Überfliegt man das Sanktionspaket der EU, wird klar: Die deutsche Wirtschaft ist mit einem blauen Auge davongekommen. Großbritannien hat mit dem unter russischen Investoren sehr beliebten Finanzplatz London höhere Lasten zu tragen:
Rüstungsgüter dürfen künftig nicht an Russland geliefert werden, wobei zwei fast fertige französische Hubschrauberträger noch übergeben werden dürfen.
Für Deutschland fällt das beschränkte Exportverbot bei einer Ausfuhr im Wert von 40 Millionen Euro (2012) kaum ins Gewicht. Allerdings müssen deutsche Unternehmen darauf achten, keine sogenannten Dual-Use-Güter nach Russland auszuführen. Dabei handelt es sich um Waren, die sowohl zivile wie auch militärische Verwendung finden können.
Russlands Rüstungsindustrie ist von dem Embargo kaum betroffen. Die wichtigsten Absatzmärkte der dortigen Militärindustrie sind China, Indien und ein paar Schurkenstaaten. Die Prosperität der Branche, die zehn Prozent zum russischen Gesamtexport beisteuert und im Inland ein starker Beschäftigungsfaktor ist, wird wenig beeinträchtigt.
High Tech für die Ölindustrie darf aus der EU nicht mehr nach Russland geliefert werden. So will Brüssel die Förderung von Rohöl behindern, dessen Exporterlöse den größten Brocken bei den Staatseinnahmen ausmachen. Zumindest ein Teil dieser Technik wird allerdings von heimischen oder asiatischen Herstellern ersetzt werden können. Darunter werden Partnerschaften zwischen westlichen und russischen Unternehmen leiden – das trifft unter anderem die BASF-Tochter Wintershall, vor allem aber die britischen Ölkonzerne BP und Shell, die beide stark in Russland engagiert sind.
Über den Finanzsektor sendet die EU ein lauteres Warnsignal an Russland. Banken, an denen der Staat mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist, dürfen sich künftig nicht mehr auf den europäischen Kapitalmärkten finanzieren. Das gilt für die größten russischen Institute wie die Sberbank, VTB und die Gazprombank. Bestehende Finanzierungen sind allerdings nicht betroffen, ausgenommen sind auch Finanzierungen von kürzerer Dauer als 90 Tagen.
Ihre Wirkung werden diese Sanktionen allenfalls mittelfristig entfalten, zu unmittelbaren Liquiditätsproblemen werden sie nicht führen: Gerade die Sberbank, die für den Staat die Sozialleistungen abwickelt, ist nie knapp an Einlagen und Reserven. Zudem verspricht die Zentralbank ihre Unterstützung, die sich schon im Krisenjahr 2008 als effizient und hilfreich erwiesen hatte. Die langfristigen Finanzierungen dürften sich aber in den kommenden Monaten für russische Unternehmen deutlich verteuern, weil die Banken ihre gestiegenen Kosten an die Kunden weitergeben.
Länger und länger wird derweil die Liste der Oligarchen und Politiker, denen die EU die Einreise verweigert. Furcht vor der Konfiszierung ihrer Konten soll in den vergangenen Monaten eine Menge Kapital aus London vertrieben haben. Zu Recht zielten die Sanktionen auch auf „die reichen Oligarchen, die in den Hauptstädten Europas ihre Konten und ihre Immobilien haben“, sagt Minister Gabriel. Diese Sanktionen würden schnell Wirkung beim Gegner zeigen. Dass es zu härteren Sanktionen wie dem Einfrieren von Konten kommt, gilt in Bankenkreisen aber als unwahrscheinlich. Kenner der Moskauer Machtzirkel wie die Soziologin Olga Kryschtanowskaja warnen zudem, den Einfluss der Oligarchen auf Putin zu überschätzen: Solange er in solch hohen Umfragewerten schwelge, sitze der große Zampano schlicht zu fest im Sattel, als dass ihn jemand zum Einlenken zwingen könne. Zumal er 2003 mit der Inhaftierung des Michail Chodorkowski gezeigt hat, wie effektiv die willfährige russische Justiz widerspenstige Oligarchen kaltstellen kann.