Russland Der kalte Krieg ums Gas geht weiter

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Kontrolle von Leitungen nahe Quelle: dpa

Die EU versucht seit Ende Juni im Konflikt um unbezahlte russische Rechnungen vergeblich zu vermitteln. Die Ukraine ist im Zuge der Weltwirtschaftskrise finanziell schwer angeschlagen und weiß nicht, wie sie bis zum 7. Juli um Mitternacht die von Russland geforderten Milliardensummen zur Begleichung offener Gasrechnungen beibringen soll.

Auf Initiative der EU-Kommission berieten in der ersten Juliwoche Vertreter von Weltbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der europäischen Gasindustrie mit Russen und Ukrainern über die Aufnahme von Darlehen zugunsten der Ukraine. Die Ukraine hat zur Abwendung eines neuen Gaslieferstopps aus Russland bei der EU 4,2 Mrd. $ (ca. 3 Mrd. €) Kredit beantragt. Russland hat klargestellt, sich an einem Kredit nur gemeinsam mit der EU beteiligen zu wollen. Musste der ehemalige Bruderstaat Ukraine Russlands in der Vergangenheit einmal im Jahr Gasrechnungen an Moskau bezahlen, haben die Vertragspartner sich nun auf eine monatliche Zahlungsweise verständigt.

Für die Kredite der Ukraine könnte auch die EU zu Bürgschaftsverpflichtungen herangezogen werden.

Der Ukraine fehlen aber nicht nur die Mittel, um die Juni-Gasrechnung zu bezahlen, auch für das Auffüllen der nun im Besitz der Ukraine befindlichen unterirdischen Gasspeicher, die derzeit nur bis zu einem Drittel aufgefüllt sind, fehlt Kiew das Geld.

Die europäische Gasindustrie drängt darauf, dass spätestens ab August russisches Gas eben in jene Speicher durchgeleitet wird, um einer erneuten Gaskrise im Winter 2009/2010 vorzubeugen. Nur durch das Füllen von Gasspeichern werde gewährleistet, dass im Winter ausreichend Gas aus Russland in die EU gepumpt werden können.  Russisches Gas in ukrainischen Lagern ist für alle drei Beteiligten - die EU, die Ukraine und Russland - gleichermaßen wichtig", sagte die ukrainische Premierministerin Julia Timotschenko beim EU-Energieministerrat kürzlich in Luxemburg. Für die Kredite der Ukraine könnte auch die EU zu Bürgschaftsverpflichtungen herangezogen werden. IWF und Weltbank wollen ebenso Russland in entsprechende Kreditleistungen einbeziehen. Russland will sich nur an einem Kredit gemeinsam mit der EU beteiligen. 

Die Europäer sehen sich erneut mit dem Rücken an der Wand und als "Geisel der ukrainisch-russischen Querelen"

Unterhändler aus Kiew beschwichtigen derweil: Nachdem die Ukraine einen Zehn-Jahres-Vertrag mit Russland abgeschlossen habe, sei auch zum Jahresende nicht mit neuen Schwierigkeiten bei der Gaslieferung zu rechnen, heißt es aus ukrainischen Teilnehmerkreisen. Es gehe bei der jetzt geplanten Finanzierung um "eine zivilisierte Nutzung von Krediten": Dafür wolle Kiew Zinsen zahlen. Nicht auszuschließen ist, dass die EU künftig beim russischen Gas doppelt bezahlt: für die Lieferung und die Bedienung von Krediten an Kiew.  EU-Kommissionschef José Manuel Barroso gab heute in einer Pressekonferenz in Brüssel das Scheitern der bisherigen Gespräche bekannt: "Es ist noch kein Abkommen mit den Finanzinstituten über einen Milliardenkredit für die Ukraine geschlossen und es ist nicht sicher, ob wir bis Mitternacht ein Ergebnis garantieren können."

Im EU-Haushalt gebe es keine Möglichkeit, entsprechende Gelder zur Verfügung zu stellen, erklärte er. Die Europäer sehen sich erneut mit dem Rücken an der Wand und als "Geisel der ukrainisch-russischen Querelen", wie ein ranghoher EU-Diplomat zusammenfasst. Vom bevorstehenden dreitägigen G8-Gipfel der reichsten Industrienationen im italienischen L`Aquila erwartet in Brüssel niemand ein Durchtrennen des gordischen Knotens. Das russisch-ukrainische Thema bleibt weiter auf der Tagesordnung und das Gas-Poker geht weiter.

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