Die Tweets von Donald Trump sind ein guter Seismograf dafür, was den Politikbetrieb in den USA in den nächsten Stunden erschüttern könnte. Für gewöhnlich zielen die 140-Zeichen-Angriffe des Milliardärs auf Hillary Clinton und andere politische Gegner. Doch in den jüngsten Tweets attackiert Trump die eigenen Parteifreunde. Den republikanischen Führer des Repräsentantenhauses Paul Ryan etwa, einer der wichtigsten Personen der Partei, bezeichnete er als „schwach und ineffektiv“.
Trump erkläre der Partei damit „den Krieg“, schreibt die „Washington Post“. Die republikanische Partei, die einst so stolze Grand Old Party (G.O.P) ist am Tiefpunkt angekommen. Schlimmer geht es kaum noch. Und Donald Trump, so scheint es, holt dazu noch zum finalen Schlag gegen das Partei –Establishment aus. Erneut via Twitter teilte er mit: Endlich seien die Fesseln weg. Jetzt könne er Wahlkampf machen „wie ich es will“.
Amerika beobachtet derzeit den skurrilsten und unterirdischsten Wahlkampf in der amerikanischen Geschichte. Noch nie hat es zwei Kandidaten gegeben, die beim Volk so unbeliebt waren wie der Republikaner Donald Trump und die Demokratin Hillary Clinton. Doch einer von den Beiden wird am 8. November gewinnen. Damit steht jetzt schon fest: Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten wird die Nation weiter spalten statt zu einen.
Despite winning the second debate in a landslide (every poll), it is hard to do well when Paul Ryan and others give zero support!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 11. Oktober 2016
Vor allem Trump hat die politische Atmosphäre im Land vergiftet. Er hetzt gegen Muslime, Einwanderer und Latino-Amerikaner. Er verhöhnt Frauen und schlägt sich auf die Seite der Globalisierungsgegner. Er will Importe besteuern und wettert gegen Freihandelsabkommen wie Nafta und schlägt sich auf die Seite derjenigen, die eine starke Armee, höhere Militärausgaben und Waffen für alle befürworten.
Wie sehr Trump die Stimmung im Land aufheizt, zeigte sich am Montagabend in Wilkes-Berre, einem 40.000-Einwohner-Städtchen in Pennsylvania. Es war eine seiner zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen in diesen Wochen. Rund 6000 Leute sind in die örtliche Eishockey-Arena gekommen, um ihr politisches Idol anzufeuern.
Die Wirtschaftsberater von Donald Trump
Der Hedgefondsmanager wettete 2007 gegen den überhitzten Immobilienmarkt und machte dadurch Milliarden Dollar Gewinn für sich und seine Investoren. Jüngst waren seine Einschätzungen zu Aktienentwicklungen und Konjunktur jedoch weniger akkurat. In den vergangenen fünf Jahren büßten seine Investments massiv an Wert ein.
Quelle: Reuters
Der Investmentmanager ist Chef der von ihm 1992 mitbegründeten Beteiligungsgesellschaft Cerberus Capital Management. Unter seiner Führung war das Unternehmen auch größter Anteilseigner von Chrysler, bis der Autobauer 2009 mit staatlicher Hilfe saniert wurde.
David Malpass war Vize-Staatssekretär im Finanzministerium unter Präsident Ronald Reagan und Vize-Staatssekretär im Außenministerium unter Präsident George Bush senior sowie Chefvolkswirt der Investmentbank Bear Stearns. Derzeit leitet er die Investmentberatungsfirma Encima Global. Er ist ein scharfer Kritiker der Geldpolitik der US-Notenbank, fordert mehr Investitionen in die Infrastruktur und Steuersenkungen.
Peter Navarro ist der einzige Vertreter auf Trumps Beraterliste, der in Wirtschaftswissenschaften promovierte. Derzeit lehrt er als Wirtschaftsprofessor an der University of California in Irvine. Drei seiner neun Bücher befassen sich kritisch mit Chinas Rolle in der Welt. Er fordert einen Importzoll in Höhe von 45 Prozent auf chinesische Waren. Die USA sollten seiner Meinung nach eine strengere Haltung zu Diebstahl geistigen Eigentums und in Handelsfragen einnehmen.
