Russland Gazprom ist Wladimir Putins Waffe

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Norwegen kann Russland nicht ersetzen

Gaskraftwerke allerdings sind auch ohne russische Preiserhöhungen in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich. Dafür bedarf es keines Putins und keiner Ukraine-Krise. Grund: Es fließt zu viel Ökostrom durch die Netze, der selbst hochmoderne, hocheffiziente Gaskraftwerke ausbremst. Für die meisten Gaskraftwerke haben die Betreiber bei der Bonner Bundesnetzagentur bereits Stilllegungsanträge gestellt. Parallel dazu soll ein „Kapazitätsmarkt“ dafür sorgen, dass auch stillgelegte Gaskraftwerke durch ein Umlageverfahren finanziell unterstützt werden. Ob es sich dabei um Subventionen handelt oder nicht, darüber streiten die Ordnungspolitiker noch.

In jedem Fall werden Putins Preiserhöhungen für die Gaskraftwerke kaum Konsequenzen haben, weil sie sowieso stillstehen und auf die Segnungen eines Kapazitätsmarktes warten, bezahlt wiederum vom Stromkunden. Da wäre dann die Energiewende schuld, nicht die Ukraine.

Allerdings bestimmt die Gazprom-Führung ganz entscheidend auch die Finanzlage nichtdeutscher Energiekonzerne in Europa. So frohlockte kürzlich Claudio Descalzi, Chef des italienischen Energiekonzerns Eni, dass durch Nachverhandlungen mit Gazprom die Einkaufspreise ganz erheblich gesenkt werden konnten. Die Konsequenz war, dass Eni seinen Gewinn ganz erheblich verbessern konnte, im zweiten Quartal stieg der Gewinn wegen des Gazprom-Deals um die Hälfte. Der Hebel funktioniert in andere Richtung natürlich auch. Preishöherungen von Gazprom verderben die Gewinne des Herrn Descalzi quasi über Nacht. Und da der italienische Staat mit über 30 Prozent Aktionär von Eni ist, versiegen damit auch die Dividenden in Richtung Staatssäckel. Mit gut zwei Milliarden Euro kann der italienische Staat von Eni rechnen.

Sollte Eni bereit sein, auf das russische Gas zu verzichten oder gar weniger abzunehmen, dann schwingt sich ein italienisches Unternehmen gegen den Kreml auf, das jahrelang Muammar al-Gaddafi mit Schmiergeldern versorgt haben soll. Das wurde erst nach der Revolution in Libyen bekannt.

Eine herbe Enttäuschung bescherte kürzlich Statoil-Chef Helge Lund in der "Süddeutschen Zeitung" allen Energiepolitikern aus Deutschland und Brüssel, die mit dem Fingerzeig auf das Erdgas aus Norwegen Russland in seine Schranken weisen wollen. Der größte norwegische Konzern gilt als Riese, der als Alternative zu Gazprom jederzeit einspringen könnte, falls man sich in Westeuropa unabhängig von Gazproms Macht machen möchte. Mit Sorge verfolgte Lund bisher den Gasstreit um die Ukraine und warnte die Deutschen: „Statoil kann kurzfristig Störungen ausgleichen. Aber Norwegen kann die Rolle Russlands und Gazproms nicht ersetzen.“

Es wird schwierig, Putin die Muskeln zu zeigen. Jedenfalls auf dem Energiemarkt.

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