In Folge des Ölpreisdeckels und damit einhergehender neuer Regelungen wird einigen Öltankern derzeit die Durchfahrt durch die Meerenge Bosporus in der Türkei untersagt. Man kontrolliere, ob die Versicherungen der Schiffe weiterhin gültig seien, 15 Tanker müssten derzeit warten, teilte das türkische Transportministerium am Donnerstag mit. Auch die Durchfahrt durch die südlichere Meerenge Dardanellen werde nur versicherten Tankern gestattet.
Seit Montag gilt eine Regelung der EU, die Russland dazu zwingen soll, Erdöl für höchstens 60 Dollar pro Barrel (159 Liter) an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Westliche Versicherungen dürfen seitdem Transporte mit russischem Öl nur dann absichern, wenn die Preisobergrenze eingehalten wird. Sonst müssen sie mit Sanktionen rechnen. Die G7-Staaten und Australien tragen den Ölpreisdeckel mit.
Die Türkei fürchtet der Mitteilung zufolge, dass ein eventueller Unfall bei der Durchfahrt durch türkische Wasserstraßen nicht entschädigt werde. Der Bosporus etwa verläuft durch die 16-Millionen-Metropole Istanbul.
Ein Großteil der wartenden Schiffe sei in EU-Häfen unterwegs, so das Ministerium. Mit den Kontrollen halte man sich an eine seit 2002 geltende Regelung, laut der nur versicherte Tanker die Dardanellen und den Bosporus durchqueren dürfen.
Preisdeckel soll Russland unter Druck setzen
Da die wichtigsten Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen der Welt in den G7-Ländern ansässig sind, könnte die Preisobergrenze es Russland erschweren, sein Öl zu einem höheren Preis zu verkaufen.
Täglich werden Millionen von Barrel Öl von russischen Häfen durch die schmale türkische Meerenge am Bosporus in das Marmarameer und dann weiter durch die Dardanellen in das Mittelmeer transportiert. Die durchschnittliche Wartezeit am Bosporus in Richtung Süden lag zuletzt bei vier Tagen für Schiffe mit einer Länge von mehr als 200 Metern, während sie Mitte November noch bei einem Tag lag.
Mit dem Preisdeckel wollen die EU, die G7-Staaten und Australien Russland im Krieg gegen die Ukraine finanziell weiter unter Druck setzen. Moskau ist stark auf Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft angewiesen.
Umgehung der EU-Preisgrenze durch Schattentanker möglich
Schiffsbrokern und Datenexperten zufolge greife Putin offenbar auf eine Schattenflotte von riesigen Tankern zurück und könne so Öl von Russland nach Asien transportieren.
Das Öl werde dort teilweise auf andere Schiffe umgeladen, sodass dessen Ursprung kaum nachzuvollziehen ist. Besonders die viel befahrene Region um Singapur gelte laut Bericht als idealer Umschlagort, um etwa russisches Öl unauffällig umzuladen und es vermischt mit anderem Öl neu zertifiziert weiterzuverkaufen.
Ein Schiffsbroker hat der WirtschaftsWoche eine Liste Tankern zukommen lassen, die ihm zufolge im Verdacht stehen, zu einer solchen Schattenflotte zu gehören. Diese sind laut Positionsdaten in den vergangenen Wochen von russischen Ostseehäfen aus in Richtung Asien gefahren.
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