Ronan Farrow über US-Medien „Es gibt einen großen Hunger nach Fakten“

Der US-Reporter Ronan Farrow erklärt, wie die Angriffe des US-Präsidenten auf die Presse zu einer Renaissance des Qualitätsjournalismus beitragen. Im Interview benennt er auch die größte Gefahr, die von Trump ausgeht.

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Der US-Journalist Ronan Farrow spricht in Berlin über die politische Berichterstattung unter Trump. Quelle: dpa

Berlin Seine Eltern gelten als Ikonen des liberalen Amerika. Er selbst hat für Barack Obama gearbeitet und ist jetzt Investigativ-Reporter beim US-Fernsehsender NBC. Kein Wunder, dass Ronan Farrow kein Freund von Donald Trump ist. „Die Medien in Amerika werden wie nie zuvor attackiert“, berichtet der 29-jährige Sohn von Woody Allen und Mia Farrow, „jeden Tag werden Institutionen der freien Presse angegriffen.“

Farrow ist nach Berlin gekommen, um anlässlich der Verleihung des Reemtsma Liberty Awards eine Rede für die Pressefreiheit zu halten und den Journalisten Mut zu machen. Zu den bereits Mutigen gehört in Deutschland der freie Reporter Claas Relotius, der für den „Spiegel“ arbeitet und am Mittwochabend den mit 15.000 Euro dotierten Reemtsma Liberty Award für zwei Reportagen erhielt. Zu den Nominierten zählte auch der Handelsblatt-Reporter Sönke Iwersen.

Mut brauche es, so Farrow, wenn die Presse von den politischen Anhängern des Präsidenten als „Feind“ betrachtet werde. Trump selbst hatte die US-Medien kürzlich als „Feinde des Volkes“ beschimpft. Die Medien seien allerdings nicht ganz unschuldig daran, dass viele Bürger in den westlichen Demokratien das Vertrauen in die unabhängige Presse verloren hätten.

„Allzu oft gleicht die Berichterstattung einem Schreiwettbewerb zwischen den Anhängern unterschiedlicher politischer Überzeugungen“, sagt Farrow mit Blick auf die USA. Aber es gebe gerade jetzt eine Renaissance des Qualitätsjournalismus alter Schule. Er sei beeindruckt, wie die großen US-Medien auf die Herausforderungen durch die Trump-Administration reagiert hätten. Fernsehsender wie NBC würden wieder mehr in investigativen Journalismus investieren.

Farrow berichtet, dass gerade junge Reporter wie er durch die Angriffe hoch motiviert seien und sich der Qualität verpflichtet fühlten. „Wir arbeiten uns oft durch Hunderte von Dokumenten“, beschreibt er seinen Alltag. „Es gibt in der Öffentlichkeit einen großen Hunger nach Fakten.“

Zugleich stünden die Medien jeden Tag neu vor der Herausforderung, wie sie mit der Trump-Regierung umgehen sollten. „Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, ob die Regierung nur etwas falsch darstellt oder bewusst lügt“, sagt Farrow. „Das hat es so noch nie gegeben.“


Trumps Wahlsieg als Weckruf für US-Medien

Aber gleicht das Unterfangen der Qualitätsmedien in den USA nicht doch dem Versuch, Eulen nach Athen zu tragen? Oder erreichen sie auch den harten Kern der Trump-Anhänger im Rostgürtel der USA, die auf die angeblichen „Fake News“ der etablierten Medien schimpfen? „Die US-Medien haben sicher wichtige Trends während der Wahlschlacht um die Präsidentschaft übersehen“, räumt der NBC-Reporter ein. „Wir brauchen einen breiteren Diskurs auch mit jenen, die Trump gewählt haben.“

Der Wahlsieg von Trump sei wie ein Weckruf für viele US-Medien gewesen und viele hätte seitdem ihre Berichterstattung über die Themen und Probleme der sogenannten Wutbürger deutlich ausgeweitet. Auch das Meinungsspektrum sei heute viel breiter und diverser geworden.

Wie lange Trump seinen Kampf gegen die amerikanischen Medien noch durchhalten kann, weiß auch Farrow nicht. Die größte Gefahr, die vom neuen US-Präsidenten ausgeht, sieht er für die amerikanische Außenpolitik. „Die Administration versucht den diplomatischen Apparat des Außenministeriums auszuhöhlen“, warnt der Journalist, der unter Obama im State Department als Sonderberater für humanitäre Angelegenheiten beschäftigt war.

Farrow erinnert an die von Trump geplanten Etatkürzungen im Außenministerium. Insgesamt sollen die Mittel für das State Department und andere internationale Programme um fast ein Drittel oder knapp 11 Milliarden Dollar zusammengestrichen werden. Auf diese Weise will Trump zusätzliche Rüstungsausgaben von rund 54 Milliarden Dollar finanzieren.

„Dadurch wird sich die Präsenz Amerikas in der Welt grundlegend verändern“, sagt Farrow. Amerika dürfe nicht nur auf seine militärische Stärke setzen, sondern brauche auch den Dialog mit anderen Ländern.

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