Riads Kronprinz Erfolge, Fehler und Kontroversen in Saudi-Arabien

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman treibt die Reformen im erzkonservativen Königreich Saudi-Arabien voran. Das bringt ihm weltweit durchaus viel Lob ein. Aber der junge De-Facto-Herrscher hat auch andere Seiten.

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Der Prinz hat bei sozialen Reformen das Sagen. Quelle: Reuters

Dubai Lange Zeit wurde Saudi-Arabien zumeist von Monarchen regiert, die in ihren Siebzigern oder gar Achtzigern waren. Doch mit Kronprinz Mohammed bin Salman ist binnen weniger als drei Jahren ein junger Mann zum De-Facto-Herrscher erwachsen, der eine ungewöhnliche Dynamik in das erstarrte erzkonservative Königreich bringt. Das jüngste königliche Dekret zur Aufhebung des Fahrverbots für Frauen ist die bisher dramatischste in einer Reihe von Reformen, die der 32-jährige Lieblingssohn von König Salman verantwortete. Nicht alle davon waren indes erfolgreich.

Der Prinz kontrolliert fast alle wichtigen Bereiche in der Verteidigung, Wirtschaft, inneren Sicherheit und Außenpolitik des Landes und hat auch bei sozialen Reformen das Sagen. Es ist ein radikaler Wandel innerhalb kurzer Zeit. Noch vor drei Jahren galt er als unerfahren und wenig bedeutend, überschattet von zwei älteren Mitgliedern der Königsfamilie, die als Thronfolger vor ihm rangierten. Aber seit sein Vater – jetzt 81 Jahre alt – 2015 König wurde, hat Mohammed bin Salman stetig an Macht und Einfluss gewonnen.

Jetzt ist er so bekannt, dass er oft kurz als „MbS“ bezeichnet wird. Und als einzigem Thronerbe mit einem greisen Vater ist die absolute Macht in Saudi-Arabien für ihn in greifbarer Nähe. Möglicherweise erhält er sie schon im nächsten Jahr, sollte der König abdanken, was nach Einschätzung von Analysten und Insidern durchaus geschehen könnte.

Ein Überblick über den Weg des Kronprinzen an die Macht – mit Triumphen, Fehltritten und Kontroversen:

Reform des Königreichs

Das Dekret zur Aufhebung des Fahrverbots für Frauen hat der Führung des Landes weltweit höchstes Lob eingebracht, war Saudi-Arabien doch das einzige Land mit einer derartigen Beschränkung. Es ist damit der bedeutendste Fortschritt bei den Frauenrechten im Land seit Jahren. Und sie ist Teil weitreichender Pläne des Kronprinzen, das Königreich zu transformieren: Seine „Vision 2030“ sieht die Reform der Wirtschaft und eine Lockerung sozialer Restriktionen vor. Das soll angesichts sinkender Ölpreise, Sparmaßnahmen und eines rapiden Anstiegs der Zahl junger Menschen im Land Stabilität sichern.

Mohammed bin Salman will auch das Unterhaltungsangebot für die Saudis ausbauen, was noch vor wenigen Jahren undenkbar schien. Dazu zählen Musikkonzerte, die ersten nach einem 20-jährigen Verbot, und Filmvorführungen, obwohl es in Saudi-Arabien keine Kinos gibt. Dem Kronprinzen ist auch die Entscheidung zuzuschreiben, dass Mädchen zum ersten Mal in öffentlichen Schulen Sport betreiben dürfen.

Vorgehen gegen Dissidenten

Klingen die Reformen vielversprechend, lässt „MbS“ zugleich auch gegen jene hart durchgreifen, die es wagen, manche seiner umstritteneren Maßnahmen öffentlich zu kritisieren. Dazu zählen die Beteiligung am Krieg im Jemen und das Verhalten gegenüber Katar. Nach Angaben saudischer Menschenrechtsaktivisten sind allein im September mindestens 30 Dissidenten festgenommen worden, darunter religiöse Gelehrte, Schriftsteller und Akademiker.

Auch sind die Spannungen mit dem schiitisch geführten Iran gestiegen, und die Minderheit der saudischen Schiiten bekommt die Folgen zu spüren. Vier von ihnen wurden dieses Jahr wegen Teilnahme an gewaltsamen Protesten gegen die Regierung 2011 im Zuge der Aufstände des Arabischen Frühlings hingerichtet. Mehr als ein Dutzend andere stehen vor der Exekution.

Vorgehen gegen Katar

„MbS“ und Kronprinz Mohammed bin Said aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) waren die treibenden Kräfte des diplomatischen Angriffs gegen Katar. Zusammen mit Bahrain und Ägypten brachen die beiden Länder Anfang Juni alle diplomatischen Kontakte zum Golf-Emirat ab und schlossen die Grenzen. Sie begründeten dies mit dem Vorwurf, dass Katar Terrororganisationen und Extremisten unterstütze. Die Regierung in Doha bestreitet das und sieht politische Motive hinter der Aktion.

Gebracht hat die Blockade Katars bisher nichts. Das Leben im Golf-Emirat ist kaum beeinträchtigt und das Verhalten gegenüber radikalislamischen Gruppen, in denen Saudi-Arabien und die VAE eine Bedrohung für die regionale Stabilität sehen, ist unverändert. Katar hat sich zudem der Türkei und verstärkt dem Iran zugewandt, was „MbS“ gewiss nicht gefällt.

Stärkung der Verbindungen zu den USA

Dem Kronprinzen gelang ein politischer Coup, als er als erster führender arabischer Politiker mit US-Präsident Donald Trump nach seiner Amtsübernahme zusammentraf. Erst besuchte „MbS“ im März das Weiße Haus, um die – unter Trumps Vorgänger Barack Obama angespannt gewordenen – bilateralen Beziehungen neu zu beleben. Zwei Monate später machte Trump Riad zum Ziel seiner ersten Auslandsreise als Präsident.

Saudi-Arabien nutzte die Visite, um Macht und Einfluss zu demonstrieren. So wurden Staats- und Regierungschefs aus Dutzenden mehrheitlich muslimischen Länder zu einem Forum mit Trump in Saudi-Arabien versammelt.

Krieg im Jemen

In seiner Rolle als Verteidigungsminister hat „MbS“ die Aufsicht über die saudische Kriegsführung im Jemen. Es ist ein Konflikt, der bereits mehr als 10.000 Menschen das Leben gekostet und dieses ärmste Land der arabischen Welt an den Rand einer Hungersnot gebracht hat. Der Krieg trug auch zum bisher größten Cholera-Ausbruch in einem einzelnen Land und einzigen Jahr in der jüngeren Geschichte bei.

Menschenrechtsgruppen zufolge sind bei Luftangriffen der von Saudi-Arabien angeführten multinationalen Koalition so viele Zivilisten getötet worden, dass es als Kriegsverbrechen einzustufen sei. Aber das Ziel der Koalition, mit dem Iran verbündete Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa zu vertreiben, ist bisher nicht erreicht worden. Die schiitische Huthi-Miliz hatte die von Saudi-Arabien gestützte Regierung Ende 2014 zur Flucht aus Sanaa gezwungen.

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