Russland in der Krise Putins teure Eskapaden

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Die Folgen könnten auf lange Sicht dramatischer ausfallen

Der Präsident lenkt sein Land taktisch raffiniert, aber ohne langfristige Strategie. Noch hat der Staat genug Ressourcen, um durch die Krise zu kommen. Immerhin hortet das Ölimperium Währungsreserven in Höhe von mehr als 430 Milliarden Dollar, mit denen Härten im Finanzwesen oder einzelnen Industriesektoren abgefedert werden können. Das gelang Putin schon 2009, als er die Wirtschaft eigenhändig durch die Krise manövrierte: Große Arbeitgeber wie Lada-Hersteller Awtowas wurden mit Milliarden gepäppelt, damit sie die Entlassung (wahlberechtigter) Mitarbeiter verhindern konnten – auch wenn sich auf dem Hof die „Shiguli“ stapelten.

Damals ließ ein niedriger Ölpreis Russlands Wirtschaftskraft um fast acht Prozent schrumpfen. Putins hemdsärmelige Rettung von Staatsbetrieben und die Erhöhung der Sozialausgaben rissen daraufhin in den Haushalt ein Loch; das Defizit von knapp acht Prozent musste 2010 aus den Reserven finanziert werden. Heute notiert der Ölpreis trotz Ukraine-Krise über der Marke von 100 Dollar pro Barrel. Putins fatale Wirtschaftspolitik mag das Land in die Stagnation oder gar Rezession treiben, so steil bergab wie 2008/09 geht es für Russland bei aktuell noch zaghaften Sanktionen und der guten Preislage am Rohstoffmarkt aber nicht.

Auf längere Sicht aber könnten die Folgen dramatischer ausfallen. Das Vertrauen in den Standort ist dahin, am Kapitalmarkt gilt Russland als Hochrisikoland, was sich etwa an den gestiegenen Renditen auf Rubel-Anleihen ablesen lässt. Seit Jahren ist bekannt, wie tiefkorrupt die Geschäftspraxis in Russland ist, dass man Gerichte kaufen und mithilfe der Justiz Unternehmen feindlich und billig übernehmen kann. Die Annexion der Krim kommt noch hinzu.

Putins teure Eskapaden

Die Folgen sind teuer: Kredite gibt es in Russland nur mehr zu exorbitanten Zinsen um die 30 Prozent, auch weil die russische Zentralbank zur Inflationsbekämpfung die Leitzinsen immer höher schraubt. Was nur begrenzt wirkt; die Teuerung betrug allein im Juni 7,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, aufs Gesamtjahr gerechnet, wird eine Geldentwertung von bis zu zehn Prozent erwartet. Doch die massive Kapitalflucht, die im ersten Halbjahr mit rund 80 Milliarden Dollar das Niveau von 2013 überschritt, könnte den Wert noch höher treiben.

Mit ihrer Hochzinspolitik kann die Zentralbank die Kapitalflucht bremsen, nicht aber stoppen – und Moskauer Auguren erwarten, dass Hardliner aus dem Putin-Umfeld bald Kapitalverkehrskontrollen gegen die liberalen Notenbanker durchsetzen werden.

Es kommt hinzu, dass Putins Eskapaden auch das Budget schwer belasten. Allein auf der Krim will die Regierung dieses Jahr rund fünf Milliarden Euro investieren, die Sanktionen könnten Russland nach EU-Prognosen 20 Milliarden Euro kosten. Der hoch verschuldete Staatskonzern Rosneft wurde vom Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag zu einer Rekordstrafe von mehr als 50 Milliarden Dollar verknackt. Dessen Filetierung des Ölkonzerns Yukos, der mit der Verhaftung von Ex-Oligarch Chodorkowski 2003 in die Pleite getrieben wurde, soll rechtswidrig gewesen sein.

Der Internationale Währungsfonds sah Russlands Wirtschaft schon in der Rezession, da waren die Sanktionen der vergangenen Woche noch nicht bekannt. Die Investitionen liegen völlig brach, die Preise für Verbraucher und Unternehmen steigen. Die Embargopolitik des Westens wird dazu führen, dass jedes Unternehmen Handelsaktivitäten mit Russland infrage stellt, schon um zu Hause Strafen zu vermeiden. So setzen die Sanktionen eine Spirale in Gang, die sich immer schneller dreht.

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