des wachsenden Unmuts gegenüber Trump hat bisher kein Republikaner ihm seine Unterstützung entzogen. Obama sagte, republikanische Politiker hätten wiederholt feststellen müssen, dass Äußerungen Trumps inakzeptabel seien. „Warum unterstützen Sie ihn dann noch?“, fragte Obama. Quelle: dpa
„Belgien ist eine wunderschöne Stadt und ein herrlicher Ort - großartige Gebäude“, sagte Donald Trump in einer Rede und zeigte, wie es um seine geographischen Kenntnissen bestellt ist. „Ich war mal dort, vor vielen, vielen Jahren. Vor ein paar Monaten habe ich dann ein Statement abgegeben, nach dem Motto, Belgien ist ein elendes Loch. Dafür wurde ich dann schwer kritisiert, man hat gesagt, was für eine böse Sache - und dann hatten sie in Belgien dieses massive Problem.“ Quelle: dpa
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat die Washington Post von künftigen Wahlkampfauftritten ausgeschlossen: Auf Facebook bezeichnete er das Blatt als "unehrlich und verlogen". Die Washington Post hatte erst kürzlich kritisch über den Milliardär berichtet. In den Augen von Trump sei die Berichterstattung "unglaublich fehlerhaft", deshalb habe er der Zeitung die Akkreditierung für seine Wahlkampfveranstaltungen entzogen.Der umstrittene republikanische Präsidentschaftsbewerber Trump ist ein Quereinsteiger und hat noch nie ein politisches Amt bekleidet. Im Wahlkampf macht er immer wieder mit skurrilen Aussprüchen auf sich aufmerksam. Quelle: AP
Donald Trump Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: dpa
Trumps Knaller nach dem Sieg in den Vorwahlen von Nevada: „Wir haben bei den Evangelikalen gewonnen. Wir haben bei den Jungen gewonnen, wir haben bei den Alten gewonnen. Wir haben bei den gut Gebildeten gewonnen, wir haben bei den schlecht Gebildeten gewonnen. Ich liebe die schlecht Gebildeten.“ Quelle: REUTERS

Die Tweets von Donald Trump sind ein guter Seismograf dafür, was den Politikbetrieb in den USA in den nächsten Stunden erschüttern könnte. Für gewöhnlich zielen die 140-Zeichen-Angriffe des Milliardärs auf Hillary Clinton und andere politische Gegner. Doch in den jüngsten Tweets attackiert Trump die eigenen Parteifreunde. Den republikanischen Führer des Repräsentantenhauses Paul Ryan etwa, einer der wichtigsten Personen der Partei, bezeichnete er als „schwach und ineffektiv“.

Trump erkläre der Partei damit „den Krieg“, schreibt die „Washington Post“. Die republikanische Partei, die einst so stolze Grand Old Party (G.O.P) ist am Tiefpunkt angekommen. Schlimmer geht es kaum noch. Und Donald Trump, so scheint es, holt dazu noch zum finalen Schlag gegen das Partei –Establishment aus. Erneut via Twitter teilte er mit: Endlich seien die Fesseln weg. Jetzt könne er Wahlkampf machen „wie ich es will“.

Amerika beobachtet derzeit den skurrilsten und unterirdischsten Wahlkampf in der amerikanischen Geschichte. Noch nie hat es zwei Kandidaten gegeben, die beim Volk so unbeliebt waren wie der Republikaner Donald Trump und die Demokratin Hillary Clinton. Doch einer von den Beiden wird am 8. November gewinnen. Damit steht jetzt schon fest: Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten wird die Nation weiter spalten statt zu einen.

Vor allem Trump hat die politische Atmosphäre im Land vergiftet. Er hetzt gegen Muslime, Einwanderer und Latino-Amerikaner. Er verhöhnt Frauen und schlägt sich auf die Seite der Globalisierungsgegner. Er will Importe besteuern und wettert gegen Freihandelsabkommen wie Nafta und schlägt sich auf die Seite derjenigen, die eine starke Armee, höhere Militärausgaben und Waffen für alle befürworten.

