Eine schwache Wirtschaft ist ein weiteres von Putins Problemen: "Russland hat im Moment, vor allem ein ökonomisches Problem - und es stellt sich dabei die Frage, wie lange die Bevölkerung bereit ist, das zu tolerieren,“ sagt Siegert. Die Ökonomie des Landes ächzt seit Monaten unter der Last der Sanktionen aus dem Ukraine-Konflikt. Das Land steht kurz vor der Rezession, leidet unter Sanktionen und dem Ölpreisverfall. Das Bruttoinlandsprodukt werde 2015 voraussichtlich um 0,8 Prozent schrumpfen, sagte der stellvertretende Wirtschaftsminister Alexei Vedev im Dezember. Bislang war von einem Wachstum von 1,2 Prozent die Rede. "Wir gehen jetzt davon aus, dass die Sanktionen das gesamte Jahr 2015 über in Kraft bleiben", sagte Vedev.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch eine Rücknahme der Sanktionen, nicht zwangsläufig Besserung für die russische Wirtschaft bringen. “Nüchtern betrachtet ist Russland ein zwar wieder hochgerüsteter, aber weiterhin unterentwickelter und undynamischer Staat”, sagt Andreas Umland, Senior Research Fellow am Institut für Euro-Atlantische Kooperation Kiew. “Das ist Putins Achillesferse.” So aber hänge das System Putin an den Einnahmen aus den Energieexporten, die größtenteils in die EU gehen. Daher treten die russischen Vertreter auftrumpfend im Westen auf und spielen die Sanktionswirkungen vehement herunter.
Putin spricht...
„Russland hat keine Absicht, Krieg gegen das ukrainische Volk zu führen.“
am 4.3. in einer Pressekonferenz
„Wenn ich will, kann ich in zwei Wochen Kiew einnehmen.“
in einem am 01.09. bekanntgewordenen Telefonat mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso
„Die Militarisierung des Weltraums und die US-Stützpunkte in Europa und Alaska, direkt an unserer Grenze, nötigen uns zu einer Reaktion.“
am 10.09. in einer Pressekonferenz
„Russland behält sich das Recht vor, alle vorhandenen Mittel zu nutzen, sollte es in östlichen Regionen der Ukraine zu Willkür kommen.“
am 4. 3. in einer Pressekonferenz
„Diese Gebiete (im Süden und Osten der Ukraine) waren als Neurussland historisch ein Teil des Russischen Reiches. Erst in den 1920er Jahren wurden die Territorien von den Bolschewiken der Ukraine gegeben. Gott weiß warum.“
am 17. 4. im russischen Staatsfernsehen
„Es müssen umgehend substanzielle inhaltliche Verhandlungen anfangen - nicht zu technischen Fragen, sondern zu Fragen der politischen Organisation der Gesellschaft und der Staatlichkeit im Südosten der Ukraine.“
am 31. 8. vor dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe
„In der Ukraine gibt es bislang keine legitime Macht, mehrere Staatsorgane werden von radikalen Elementen kontrolliert.“
am 18. 3. in der Rede an die Nation
„Sind sie da jetzt völlig verrückt geworden? Panzer, Schützenpanzerwagen und Kanonen! (...) Sind sie total bekloppt? Mehrfachraketenwerfer, Kampfjets im Tiefflug! (...) Sind sie dort jetzt völlig bescheuert geworden, oder was?
am 17. 4. im russischen Staatsfernsehen
„In der Ukraine überschritten die westlichen Partner die rote Linie, verhielten sich grob, verantwortungslos und unprofessionell.“
am 18.3. in der Rede an die Nation
„Die Vereinigten Staaten dürfen in Jugoslawien, Irak, Afghanistan und Libyen agieren, aber Russland soll es verwehrt sein, seine Interessen zu verteidigen.“
am 18.3. in der Rede an die Nation
„Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die Russen zu einem der größten geteilten Völker der Welt. Millionen von Menschen gingen in einem Land ins Bett und erwachten in einem ganz anderen und wurden zur nationalen Minderheit.“
am 18.3. in der Rede an die Nation
„Ich glaube daran, dass die Europäer, vor allem aber die Deutschen, mich verstehen werden (...). Unser Land hatte das starke Bestreben der Deutschen nach Wiedervereinigung unterstützt. Ich bin sicher, dass sie das nicht vergessen haben und rechne damit, dass Bürger Deutschlands das Bestreben der russischen Welt, ihre Einheit wiederherzustellen, (...) ebenfalls unterstützen werden.“
am 18.3. in der Rede an die Nation
Bei vielen Europäern wirke der Bluff, so Umland. Wenn sich Investoren, wie Opel mit der Schließung seines Werkes in Sankt Petersburg zum Jahresende zurückziehen, dann ist das Wachstum nachhaltig verzögert. Experten warnen sogar vor einem Zusammenbruch der russischen Wirtschaft: Russland sei momentan zu einer dramatischen Verringerung der Importe gezwungen, der die Bevölkerung einem hohen Leidensdruck aussetze. Der russischen Gesellschaft drohe dadurch eine “gefährliche Destabilisierung”.
“Je kleiner der Kuchen wird, desto instabiler wird das System Putin”, sagt auch Andreas Umland. “Es gibt wahrscheinlich schon jetzt viele bislang treue Regimediener, die ein Sinken ihres Lebensstandards hinnehmen mussten und sich eine Rückkehr zum Status quo von 2013 wünschen. Wenn diese Gruppe wächst, könnte Putins Machtbasis 2018 zu klein für eine vierte Präsidentschaftsperiode werden.”
Momentan ist es schwierig, sich Russland ohne Wladimir Putin vorzustellen. Es mehren sich allerdings die Anzeichen, dass er auf eine weitere Amtszeit verzichtet. Was dann kommt, ist allerdings noch vollkommen offen. „Das System basiert auf der Person Putin und es wurde versäumt, einen Nachfolger aufzubauen oder eine Nachfolgeregelung zu finden“, sagt Siegert. Nach Putin werde wohl weniger ein Oppositioneller, als ein moderater Vertreter des System Putin kommen.“ Womöglich eine Art zweiter Dmitri Medwedjew, vielleicht ein Aufstieg des ehemaligen Finanzministers Alexei Kudrin oder sogar eine zweite Medwedjew-Präsidentschaft“, vermutet Umland. „Kommt es hingegen zu einer fundamentalen Neukonstituierung des russischen Staats, hätte Alexei Nawalny nach jetzigem Stand wohl die besten Chancen auf eine Führungsrolle.“