Richtungskampf in der AfD Alternative für Petry

AfD-Chefin Frauke Petry verzichtet auf die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl. Damit sind nun die Rechtspopulisten in der Partei am Zug. Gewonnen hat der extreme Flügel der AfD allerdings noch lange nicht.

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(FILES) This file photo taken on February 22, 2016 shows Frauke Petry, leader of Germany's populist AfD (Alternative for Germany) party, during a press conference in Berlin. Petry announced on April 19, 2017 that she will not be her party's top-candidate for upcoming general electons to take place in September 2017, just days before an AfD party congress. / AFP PHOTO / ODD ANDERSEN Quelle: AFP

Düsseldorf Während Deutschland sich mit dem Comeback der SPD beschäftigt hat, ist es um die Alternative für Deutschland (AfD) verdächtig ruhig geworden. Bis zu diesem Mittwoch. Als Parteichefin Frauke Petry in einer Videobotschaft überraschend ihren Rückzug als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl verkündete. Sie wolle den Spekulationen endlich ein Ende bereiten, lautet die offizielle Begründung. Dabei hat sich Petry schlichtweg verkalkuliert und den Kampf gegen den rechtsfundamentalen Flügel der Partei verloren.

Die Stille um die rechtspopulistische Partei in den vergangenen Woche war trügerisch. Im Inneren herrschte ein erbitterter Richtungskampf. Petry selbst sorgte für die entscheidende Eskalation – mit ihrem „Zukunftsantrag, kurz vor dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende. Petrys Antrag sieht vor, dass die AfD sich offiziell gegen „rassistische, antisemitische, völkische und nationalistische Ideologien“ abgrenzen soll.

Die gebürtige Dresdnerin war laut AfD-Kollegen auch nach stundenlangen Gesprächen nicht davon abzubringen, die Partei auf diese Richtung festlegen zu wollen. Das hat den Konflikt der zwei Strömungen innerhalb der AfD weiter verschärft und den Druck von der Basis auf die Parteichefin massiv erhöht. Als Ex-Parteichef Bernd Lucke einst ähnlich mit der eigenen Basis umsprang, war das der Anfang von seinem Ende.

Natürlich heißt es offiziell, Petry habe eine „souveräne Entscheidung für den innerparteilichen Frieden“ getroffen – das sagt zumindest NRW-Spitzenkandidat Martin Renner. Hinter vorgehaltener Hand ist sie dann aber doch „eingeknickt“. Und zwar im Kampf um die Ausrichtung der rechtsnationalen Partei.

Die ist in zwei Lager gespalten: In den „gemäßigten“ Flügel, angeführt von Petry und ihrem Mann, dem NRW-Vorsitzenden Marcus Pretzell und den rechtsfundamentalen Flügel, bestehend aus Petrys härtesten Gegnern: Parteivize Alexander Gauland, Co-Parteichef Jörg Meuthen und Rechtsausleger Björn Höcke.

Die hatten sich bereits im Vorhinein auf Initiative des niedersächsischen AfD-Chefs Armin Hampel nach einem, wie der Spiegel berichtete, geheimen Treffen darauf geeinigt, dass man Petrys alleinige Spitzenkandidatur verhindern müsse. Schon seit mehreren Monaten hatte sich Petry mit ihren Aktionen keine Freunde gemacht. Besonders die öffentlichkeitswirksame Forderung nach einem Parteiausschluss Höckes, nachdem dieser das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hatte, haben ihr viele Mitglieder und auch Vorstandskollegen übel genommen. Die Angst: Ohne Höcke drohe der Verlust wichtiger Wählerstimmen aus dem Osten.

Die konnten bereits in Nordrhein-Westfalen einen Teilsieg verbuchen. Hier wurde der rechtsnationale Martin Renner, thematisch in der Höcke-Fraktion angesiedelt, gegen den von Pretzell protegierten Kay Gottschalk zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt. Pretzell wollte Renner zuvor bereits ganz aus der Partei verbannen. Sein Antrag auf die Abwahl Renners aus dem Parteivorstand wurde jedoch abgeschmettert.

Aus Parteikreisen heißt es, dass auch die restlichen Landesverbände daran arbeiten würden, die Partei von rechtsextremen Ideologien zu reinigen. Mit dem Teil-Rückzug Petrys hat dieses Vorhaben einen Rückschlag erlitten.

Ein paar Möglichkeiten bleiben der Parteichefin allerdings noch: Sie könnte als Bundestagsabgeordnete für Sachsen den Fraktionsvorsitz erlangen. Oder darauf spekulieren, dass ihre Gegner sich nicht auf ein Team einigen können und ohne Spitzenkandidaten in den Wahlkampf ziehen müssen. Das würde der Parteivorsitzenden einen großen Machtanteil sichern. Ihre Gegner jedenfalls werden sich hüten, einen einzelnen Gegenkandidaten aufzustellen. Denn für den Durchmarsch gegen Petry ist ihre Macht noch nicht stark genug verankert.

So werden die Petry-Gegner für die Spitzenkandidaten-Wahl wohl ein Team aufstellen. Für mehrere Landeschefs der Partei kristallisiert sich die Besetzung bereits heraus. Vieles deute auf eine Doppelspitze aus Parteivize Alexander Gauland und Alice Weidel, Spitzenkandidatin der AfD in Baden-Württemberg, hin. Die junge Ökonomin könnte als Sicherheit für eine Mehrheit dienen, auf die Gauland und seine Anhänger in der Partei sonst keine Chance hätten.

Auch Weidel steht für eine eher „gemäßigtere“ AfD. Sie hatte damals den Antrag auf einen Parteiausschluss Björn Höckes offen unterstützt. Die Entscheidung für das neue Spitzenpersonal soll ab Samstag auf dem zweitägigen Bundesparteitag der AfD in Köln fallen. Bis dahin bemüht sich die Partei zwar um Geschlossenheit – so signalisierte Gauland Kompromissbereitschaft in Bezug auf den umstrittenen „Zukunftsantrag“ Petrys. Aber hier deutet sich schon der nächste Konflikt an. Co-Parteichef Jörg Meuthen erteilte Petrys Vorhaben eine klare Absage.

Sollten sich die Delegierten in Köln tatsächlich mit dem von Petry eingebrachten „Sachantrag zur politischen Ausrichtung der AfD“ befassen, signalisiere er Ablehnung, sagte Meuthen gegenüber dem Focus. Den Konflikt zwischen Realpolitik und Fundamentalopposition, den Petry mit ihrem Strategiepapier aufzeichnet, sieht der er nicht: „Es handelt sich um eine Fehlbeobachtung der Partei, die ich nicht unterstützen kann.“ Welche Rolle Petry künftig in der Partei spielen werde, „wird man am Wochenende erfahren“, sagte Meuthen.

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