Howard Lorber ist Chef der Vector Group, die Zigaretten herstellt und im Immobiliengeschäft aktiv ist. Laut Trumps Wahlkampfstab ist Lorber einer der besten Freunde Trumps.
Der Investmentmanager konzentriert sich auf Finanzierungsvorhaben in der Unterhaltungsbranche. Der Ex-Goldman-Sachs-Partner ist Chef der Beteiligungsgesellschaft Dune Capital Management. Er hat in der Vergangenheit häufig Geld an die Demokraten gespendet, einschließlich deren Kandidatin Hillary Clinton. Mit Trump ist er nach eigenen Angaben seit mehr als 15 Jahren privat und beruflich verbunden.
Dan Dimicco ist Ex-Chef der Nucor Corp, einem der größten US-Stahlproduzenten. Er ist ein scharfer China-Kritiker und tritt ein für neue Handelsregeln zugunsten der US-Industrie.
Stephen Moore ist einer der führenden konservativen US-Wirtschaftsexperten, der für das "Wall Street Journal" arbeitete und derzeit der Denkfabrik Heritage Foundation angehört. Er gründete die Anti-Steuern-Lobbygruppe Club of Growth.
Der Immobilienfinancier und Hotelentwickler ist ein langjähriger Freund Trumps. Er ist Gründer und Chef der Beteiligungsgesellschaft Colony Capital.
Und sie hören einen Anti-Republikaner: „Wir werden eine Mauer bauen“, ruft Trump in die Menge. „Wisst ihr wo?“, fragt er. „Mexiko“, brüllen die Zuschauer ohrenbetäubend laut. „Und wer wird bezahlen“, fragt Trump. „Mexiko“, schallt es noch lauter aus der Menge zurück. Danach brandet sekundenlanger Jubel aus.
Der subtile Hass auf Ausländer, verpackt in politisch gerade noch vertretbarer Dosis, ist eine Strategie, mit der Trump auf Stimmenfang geht. Und in Wilkes-Berre, einer alten Industrie- und Bergbauregion, die im 19. Jahrhundert boomte, aber heute vor allem Globalisierungsverlierer kennt, kommen seine Argumente an.
Die Marke Donald Trump
Als Baulöwe, Casinobetreiber, Golfclubbesitzer und Ausrichter von Schönheitswettbewerben hat der New Yorker ein Vermögen von zehn Milliarden Dollar angehäuft – nach eigenen Angaben.
Trumps Satz „You’re fired“, mit dem er in der Show „The Apprentice“ ehrgeizige Jungunternehmer feuerte, wurde zum geflügelten Wort.
Trump spendete auch an Demokraten wie die Clintons, tritt nun aber für die Republikaner an.
Vielen Republikanern sind die Ansichten des Milliardärs seit langem suspekt. Einige führende Politiker hatten schon vor Wochen erklärt, Trump nicht weiter zu unterstützten. Doch seit vergangenem Wochenende ist die Liste der Anti-Trumps auf mehr als 150 namhafte Namen sprunghaft angeschwollen. Video-Mitschnitte von 2005 zeigten Trump, wie er Frauen zu Freiwild erklärte, weil er ein Star sei. Er würde sie am liebsten alle „vögeln“ und an der „Pussy kraulen“. Er offenbarte darin eine Grundhaltung, die peinlicher und sexistischer nicht sein kann. „Locker room talk“, verteidigte sich Trump, also „Geschwätz in der Umkleide“. Doch für viele Republikaner war spätestens jetzt der Wendepunkt erreicht. Politik-Star Ryan lud Trump von einer gemeinsamen Wahlkampfveranstaltung aus – ein beispielloser Affront. Auch die beiden Ex-Außenminister Condoleezza Rice und Colin Powell haben sich vom Milliardär losgesagt.
