Rishi Sunak Der Finanzlobbyist in der Downing Street

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Rishi Sunak und der Steuerskandal

Rishi Sunak hat südasiatische Wurzeln und ist praktizierender Hindu. Das macht ihn zum ersten britischen Premier, der keinen christlichen Hintergrund hat. Sein Aufstieg an die Spitze der Regierung wird im multikulturellen Großbritannien positiv bewertet. Kritiker weisen jedoch auf das weiterhin rigide Klassensystem hin, das Leute wie ihn fördert – und Sunak bildet da keine Ausnahme.

So tauchte in diesem Jahr ein Ausschnitt aus einer BBC-Doku aus dem Jahr 2007 auf. Darin zu sehen ist ein junger Rishi Sunak. Er sagt: „Ich habe Freunde, die Aristokraten sind, ich habe Freunde aus der Oberschicht, ich habe Freunde aus der Arbeiterklasse. Oder nein, nicht aus der Arbeiterklasse.“

Im August machte ein weiteres Video des Politikers die Runde. Darin zu sehen ist Sunak, wie er in der wohlhabenden Tory-Hochburg Tunbridge Wells vor Parteimitgliedern spricht. Was er sagt, hat es in sich: Sunak erklärt, er habe als Schatzkanzler Gelder aus benachteiligten Regionen umgeleitet und in wohlhabende Stadtteile gelenkt. „Wir haben eine Reihe von Formeln von Labour geerbt, die die gesamte Finanzierung in benachteiligte Stadtgebiete geschoben haben und die rückgängig gemacht werden mussten. Ich begann mit der Arbeit, das rückgängig zu machen.“



Im April war zudem bekannt geworden, dass Sunaks Frau einen umstrittenen Steuerstatus besaß, der es ihr erlaubte, in Großbritannien keine Steuern auf Einkommen aus dem Ausland zu zahlen. Der Guardian schätzte, dass sie damit bis zu 20 Millionen Pfund an Steuern in Großbritannien gespart haben könnte. Der Vorfall sorgte für einen Aufschrei. Murthy erklärte, sie werde in Zukunft auch ihr Einkommen im Ausland in Großbritannien versteuern. Ein wütender Sunak leitete eine Untersuchung ein, die klären sollte, wie Informationen über den Steuerstatus seiner Frau an die Öffentlichkeit gelangen konnten.

Etwa zur selben Zeit wurde bekannt, dass Sunak selbst als Mitglied der Regierung noch eine amerikanische Green Card besaß, die ihn als in den USA ansässig auswies. Ein gravierender Fauxpas.

Die Enthüllungen dürften dazu beigetragen haben, dass Sunak mit seinem ersten Versuch im Sommer, Tory-Parteichef und Premier zu werden, gescheitert ist. Am Ende machte Truss mit 57 Prozent der Stimmen das Rennen. Truss hatte den Mitgliedern der Tory-Basis, die überwiegend weiß, vermögend und im vorgerückten Alter sind, die umfassenden Steuersenkungen für Vermögende versprochen, mit denen sie später die Wirtschaft ins Chaos gestürzt hat. Sunak hatte während des parteiinternen Wahlkampfs genau davor gewarnt und Einsparungen angemahnt – und kam damit offenbar weniger gut an.

Vermutlich deswegen gab sich Sunak hinsichtlich seiner Pläne als Premier in den vergangenen Tagen bedeckt. Die wirtschaftlichen Wirren, die Truss während ihrer kurzen Zeit im Amt verursacht hat, dürften ihn dazu veranlassen, Einsparungen vorzunehmen. Und die gehen in Großbritannien traditionell zulasten der ärmeren Teile der Bevölkerung.

Dabei könnte die derzeit wohl größte Gefahr für die Wirtschaft des Landes in Sunaks totem Winkel landen: der Finanzsektor. Denn aus der Sicht zahlreicher Experten ist Großbritannien in den vergangenen Wochen nur haarscharf an einer ausgewachsenen Finanzkrise vorbeigeschrammt.

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Kritiker warnen schon lange davor, dass mit dem Ex-Banker und ehemaligen Hedgefonds-Manager Sunak ein Finanzlobbyist ins höchste Regierungsamt gelangen könnte. Während Vertreter anderer Wirtschaftszweige oft um Termine im Schatzamt ringen mussten, als Sunak das Sagen hatte, gaben sich dort Berichten zufolge die Chefs von Großbanken und Finanzlobbyisten die Klinke in die Hand.

Zudem trieb Sunak umstrittene Steuererleichterungen für Banken voran, während er für Unternehmen und Arbeitnehmer höhere Abgaben plante. Und Sunak arbeitete als Schatzkanzler an den Lockerungen vieler Finanzmarktregeln. Dabei sind die dazu gedacht, Finanzkrisen zu verhindern – wie jene, die derzeit wieder droht.

Sollte Sunak den derzeitigen Schatzkanzler Jeremy Hunt im Amt belassen, würde er von ihm keinen Widerspruch gegen den bankenfreundlichen Kurs befürchten müssen. Hunt hat erst kürzlich einen Beraterkreis einberufen. Die ersten vier Mitglieder dieses Gremiums sind: Hedgefonds-Manager und Private-Equity-Experten.

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