
Muss Feta-Käse unbedingt aus Griechenland kommen? Für Pavel Kuzmin, Produktionschef der Allgäuer Käserei Hochland in Russland, stellt sich die Frage nicht mehr: Er musste seinen Schafskäse über Nacht aus anderer Quelle beziehen. In Reaktion auf westliche Sanktionen gegen Russland hatte Kremlchef Wladimir Putin im August 2014 ein Teilembargo auf Lebensmittel aus Europa verhängt. Darunter fiel auch der Griechen-Käse, den Hochland in zwei russischen Werken verarbeitete: im Gebiet Ramenski östlich von Moskau und in Belgorod nahe der Ukraine.
„Wir mussten in ganz kurzer Zeit Ersatzlieferanten von mehr als 20 Produkten finden wie etwa spezielle Käsesorten und Gewürze und dafür sorgen, dass sie unsere Standards einhalten“, erinnert sich Kuzmin. Die fand er nach Laboranalysen und vielen Tests auch für den Schafskäse: in Weißrussland. Im Lager stapeln sich heute viel mehr Waren aus ehemaligen Sowjet-Staaten, vor allem aus Weißrussland mit seiner relativ gut entwickelten Landwirtschaft. Aus Europa kommen kaum mehr Zutaten.
Geplante neue EU-Sanktionen gegen Russland
Wenn Firmen und milliardenschwere Oligarchen zur Destabilisierung der Ukraine beitragen, können sie auf eine schwarze Liste kommen.
Von Sanktionen betroffene Unternehmen dürfen keine Geschäfte mit EU-Firmen machen und können nicht mehr über Vermögenswerte in der EU verfügen. Anzahl und Namen der Unternehmen sind aber bisher offen.
Bis Ende Juli soll über eine erste Liste von Unternehmen entschieden werden, für die neuen Sanktionen gelten sollen.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll die Unterzeichnung neuer Finanzierungsmaßnahmen in Russland aussetzen. Zudem wird die EU-Kommission aufgefordert, die Programme für die Zusammenarbeit mit Russland gegebenenfalls auszusetzen. Projekte aber, die auf die Zivilgesellschaft ausgerichtet seien, sollen aufrechterhalten werden.
Der EU-Gipfel vom 27. Juni hatte Russland aufgefordert, bis zum 30. Juni unter anderem für die Freilassung von OSZE-Geiseln zu sorgen und an Friedensverhandlungen teilzunehmen. Auf ausbleibende Fortschritte reagierte der EU-Ministerrat am 11. Juli mit elf weiteren Einreiseverboten und Kontensperrungen. Zudem wird als ein Grund für die Ausweitung eine mangelhafte Grenzkontrolle genannt.
Die EU und die Ukraine haben am 27. Juni ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen unterzeichnet. Es soll den EU-Markt für die Ukraine öffnen und zugleich demokratische Reformen im Land unterstützen. Außerdem hat die EU eine Zahlungsbilanzhilfe in Höhe von 1,6 Milliarden Euro zugesagt. In den nächsten Jahren sollen auch EU-Hilfsmaßnahmen mit einem Volumen von elf Milliarden Euro greifen.
Pro Jahr produziert Hochland rund 50.000 Tonnen Schmelz- und Frischkäse und ist damit in Russland Marktführer. Ein kleiner Teil geht in Nachbarländer. Die Allgäuer profitieren davon, schon im Jahr 2000 in Russland investiert zu haben. „Wir verzeichneten schon Monate vor dem Embargo steigende Nachfrage“, sagt Ulrich Marschner, Russland-Chef von Hochland. Das liegt auch an der gestiegenen Popularität des Frischkäses, den Hochland russischen Kunden mit der Marketingkeule schmackhaft machte.
Die Sanktionen mit ihrer Wettbewerbsverzerrung bringen jetzt einen weiteren Schub für Marken wie Hochland mit Vor-Ort-Produktion: Importeure sind draußen.
Dennoch tut sich der Manager schwer damit, Hochland als Gewinner der Krise zu bezeichnen: „Ich kann noch nicht absehen, ob uns die Lage eher nutzt oder schadet.“ Durch das Embargo sind die Preise gestiegen – für Importwaren wie Schweizer Käse, aber auch für russische Produkte wie Milch von lokalen Landwirten, die davon seit Jahren viel zu wenig herstellen. Wie sich die Inflation von 15 Prozent aufwärts auf den Käseabsatz auswirkt, weiß Marschner noch nicht.
Hinzu kommt: In Russland ist Käse kein Grundnahrungsmittel. „In Krisenzeiten kaufen sie hier Mehl, Salz, Tee, Zucker, Kartoffeln, Buchweizen, alles weitere bauen sie auf der Datscha an“, sagt Marschner. Insofern könne die dank des Embargos gestiegene Nachfrage auch rasch wieder einbrechen.
Nur in einem Punkt ist sich Marschner sicher, dass die Krise seinem Unternehmen hilft: „Unsere besten Mitarbeiter bleiben uns erhalten, sie bewerben sich nicht mehr so schnell weg.“