So viele Gegner aus der eigenen Partei hat es bislang für einen Präsidentschaftskandidaten noch nie gegeben. Die Partei ist aufgewühlt und desorientiert. Viele Parteistrategen können schon mit den Inhalten Trumps wenig anfangen. Mit seiner Person aber erst recht nichts. Doch das Erstaunliche ist, dass Trump darunter möglicherweise nicht einmal Schaden nimmt. Im Gegenteil: Das Chaos in der Partei könnte ihm sogar Stimmen bringen. Denn Trump hat bei den Vorwahlen der Republikaner für die Wahl zum Präsidentschaftskandidaten deshalb gewonnen, weil er das politische Establishment in Washington angriff, also den Polit-Filz aufs Korn nahm. Wenn sich jetzt führende Republikaner von ihm abwenden, dann bestätigt das nur seine Vorurteile.
Wahlkampf aus ideologischen Gründen
Bei den Wählern kommt das mitunter gut an. Denn sie schätzen das politische Establishment in Washington, wie Umfragen ergeben haben, ebenso wenig. Vor allem interessiert sie nicht, wofür ihr Kandidat steht, sondern wofür er nicht steht: nämlich für Hillary Clinton. Befragt nach den Gründen, warum Wähler für Trump stimmen würden, sagten 33 Prozent: „Er ist nicht Clinton.“ Keine Begründung war wichtiger. Bei den Clinton-Wählern ist das nicht anders. Dort sagen 32 Prozent: „Sie ist nicht Trump.“
Die Ablehnung des jeweils anderen Kandidaten als Hauptmotiv, um für einen Kandidaten zu stimmen, sagt viel über den Zustand des politischen Systems in den Vereinigten Staaten aus. Die Bürger sind unzufrieden. Und diese Unzufriedenheit begünstigt eine politische Debattenkultur, die an Niveaulosigkeit kaum zu überbieten ist.
Die Strategien von Trump und Clinton sind darauf angelegt, den politischen Gegner zu diffamieren. Es geht nicht um konstruktive Inhalte, sondern banale Zerstörung. Bei der zweiten TV-Debatte ließ sich diese Destruktivität beobachten. Wenn Trump Präsident wäre, würde er einen Sonder-Ermittler auf Clinton setzen, „um sie ins Gefängnis bringen“, sagte er.
Tiefer fallen kann die politische Kultur derzeit kaum noch. Für die größte Demokratie der Welt ist das, was sich zwischen San Francisco und New York abspielt, ein Trauerspiel. Dafür sind vor allem zwei Punkte ursächlich.
Zum einen lässt das Wahlsystem der Vereinigten Staaten de facto nur zwei große Parteien zu. Für die Auszählung der Stimmen gilt das Gewinner-bekommt-alles-Prinzip. Wer in einem einzelnen Bundesstaat die meisten Stimmen auf sich vereint, bekommt sämtliche Wahlmänner dieses Staates zugesprochen. Dieses System sorgt dafür, dass kleine Parteien niemals eine Chance haben, einen aussichtsreichen Kandidaten aufzustellen. Der libertäre Gary Johnson und die grünen Jill Stein wahlkämpfen vor allem aus ideologischen Gründen. So ein System begünstigt den Parteifilz.
Zum anderen machen sich vor allem jene Kandidaten auf den Weg, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, die über ein entsprechendes Vermögen verfügen. Eher selten kommt es vor, dass einer aus der Mittelschicht wie Obama zum Zuge kommt. Stattdessen befördert das System politische Dynastien wie die Kennedys, die Bushs und die Clintons ins Weiße Haus. Allesamt mit freundlicher und geldgütiger Unterstützung der Großindustrie.
Ginge es nach der Bush-Dynastie, wäre auch dieses Jahr wieder ein Bush dran. Doch Jeb Bush versagte kläglich in den Vorwahlen vor einem Dreivierteljahr. Trump war der Überraschungssieger. Heute sind viele Etablierten darüber so unzufrieden, dass einige Top-Politiker bereits forderten, Trump abzusetzen und seinen Vize Mike Pence ins finale Rennen um das höchste politische Amt zu schicken. Doch Trump weiß, dass er nicht einfach so abgesetzt werden kann. Und er weiß viele Wähler hinter sich.