Wie sehr Trump die Stimmung im Land aufheizt, zeigte sich am Montagabend in Wilkes-Berre, einem 40.000-Einwohner-Städtchen in Pennsylvania. Es war eine seiner zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen in diesen Wochen. Rund 6000 Leute sind in die örtliche Eishockey-Arena gekommen, um ihr politisches Idol anzufeuern.

Die Wirtschaftsberater von Donald Trump

Und sie hören einen Anti-Republikaner: „Wir werden eine Mauer bauen“, ruft Trump in die Menge. „Wisst ihr wo?“, fragt er. „Mexiko“, brüllen  die Zuschauer ohrenbetäubend laut. „Und wer wird bezahlen“, fragt Trump. „Mexiko“, schallt es noch lauter aus der Menge zurück. Danach brandet sekundenlanger Jubel aus.

Der subtile Hass auf Ausländer, verpackt in politisch gerade noch vertretbarer Dosis, ist eine Strategie, mit der Trump auf Stimmenfang geht. Und in Wilkes-Berre, einer alten Industrie- und Bergbauregion, die im 19. Jahrhundert boomte, aber heute vor allem Globalisierungsverlierer kennt, kommen seine Argumente an. 

Die Marke Donald Trump

Vielen Republikanern sind die Ansichten des Milliardärs seit langem suspekt. Einige führende Politiker hatten schon vor Wochen erklärt, Trump nicht weiter zu unterstützten. Doch seit vergangenem Wochenende ist die Liste der Anti-Trumps auf mehr als 150 namhafte Namen sprunghaft angeschwollen. Video-Mitschnitte von 2005 zeigten Trump, wie er Frauen zu Freiwild erklärte, weil er ein Star sei. Er würde sie am liebsten alle „vögeln“ und an der „Pussy kraulen“. Er offenbarte darin eine Grundhaltung, die peinlicher und sexistischer nicht sein kann.  „Locker room talk“, verteidigte sich Trump, also „Geschwätz in der Umkleide“. Doch für viele Republikaner war spätestens jetzt der Wendepunkt erreicht. Politik-Star Ryan lud Trump von einer gemeinsamen Wahlkampfveranstaltung aus – ein beispielloser Affront.  Auch die beiden Ex-Außenminister Condoleezza Rice und Colin Powell haben sich vom Milliardär losgesagt.

So viele Gegner aus der eigenen Partei hat es bislang für einen Präsidentschaftskandidaten noch nie gegeben. Die Partei ist aufgewühlt und desorientiert. Viele Parteistrategen können schon mit den Inhalten Trumps wenig anfangen. Mit seiner Person aber erst recht nichts. Doch das Erstaunliche ist, dass Trump darunter möglicherweise nicht einmal Schaden nimmt. Im Gegenteil: Das Chaos in der Partei könnte ihm sogar Stimmen bringen. Denn Trump hat bei den Vorwahlen der Republikaner für die Wahl zum Präsidentschaftskandidaten deshalb gewonnen, weil er das politische Establishment in Washington angriff, also den Polit-Filz aufs Korn nahm. Wenn sich jetzt führende Republikaner von ihm abwenden, dann bestätigt das nur seine Vorurteile.

Wahlkampf aus ideologischen Gründen

Bei den Wählern kommt das mitunter gut an. Denn sie schätzen das politische Establishment in Washington, wie Umfragen ergeben haben, ebenso wenig. Vor allem interessiert sie nicht, wofür ihr Kandidat steht, sondern wofür er nicht steht: nämlich für Hillary Clinton. Befragt nach den Gründen, warum Wähler für Trump stimmen würden, sagten 33 Prozent: „Er ist nicht Clinton.“ Keine Begründung war wichtiger. Bei den Clinton-Wählern ist das nicht anders. Dort sagen 32 Prozent: „Sie ist nicht Trump.“

Die Ablehnung des jeweils anderen Kandidaten als Hauptmotiv, um für einen Kandidaten zu stimmen, sagt viel über den Zustand des politischen Systems in den Vereinigten Staaten aus. Die Bürger sind unzufrieden. Und diese Unzufriedenheit begünstigt eine politische Debattenkultur, die an Niveaulosigkeit kaum zu überbieten ist.

