Rücktritt von Japans Ministerpräsident Abe „Die Entscheidung hat viele Japaner überrascht“

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe erklärt seinen Rücktritt, will aber bis Ernennung eines Nachfolgers im Amt bleiben. Quelle: via REUTERS

Mit Shinzo Abes Rücktritt als Ministerpräsident Japans geht eine Ära zu Ende. Der Geschäftsführer International der IHK Düsseldorf, Felix Neugart, spricht im Interview über das wirtschaftspolitische Erbe Abes.

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WirtschaftsWoche: Shinzo Abe war seit 2012 Ministerpräsident Japans und ist damit so lange an der Macht gewesen, wie keiner seiner Vorgänger. Wie hat Abe die Wirtschaft Japans in dieser Zeit geprägt?
Felix Neugart: Abe hat mit Abenomics ein Konjunkturprogramm gestartet, dass nicht nur durch den Namen eng mit ihm verbunden ist, sondern auch in den vergangenen acht Jahren in Japan umgesetzt wurde. Seine Idee war, damit die japanische Wirtschaft anzukurbeln, die seit Jahren unter geringem Wachstum, Deflation und einer alternden Bevölkerung leidet. Das Programm ist allerdings nur bedingt von Erfolg gekrönt. Es wurde zwar Wachstum geschaffen aber nicht in dem Maße, wie Abe sich das erhofft hat. Zusätzlich leidet Japans Wirtschaft aktuell stark unter der Corona-Pandemie.

Abe will noch so lange im Amt bleiben, bis es einen Nachfolger für ihn gibt. Welche Herausforderungen kommen auf diesen zu?
Sein Nachfolger muss mit den strukturellen Problemen Japans zurechtkommen. Er muss versuchen die Wirtschaft wieder zu beleben, was sich durch die Corona-Pandemie allerdings als schwierig gestalten dürfte, da die Möglichkeiten einer expansiven Fiskalpolitik in Japan weitgehend ausgereizt sind. Dazu kommen noch außenpolitische Probleme etwa durch den Handelsstreit zwischen China und den USA, wodurch auch der Druck auf Japan gestiegen ist.

Zwischen Deutschland und Japan gibt es traditionell schon lange enge wirtschaftliche Beziehungen. Düsseldorf etwa ist der größte Japan-Standort Europas. Wird Abes Rücktritt Einfluss auf die bilateralen Beziehungen beider Länder haben?
Alles, was in Japan passiert und Einfluss auf die wirtschaftspolitischen Beziehungen hat, ist ganz besonders für den Standort Düsseldorf relevant. Es gibt viele japanische Unternehmen, die dort ansässig sind. Da aber die Regierungspartei gleich bleibt und bekanntermaßen wirtschaftsfreundlich ist, wird sich die Anspannung in der japanischen Community hierzulande wohl in Grenzen halten.


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Dass Abe seit Jahren unter einer chronischen Darmentzündung leidet, ist schon länger bekannt. Trotzdem hatte man das Gefühl, dass sein Rücktritt für die Japaner plötzlich kam. Ist das so?
Seine Entscheidung hat sicher viele Japaner überrascht. Das zeigen schon die Reaktionen der Börsen heute, nachdem seine Entscheidung bekannt wurde. Diese sind erstmal deutlich abgesackt. Heißt: Von Seiten der Wirtschaft wurde diese Nachricht definitiv negativ aufgenommen. Der Nachfolger wird aber aus der gleichen Partei kommen, insofern können wir mit einer gewissen Kontinuität rechnen.

Wann wird die japanische Regierung einen Nachfolger haben?
Mir ist kein Zeitplan bekannt, wann ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin feststehen soll. Das werden letztlich die Abgeordneten der Regierungspartei entscheiden. Abes Liberaldemokratische Partei hat eine große Mehrheit im Unterhaus. Insofern gilt es als sicher, dass die favorisierte Person der Partei auch gewählt wird. Bis dahin bleibt Abe als Interimspremier im Amt.

Durch die Corona-Pandemie musste Japan als Gastgeber die diesjährigen olympischen Sommerspiele schon verschieben. Ob sie im kommenden Jahr nachgeholt werden können, steht noch nicht fest. Könnte Abes Rücktritt auf die weitere Organisation der Spiele negative Auswirkungen haben?
Noch ist nicht klar, ob die Spiele in 2021 überhaupt stattfinden können. Die innenpolitische Situation in Japan ist jedoch so stabil, dass es keinen Einfluss darauf haben wird, ob Abe als Ministerpräsident an der Macht ist oder eine andere Person. Außerdem muss Japan diese Entscheidung nicht in den kommenden Wochen treffen, sondern kann sich die Entwicklung der Pandemie weiter anschauen.

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