Die Wirtschaftsberater von Donald Trump
Der Hedgefondsmanager wettete 2007 gegen den überhitzten Immobilienmarkt und machte dadurch Milliarden Dollar Gewinn für sich und seine Investoren. Jüngst waren seine Einschätzungen zu Aktienentwicklungen und Konjunktur jedoch weniger akkurat. In den vergangenen fünf Jahren büßten seine Investments massiv an Wert ein.
Quelle: Reuters
Der Investmentmanager ist Chef der von ihm 1992 mitbegründeten Beteiligungsgesellschaft Cerberus Capital Management. Unter seiner Führung war das Unternehmen auch größter Anteilseigner von Chrysler, bis der Autobauer 2009 mit staatlicher Hilfe saniert wurde.
David Malpass war Vize-Staatssekretär im Finanzministerium unter Präsident Ronald Reagan und Vize-Staatssekretär im Außenministerium unter Präsident George Bush senior sowie Chefvolkswirt der Investmentbank Bear Stearns. Derzeit leitet er die Investmentberatungsfirma Encima Global. Er ist ein scharfer Kritiker der Geldpolitik der US-Notenbank, fordert mehr Investitionen in die Infrastruktur und Steuersenkungen.
Peter Navarro ist der einzige Vertreter auf Trumps Beraterliste, der in Wirtschaftswissenschaften promovierte. Derzeit lehrt er als Wirtschaftsprofessor an der University of California in Irvine. Drei seiner neun Bücher befassen sich kritisch mit Chinas Rolle in der Welt. Er fordert einen Importzoll in Höhe von 45 Prozent auf chinesische Waren. Die USA sollten seiner Meinung nach eine strengere Haltung zu Diebstahl geistigen Eigentums und in Handelsfragen einnehmen.
Howard Lorber ist Chef der Vector Group, die Zigaretten herstellt und im Immobiliengeschäft aktiv ist. Laut Trumps Wahlkampfstab ist Lorber einer der besten Freunde Trumps.
Der Investmentmanager konzentriert sich auf Finanzierungsvorhaben in der Unterhaltungsbranche. Der Ex-Goldman-Sachs-Partner ist Chef der Beteiligungsgesellschaft Dune Capital Management. Er hat in der Vergangenheit häufig Geld an die Demokraten gespendet, einschließlich deren Kandidatin Hillary Clinton. Mit Trump ist er nach eigenen Angaben seit mehr als 15 Jahren privat und beruflich verbunden.
Dan Dimicco ist Ex-Chef der Nucor Corp, einem der größten US-Stahlproduzenten. Er ist ein scharfer China-Kritiker und tritt ein für neue Handelsregeln zugunsten der US-Industrie.
Stephen Moore ist einer der führenden konservativen US-Wirtschaftsexperten, der für das "Wall Street Journal" arbeitete und derzeit der Denkfabrik Heritage Foundation angehört. Er gründete die Anti-Steuern-Lobbygruppe Club of Growth.
Der Immobilienfinancier und Hotelentwickler ist ein langjähriger Freund Trumps. Er ist Gründer und Chef der Beteiligungsgesellschaft Colony Capital.
Für die Republikaner bleibt daher die Frage, was denn aus der zersplitterten und völlig aufgelösten republikanischen Partei in Zukunft werden wird. Sollte Trump gewinnen, dürfte sich die Partei weiter radikalisieren. Trump hätte bewiesen, dass er mit anti-liberalen, anti-muslimischen und anti-Freihandels-Argumenten die breite Masse hinter sich bringen kann.
Sollte Trump verlieren, dürfte zunächst eine Rolle spielen, wie knapp die Wahl ausgegangen ist. Verliert er klar, dürften die moderaten Kritiker künftig den Ton angeben. Fällt die Wahl knapp aus, dürfte dies die Partei weiter spalten: in erzkonservative Trump-Anhänger und moderate Reformer. Die Präsidentschaftswahl am 8. November ist damit auch eine Wahl über die Zukunft der Grand Old Party.