Rüstungsbericht Der Beginn einer neuen Aufrüstungs-Ära

Die Ausgaben für das Militär steigen weltweit an. Gründe dafür sind die Angst vor Russland und die Spannungen im Südchinesischen Meer. Der niedrige Ölpreis setzt dem Drang nach modernen Waffen allerdings Grenzen.

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Dass die Europäer für die Verteidigung wieder mehr ausgeben, interpretieren die Experten in erster Linie als Reaktion auf den russischen Kurswechsel Quelle: dpa

Berlin Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) will nicht, dass die europäische Rüstungskooperation als Hintertür für Waffenexporte in undemokratische Staaten missbraucht wird. Fusionen wie diejenige von Krauss-Maffei-Wegmann und der französischen Firma Nexter im vergangenen Jahr dürften nicht dazu führen, „dass die deutschen Rüstungsexportstandards unterschritten, beziehungsweise umgangen, werden“, heißt es im Jahresbericht der GKKE, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Wie Beispiele von Zulieferungen deutscher Rüstungskomponenten an französische und britische Unternehmen zeigten, sei dies aber bereits Realität. „Deutschland liefert etwa Artilleriezünder und Teile für Kampfflugzeuge, die in Waffensysteme und Munition integriert und dann nach Saudi-Arabien weiterexportiert werden“, kritisierten die Rüstungsexperten der Kirchen. In der GKKE arbeiten Brot für die Welt, der Evangelische Entwicklungsdienst und die Deutsche Kommission Justitia et Pax zusammen.

Derweil ist sich der Branchendienst „Jane's“ sicher: Das Jahr 2016 markiert den Beginn eines neuen Jahrzehnts der Aufrüstung. Ein Grund dafür sind die Spannungen im Südchinesischen Meer, ein anderer die Angst vor einem Russland, das seine außenpolitischen Interessen zunehmend wieder mit militärischen Mitteln durchsetzt.

Auch die anhaltende Instabilität in der arabischen Welt ist ein Faktor, der die Verteidigungsetats in die Höhe treibt. Allerdings stehen Algerien und die Golfstaaten vor dem gleichen Problem wie Russland: Der niedrige Öl-Preis setzt ihrem Drang nach modernen Waffen Grenzen. Bei Russland kommen außerdem noch die Sanktionen wegen der Krim-Annexion hinzu. Die Volkswirtschaften der arabischen Öl-Staaten leiden auch unter der politischen Unruhe, die ihre Region seit 2011 erfasst hat.

Nachdem die weltweiten Verteidigungsausgaben 2011 mit 1,59 Billionen US-Dollar (1,5 Billionen Euro) einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatten, gingen sie ab 2012 wieder zurück. Das lag auch an der globalen Finanzkrise.


Im Baltikum wachsen die Militärbudgets am stärksten

In diesem Jahr hat sich der Trend wieder umgekehrt. 2016 stiegen die Ausgaben für das Militär global um knapp 1,3 Prozent auf 1,57 Billionen US-Dollar. Für 2018 rechnen die Experten mit einem Anstieg auf 1,6 Billionen Dollar, 2020 sollen es sogar schon 1,63 Billionen Dollar sein.

„Das hat auch damit zu tun, dass es Staaten wie China und Indien heute nicht mehr nur um Landesverteidigung geht oder darum, die Armee zur Bekämpfung von Aufständischengruppen einzusetzen“, sagt Craig Caffrey von „Jane's“. Beide Staaten träfen Rüstungsentscheidungen zunehmend auch in der Absicht, ihre Einflusszonen zu vergrößern und Handelswege zu schützen. Dies sei unter anderem an der Art der Kriegsschiffe und an der Zahl der Militärflugzeuge, die bestellt würden, zu erkennen.

Dafür dass die Nato-Staaten in diesem Jahr ihre Militärausgaben in diesem Jahr erstmals seit 2010 wieder erhöht haben, sehen die Experten zwei Hauptursachen –Islamistischer Terror und Russland. Caffrey vermutet: „Selbst wenn Russland künftig weniger für Verteidigung ausgibt, wird das nicht ausreichen, um alle Sorgen zu zerstreuen, die seit der russischen Annexion der Krim aufgetaucht sind.“

Die Krise in der Ukraine hat in Lettland, Litauen und Estland jetzt schon zu einem dramatischen Anstieg der Verteidigungsausgaben geführt. In den baltischen Staaten wachsen die Militärbudgets stärker als in jeder anderen Region der Welt – wenn auch auf niedrigem Niveau. „Ihre Verteidigungsetats werden im Jahr 2018 alle oberhalb von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen“, sagt „Jane's“-Expertin Fenella McGerty.

Dagegen mutet der für die kommenden Jahre erwartete Anstieg der Verteidigungsausgaben von Frankreich und Deutschland noch moderat an. „Jane's“ geht davon aus, dass der französische Verteidigungsetat von rund 44,3 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr auf knapp 45,5 Milliarden Dollar in 2020 ansteigen wird. Für Deutschland sagt der Branchendienst einen Anstieg von 35,5 Milliarden Dollar auf knapp 39,4 Milliarden Dollar voraus.

Dass die Europäer für die Verteidigung wieder mehr ausgeben, interpretieren die Experten in erster Linie als Reaktion auf den russischen Kurswechsel und, zu einem geringeren Teil, auch auf die Instabilität in vielen Staaten südlich des Mittelmeers. Seit November gibt es aus Sicht einiger Europäer noch einen weiteren Grund zur Beunruhigung: Den künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Er hat erklärt, die europäischen Nato-Partner müssten für ihre Verteidigung in Zukunft wieder selbst mehr Geld in die Hand nehmen.

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