Die Strategien von Trump und Clinton sind darauf angelegt, den politischen Gegner zu diffamieren. Es geht nicht um konstruktive Inhalte, sondern banale Zerstörung. Bei der zweiten TV-Debatte ließ sich diese Destruktivität beobachten. Wenn Trump Präsident wäre, würde er einen Sonder-Ermittler auf Clinton setzen, „um sie ins Gefängnis bringen“, sagte er.

Die größten Absurditäten im US-Wahlkampf
Hillary Clintons Doppelgängerin Quelle: AP
Von Hirntumor bis Zungenkrebs – Clintons Krankheiten im Überblick Quelle: dpa
Der Knopf in Clintons Ohr Quelle: AP
Hillary Clinton Quelle: AP
Donald Trump – der Antichrist Quelle: dpa
Hillary Rodham Clinton Jimmy Quelle: AP
Die Illuminati und Trump Quelle: REUTERS

Tiefer fallen kann die politische Kultur derzeit kaum noch. Für die größte Demokratie der Welt ist das, was sich zwischen San Francisco und New York abspielt, ein Trauerspiel. Dafür sind vor allem zwei Punkte ursächlich.

Zum einen lässt das Wahlsystem der Vereinigten Staaten de facto nur zwei große Parteien zu. Für die Auszählung der Stimmen gilt das Gewinner-bekommt-alles-Prinzip. Wer in einem einzelnen Bundesstaat die meisten Stimmen auf sich vereint, bekommt sämtliche Wahlmänner dieses Staates zugesprochen.  Dieses System sorgt dafür, dass kleine Parteien niemals eine Chance haben, einen aussichtsreichen Kandidaten aufzustellen. Der libertäre Gary Johnson und die grünen Jill Stein wahlkämpfen vor allem aus ideologischen Gründen. So ein System begünstigt den Parteifilz.

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Zum anderen machen sich vor allem jene Kandidaten auf den Weg, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, die über ein entsprechendes Vermögen verfügen. Eher selten kommt es vor, dass einer aus der Mittelschicht wie Obama zum Zuge kommt. Stattdessen befördert das System politische Dynastien wie die Kennedys, die Bushs und die Clintons ins Weiße Haus. Allesamt mit freundlicher und geldgütiger Unterstützung der Großindustrie. 

Ginge es nach der Bush-Dynastie, wäre auch dieses Jahr wieder ein Bush dran. Doch Jeb Bush versagte kläglich in den Vorwahlen vor einem Dreivierteljahr. Trump war der Überraschungssieger. Heute sind viele Etablierten darüber so unzufrieden, dass einige Top-Politiker bereits forderten, Trump abzusetzen und seinen Vize Mike Pence ins finale Rennen um das höchste politische Amt zu schicken.  Doch Trump weiß, dass er nicht einfach so abgesetzt werden kann. Und er weiß viele Wähler hinter sich.

Die Wirtschaftsberater von Donald Trump

Für die Republikaner bleibt daher die Frage, was denn  aus der zersplitterten und völlig aufgelösten republikanischen Partei in Zukunft werden wird. Sollte Trump gewinnen, dürfte sich die Partei weiter radikalisieren. Trump hätte bewiesen, dass er mit anti-liberalen, anti-muslimischen und anti-Freihandels-Argumenten die breite Masse hinter sich bringen kann.

Sollte Trump verlieren, dürfte zunächst eine Rolle spielen, wie knapp die Wahl ausgegangen ist. Verliert er klar, dürften die moderaten Kritiker künftig den Ton angeben. Fällt die Wahl knapp aus, dürfte dies die Partei weiter spalten: in erzkonservative Trump-Anhänger und moderate Reformer. Die Präsidentschaftswahl am 8. November ist damit auch eine Wahl über die Zukunft der Grand Old Party.

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