Rohstoffe in Chile Ist Deutschland auf dem Weg in die Lithium-Unabhängigkeit?

Bundeskanzler Olaf Scholz und Chiles Präsident Gabriel Boric in Santiago de Chile Quelle: imago images

China hat auf dem Weltmarkt für Lithium die Nase vorn. Dass die Abhängigkeit von einem einzigen Land böse enden kann, hat der Ukraine-Krieg gezeigt. Schon bald könnte Deutschland in eigene Minen investieren.

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Deutschland braucht Rohstoffe. Die letzten 12 Monate haben wie nie zuvor gezeigt, wie verletzlich der sonst so robust wirkende Standort Deutschland ist. Über Jahrzehnte hat die Bundesregierung sich abhängig gemacht, ob von Russland, die uns in eine Gaskrise schubsten, oder China.

Die Bodenschätze in aller Welt werden meist von ausländischen Konzernen gehoben, sehr oft von chinesischen. Gerät die Welt durcheinander – man nehme einen Krieg oder eine Pandemie – leidet die Grundsicherung. Zu lange haben deutsche Unternehmen sich auf den Weltmarkt verlassen, alles war immer zu einem günstigen Preis verfügbar. Wieso selbst investieren?

Genau das passiert auch bei Lithium. Aus dem begehrten Rohstoff werden vorwiegend Batterien und Akkus hergestellt, zum Beispiel für E-Autos. Knapp 57 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen befinden sich in Argentinien, Bolivien und Chile. Die Chinesen haben sich mit weltweiten Milliardeninvestitionen strategisch aufgestellt: Erst kürzlich sicherten sich die Chinesen einen Anteil von 24 Prozent an dem chilenischen Unternehmen SQM, eines der weltweit größten Lithiumproduzenten. Die Volksrepublik importiert den Rohstoff und exportiert ihn danach wieder als raffiniertes Produkt.

Bisher wurde Lateinamerika in der deutschen Wirtschaft oft vernachlässigt. Nun sagte Olaf Scholz bei seiner Südamerika-Reise in der letzten Woche Chile Hilfe bei der Verarbeitung seiner Lithium-Vorkommen zu. „Im globalen Wettbewerb des 21. Jahrhunderts reicht es nicht, Rohstoffe einfach nur abzutransportieren - ohne Rücksicht auf die Umwelt, ohne vernünftige Arbeitsbedingungen, ohne Wertschöpfung vor Ort“, sagte Scholz beim deutsch-chilenischen Wirtschaftsforum in Santiago de Chile. Beide Regierungen erneuerten die Rohstoffpartnerschaft. „Deutschland und Europa haben größtes Interesse, unsere Lieferbeziehungen zu diversifizieren“, betonte der Kanzler mit Blick auf Abhängigkeiten von China. Chile sei ein „Wunschpartner“ Deutschlands.

Cornelia Sonnenberg ist seit knapp 16 Jahren Hauptgeschäftsführerin der AHK in Chile und war bei Scholz Besuch dabei. „In den aktuellen Zeiten bekommt die Rohstoffbeschaffung einen ganz neuen Fokus und Stellenwert“, so Sonnenberg, „die Herausforderung aber liegt vor allem in der Sicherung“. So habe die Rohstoffsicherung eine andere Größenordnung, da sie ein starkes Engagement vor Ort und Investitionen impliziert. Wenn Deutschland Rohstoffe sichern will, müsse eine Form gefunden werden, um sich direkt zu beteiligen und Investitionen in die Hand zu nehmen. „Deutschland muss ja nicht Mehrheitseigner werden, aber eine gewisse Beteiligung an Abbau und Verarbeitung von Lithium hier vor Ort wäre angebracht“.

Auch die chilenische Seite ist an solch einer Kooperation interessiert: „Die neue chilenische Regierung arbeitet an einer neuen Lithium-Politik. Es soll eine Partnerschaft mit einer staatlichen Lithium-Gesellschaft entstehen“, sagt Sonnenberg. In Chile sehe man die Deutschen als gute Partner, man teile dieselben Sozial- und Umweltstandards, so Sonnenberg. Die Herausforderung bestehe darin, das richtige Konstrukt auf deutscher Seite zu finden. „Ich bin schon viele Jahre hier und habe den Eindruck, dass Scholz Besuch ein Momentum gibt, hinter dem wirklich Interesse steckt“.

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Dabei wäre ein Einstieg Deutschlands in den chilenischen Lithiumabbau nichts neues: Bis vor einigen Jahren betrieb das Frankfurter Unternehmen Chemetall eine der großen Lithium-Minen in Chile. 2012 gliederte das Unternehmen seinen Lithium-Bereich aus, drei Jahre später wurde es von dem amerikanische Unternehmen Albermarle, dem zweitgrößten Akteur im Lithium-Abbau in Chile, aufgekauft.

Doch was hält die Industrie zurück? „Beteiligungen an solchen Projekten sind für viele Unternehmen ein zu hohes Risiko, das viele nicht bereit sind einzugehen“, kommentiert Michael Schmidt, Rohstoffexperte bei der dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellten Deutschen Rohstoffagentur, „Die Unternehmen müssen Geld in die Hand nehmen und in einem Land in ein Projekt investieren, wo unklar ist wann und ob das ganze Früchte tragen wird“. Außerdem sei die Lithium-Industrie in Chile fragmentiert, wodurch unterschiedliche Interessenlagen entstehen, sowohl innerhalb der Unternehmen als auch der Regierung.

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„Es gibt keine klare Struktur und bisher keinen klar definierten Rechtsrahmen, der für alle Teilnehmenden gleichermaßen gilt“ sagt Schmidt. Hinzu kommen Probleme mit einer komplizierten Lizenzvergabe. Seit letztem Jahr ist außerdem die Rede davon, dass die Lithium-Minen in Chile verstaatlicht werden könnten. „In Argentinien ist das alles einfacher, deswegen wird häufiger dort investiert“, so Schmidt.

Es bleibt abzuwarten, wie Deutschland seine Stellung auf dem Lithium-Weltmarkt einnimmt.

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